Frankenthal „Wir haben keine Stoppuhr“

Über sieben Tage geht der Nachwuchswettbewerb in Paderborn. Erstmals ist Hans-Jürgen Thoma Juror auf Bundesebene. Wichtig seien
Über sieben Tage geht der Nachwuchswettbewerb in Paderborn. Erstmals ist Hans-Jürgen Thoma Juror auf Bundesebene. Wichtig seien gute Notizen, um alle etwa 80 Beiträge fair vergleichen zu können.

Etwa 80 Kinder wird Hans-Jürgen Thoma am Abend des 7. Juni Klavier spielen gehört haben. Der Leiter der städtischen Musikschule Frankenthal ist erstmals als Juror beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert von 1. bis 7. Juni in Paderborn. Wir sprachen mit Thoma, der auf 35 Jahre Jurytägigkeit zurückblickt, über die Macht des ersten Eindrucks und die Schwierigkeit, musikalisches Können zu vergleichen.

Herr Thoma, wie bewertet man denn das Klavierspiel eines 13-Jährigen?

Das ist sehr schwer. Anders als bei einem 100-Meter-Lauf haben wir in der Jury ja keine Stoppuhr und auch kein Maßband, um die Leistung des Einzelnen zu bewerten und vor allem, um die Teilnehmer zu vergleichen. Neben bestimmten fachlichen und handwerklichen Kriterien gibt es da natürlich immer ein subjektives Moment. Darüber diskutieren wir in der Jury zum Teil sehr ausführlich. Sie hören in Paderborn der Altersklasse III Jugendliche zwischen 13 und 15 Jahren. Da gibt es doch bestimmt auch ehrgeizige Eltern, die mit der Entscheidung nicht einverstanden sind. Kritik an der Jury, das bleibt bei einem solchen Wettbewerb nicht aus. Damit muss man leben. Können Sie sich denn am siebten Tag des Wettbewerbs noch an den ersten Beitrag erinnern? Man muss sich das Gehörte gut aufschreiben. Etwa die Hälfte der Teilnehmer will auch noch ein Beratungsgespräch, um zu erfahren, was gut war und wo sie sich noch verbessern können. Für diese Gespräche gibt es einen umfangreichen Leitfaden, den ich gerade durcharbeite. Als Juryvorsitzender bei den Landeswettbewerben in Rheinland-Pfalz und Baden Württemberg kennen Sie ja sicher auch einige der jungen Musiker. Ja, da sind schon immer wieder dieselben Namen dabei. Ich bin froh, dass ich meine Aufzeichnungen aus dem Landesentscheid noch habe als Gedächtnisstütze. So sehe ich auch, was sich inzwischen verbessert hat. Was macht man denn, wenn ein Teilnehmer zu aufgeregt ist, um spielen zu können? Da ist dann der Juryvorsitzende gefragt. Man geht positiv auf das Kind ein, jüngere Teilnehmer nimmt man vielleicht auch mal in den Arm, und wartet ein wenig ab. Allerdings kommt ein Blackout beim Bundeswettbewerb so gut wie nie vor. Dort sind wirklich nur die absolut Besten. Wie schnell können Sie die Leistung des Schülers einschätzen? Im Grunde ist mir nach einer Minute klar, wo es langgeht. Man beobachtet den Teilnehmer ja von der Tür bis zur Schlussverneigung und sieht, ob er selbstsicher oder nervös wirkt, extrovertiert oder schüchtern ist. Aber natürlich muss ich mein erstes Urteil während des gut 15-minütigen Spiels auch immer mal nach oben oder unten korrigieren. Welche Tipps haben Sie für junge Musiker? Sie sollten ruhig auch zuhören, was die anderen so bringen. Das hilft, die eigene Leistung besser einzuschätzen. Und man muss lernen, mit Enttäuschungen umzugehen. Es gibt bei solchen Wettbewerben immer mehr Verlierer als Sieger. Aber letztlich gewinnen alle: In wichtigen Situationen auf den Punkt präsent zu sein, sich selbst einzuschätzen, mit Stärken und Schwächen, das ist etwas, das man im Leben immer brauchen kann. Nach täglich zehn Stunden Daueranspannung in der Jury – wie verbringen Sie da den Abend? Da ist man fertig. Ich denke, wir gehen abends noch gemeinsam etwas essen und dann ins Hotel. Ich muss dort allerdings noch etwas Klavier üben, weil am 11. Juni ein wichtiges Konzert mit dem Trio Sanssouci in Luxemburg ansteht. | Interview: Sonja Weiher

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