Frankenthal „Satire ist Notwehr“

„Ich finde es störend und beschämend, dass so einem Idioten derart viel Aufmerksamkeit zuteil wird“, sagt Martin Sonneborn über
»Ich finde es störend und beschämend, dass so einem Idioten derart viel Aufmerksamkeit zuteil wird«, sagt Martin Sonneborn über US-Präsident Donald Trump.

Seehofer, Chemnitz, Trump – Satiriker müssten dieser Tage eigentlich frohlocken ob der Vielzahl an Themen, die sich ihnen bieten. Doch Martin Sonneborn freut sich nicht. Warum das so ist und wie sich Satire vom ganz normalen Klamauk und Nonsens unterscheidet, erklärt der Satiriker im Interview.

Herr Sonneborn, haben Sie schon Donald Trump eine Dankes-E-Mail geschrieben?

Nein. Warum? Na ja, ich denke, er liefert reichlich Vorlagen für Satiriker. Sie müssten eigentlich dankbar sein, dass er an die Macht gekommen ist. Überhaupt nicht. Ich finde es störend und beschämend, dass so einem Idioten derart viel Aufmerksamkeit zuteilwird. Am Anfang hat mich das amüsiert – drei Tage lang. Aber mittlerweile stellen wir ja fest, dass dieser Mann ernst genommen wird. Das ist natürlich kein Spaß für uns. Ich würde im Gegenteil anregen, dass die RHEINPFALZ im Zusammenspiel mit sämtlichen Medien in Deutschland darauf verzichtet, Twitter-Meldungen von Trump zu kommentieren. Trump hat genug Verlautbarungskanäle. Wenn man nicht auf jeden Scheiß von ihm reagiert, schadet es der Welt nicht. Aber generell: Flüchtlingskrise, die Vorfälle in Chemnitz – als Satiriker kann man es sich gerade aussuchen ... Nein. Das gilt ja auch für Journalisten. Es gibt Dinge, mit denen Sie sich lieber beschäftigen, und Dinge, die schlechte Laune machen. Wenn ich mir Chemnitz und große Teile Ostdeutschlands angucke, unter welchen Bedingungen unsere Partei dort tätig ist ... Das ist nicht ganz einfach in Sachsen. Und wenn ich dann notgedrungen reflektiere, was der Innenminister gerade für eine traurige Figur abgibt, dann bereitet mir das schlechte Laune. Was bereitet Ihnen denn gute Laune? Das Wetter. Ich fahre gerade nach Straßburg. Da sind es 30 Grad. Der Klimawandel ist sehr zu begrüßen. Und natürlich die Umfrageergebnisse für Die Partei im Moment. Laut Imsa liegen wir in Berlin gerade bei vier Prozent. Wir könnten sogar die Fünf-Prozent-Hürde knacken. Das ist natürlich ein interessantes Ergebnis für uns. Sie bekommen im Europaparlament den politischen Alltag mit. Vergeht Ihnen da manchmal das Lachen? Ja, in der Tat. Wir erleben gerade einen Paradigmenwechsel, der in Deutschland noch gar nicht diskutiert wird. Im kommenden EU-Haushalt sind über 30 Milliarden Euro vorgesehen für die Entwicklung von autonomen Waffen, sogenannten Killerrobotern, für Grenzsicherung und Frontex-Aufstockung. Autonome Waffen sollen exportiert werden dürfen. Erstmals wandert mehr Geld in die Aufrüstung als in die Bekämpfung von Fluchtursachen. Das macht mir auch schlechte Laune. Seit dem Anschlag auf die Charlie-Hebdo-Redaktion wird viel über Satire diskutiert. Was darf Satire aus Ihrer Sicht? Oder was muss sie leisten? Ich habe mal eine Magisterarbeit geschrieben, in der ich mich ein bisschen mit dem Satire-Begriff beschäftigt habe. Es gibt drei maßgebliche Wesensmerkmale: Satire muss auf die Abstellung eines Mangels zielen, sie muss ästhetisch verbrämt sein, und sie sollte eine gewisse Aggression beinhalten. Mit anderen Worten: Ein guter Witz, der eine aufklärerische Komponente transportiert und eine gewisse Aggression in sich trägt. Das unterscheidet sie dann auch von Klamauk, Nonsens und von so vielem, was heute inflationär als Satire bezeichnet wird. Wenn die Schwachköpfe aus der AfD etwas Provokantes äußern, von dem sie anschließend behaupten, es sei Satire gewesen, ist das eine Beleidigung für jeden denkenden Menschen, insbesondere für jeden Titanic-Redakteur. Wie nötig haben wir Satire in Zeiten von AfD? Es gibt ein Bonmot im Titanic-Verlag: Schlechte Zeiten sind gute Zeiten für Satire; gute Zeiten aber auch. In schwierigen Zeiten haben Witz, Humor und vor allem auch Satire einen höheren Stellenwert. Die Partei, der politische Arm der Titanic, arbeitet ja auch mit satirischen Methoden gegen die AfD. Satire ist Notwehr. Wie oft sind Sie als Satiriker schon verklagt worden? Puuhh. Nicht so oft. Es gab vielleicht fünf oder acht Fälle, in denen ich mich juristisch auseinandersetzen musste. Aber so richtig verklagt worden ... Es gab diese Klageandrohung des Deutschen Fußballbunds (DFB), als wir im Jahr 2000 lustige Bestechungsfaxe an Fifa-Funktionäre verschickt haben. Daraufhin hat sich tatsächlich eines der Komitee-Mitglieder bei der WM-Vergabe der Stimme enthalten, die WM kam nach Deutschland, und der Mann ist mit dem Fax vor die Presse getreten. Da stand für einen kurzen Moment eine Schadenersatzklagesumme von 600 Millionen D-Mark im Raum. Daraufhin habe ich mich verpflichtet, Zeit meines Lebens nicht mehr Einfluss zu nehmen auf die Vergabe von Fifa-Turnieren. So konnte ich eine Klage umgehen. Wie locker nehmen Sie solche Klageandrohungen? In letzter Zeit etwas lockerer. Als Parteivorsitzender habe ich ja einige Auseinandersetzungen mit der Bundestagsverwaltung führen müssen. Da ging es um den Goldverkauf der AfD, den wir parodiert haben, in dem wir Geldscheine verkauften, Hunderter für 80 Euro. Die Bundestagsverwaltung hat uns deswegen mit einem ruinösen Strafgeld von fast 500.000 Euro belegt. Dagegen mussten wir klagen und haben zwei Prozesse mit klugen Richtern so deutlich gewonnen, dass es mir Freude bereitet hat. Schäuble rollt jetzt trotzdem in Revision vor das Bundesverwaltungsgericht. Ist die Gesellschaft in Bezug auf Satire dünnhäutiger geworden? Ich glaube, dass sich die Diskussionskultur allgemein verändert hat. So bescheuerte Portale wie Facebook, die Blasenbildung ... Jeder Depp in jedem Dorf darf sich heute zu allem äußern und bekommt dadurch dann auch noch Bestätigung, dass er mit seiner Meinung nicht alleine ist. Shitstorm und derartige Dinge gab es früher ja nicht. Die Empörungsbereitschaft ist grundsätzlich höher. Kommen wir mal auf Ihren Auftritt beim Festival Pop Up in Worms mit der Titanic Boygroup. Über die hieß es mal, dass sie Bösartigkeit zelebriere. Ein besonderes Lob? Eigentlich nicht, aber es bedeutet, dass wir uns vom üblichen Klamauk abheben, dass wir bei Titanic ernsthafte Satire betreiben. Vom Charakter her anders als die üblichen lustigen Dinge im Netz, anders als der Postillion, den ich schätze, anders als Extra3 oder die heute Show. Auf welche Bösartigkeiten dürfen wir uns in Worms freuen? Das wissen wir noch nicht. Wir werden vorher noch die Schwächen der Wormser und des Umlandpacks, das sich an dem Abend vermutlich in die Stadt begeben wird, die ganzen Pfälzer Bauern, ausloten. Wir werden uns intensiv mit Ihnen beschäftigen. Das freut uns sehr. Sie sind jetzt seit rund zwei Jahrzehnten auf der Bühne. Wie behält man da die Schärfe? Ich glaube, das ist wie in einer guten Ehe, in der man anfängt, sich nach zwei Jahrzehnten zu hassen, und die Möbel etwas zu verrücken, damit der andere, der nicht mehr so scharf sieht, dagegenläuft und glaubt, er wird verrückt. Ich habe Spaß dran gefunden, Thomas Gsella, der nicht mehr so scharf sieht, Bügel an sein Jackett zu hängen, wenn er auf die Bühne geht und dort Sachen in sein Bierglas zu schütten, die er dann trinkt. Man kann sich wunderbar mit Gehässigkeiten die Zeit vertreiben, wenn man unterwegs ist. Also von Altersmilde keine Spur? Ich glaube eher, dass wir in vielen Dingen zu einer schärferen Reaktion neigen. So alt sind wir wahrscheinlich doch noch nicht. | Interview. Christian Treptow

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