Frankenthal „Ich habe ihm geglaubt“

Schon damals wurde kritisiert, dass sich Franz Schleich darin unkommentiert zu Fragen von Verantwortung und Wahrhaftigkeit äußer
Schon damals wurde kritisiert, dass sich Franz Schleich darin unkommentiert zu Fragen von Verantwortung und Wahrhaftigkeit äußert.

Vor sieben Jahren erschien der gut 400 Seiten starke Bildband „Die Welt, in der wir leben“. Er gibt einen umfassenden Überblick über das plastische Werk des Frankenthaler Bronzebildhauers Erich Sauer. Schon im Januar 2011 war die Beteiligung des mutmaßlichen Securitate-Spitzels Franz Thomas Schleich kritisiert worden. Forschungen erhärten den Verdacht, dass Schleich für den rumänischen Geheimdienst arbeitete. Eine Neuauflage des Buchs oder eine Distanzierung von Schleich plant Sauer dennoch nicht.

„Franz Schleich hat mir versichert, dass an den Vorwürfen nichts dran ist. Ich habe ihm geglaubt“, sagte Erich Sauer in einem RHEINPFALZ-Gespräch im November. Damit sei das Thema für ihn erledigt gewesen. Der ehemalige Unternehmenssprecher des Bodenbelag-Herstellers Tarkett habe ihn und seine Kunst in vielfältiger Weise unterstützt, so der Bronzebildhauer, der am 17. Februar 87 Jahre alt wird. Unter anderem gehörte Schleich zu einem Kreis von Gönnern, die sich für ein Sauer-Museum in Frankenthal stark machten. Führende Tarkett-Mitarbeiter hätten regelmäßig ihre Weihnachtsfeier im Atelier des Bronzebildhauers ausgerichtet. Auch eine Ausstellung in Genf bei den Vereinten Nationen, die den Frankenthaler 1994 als ersten „Künstler für den Frieden“ auszeichneten, sei Schleichs Verdienst. Dieser habe sich um Sponsoren dafür bemüht. „Er war einer der wenigen in Frankenthal, die sich für Kunst interessiert haben“, sagte Sauer bei einem Telefonat vor wenigen Tagen. Inzwischen lebe Schleich in Berlin, er habe noch Kontakt zu ihm. Für die Redaktion war Schleich jedoch nicht zu erreichen. Franz Thomas Schleich, der im Januar 70. Geburtstag feiert, arbeitete in seiner Heimat Rumänien als Schriftsteller und Journalist. Er hatte so Zugang zu einer Gruppe junger rumäniendeutscher Schriftsteller, zu der unter anderem Horst Samson und William Totok sowie die spätere Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller und deren früherer Ehemann Richard Wagner gehörten. Anfang 2010, also ein Jahr vor Veröffentlichung des Sauer-Bildbands, berichtete das TV-Magazin Report Mainz, dass Schleich unter dem Decknamen Voicu ehemalige Schriftsteller-Kollegen für den rumänischen Geheimdienst Securitate bespitzelt haben soll. Schleich selbst hatte 2010 auf RHEINPFALZ-Nachfrage erklärt, dass an den Vorwürfen nichts dran sei. Gleichwohl wollte er damals nicht ausschließen, dass er mit Securitate-Mitarbeitern über Kollegen gesprochen habe. Er sei jedoch kein Spitzel gewesen. „Die Unterlagen lassen keinen anderen Schluss zu: Er hat bewusst über Kollegen an den Geheimdienst berichtet“, sagt dagegen Georg Herbstritt, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU), kurz „Jahn-Behörde“. Für den Nachweis, dass Schleich tatsächlich unter dem Decknamen Voicu tätig war, setze das Gericht hohe Maßstäbe an. Die Protokolle seien jedoch in seinen Augen eindeutig, so Herbstritt. Der Berliner Historiker hält bis heute Kontakt zu dem rumänischen Schriftsteller William Totok, der zu dem Kreis um Herta Müller gehörte und inzwischen ebenfalls in Berlin lebt. Totok ist regelmäßig in Bukarest und forscht bis heute in den Securitate-Akten, die seit dem EU-Beitritt Rumäniens laut Herbstritt „einigermaßen zugänglich“ sind. Forscher und Betroffene können Akteneinsicht beantragen. Außerdem gibt es eine Internetdatenbank, in der sich – allerdings nur auf Rumänisch – einige Informationen finden lassen (www.cnsas.ro). 2010 sei noch nicht bekannt gewesen, dass Franz Schleich nach seiner Ausreise 1983 drei Jahre später noch einmal Rumänien besuchte und erneut Kontakt zur Securitate gehabt haben soll. „Es wurde ein Treffen mit mir und meinen Autorenkollegen eingefädelt“, sagt Totok. Schleich habe den Auftrag gehabt, herauszufinden, was die Gruppe plane. „Über die Gespräche dieser Begegnung hat er dann der Securitate ausführlich berichtet“, schildert Totok Ergebnisse seiner jahrelangen Recherchen. Schon im Erscheinungsjahr des Sauer-Bildbands war kritisiert worden, dass der Künstler selbst hohe moralische Maßstäbe anlege – und dass Schleich sich in dem von Erich Sauer selbst herausgegebenen und im Höma-Verlag erschienen Buch gleich in mehreren Beiträgen unkommentiert zu gesellschaftlichen Werten, zu Wahrhaftigkeit und Verantwortung äußert. „Erich Sauer sollte die Spitzel-Vorwürfe gegenüber Schleich zumindest thematisieren“, findet Historiker Herbstritt. Es gehe hier um die Wahrhaftigkeit von Verhalten und Aussagen. Der Frankenthaler Bronzebildhauer selbst sieht derzeit jedoch keinen Anlass, den Bildband in einer überarbeiteten Form neu aufzulegen.

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