Frankenthal Frauen zwischen Wangenrot und Tugend

Selber mal mitsingen, tanzen, Spaß haben: Es waren nicht nur mittelalterlich gewandete Profis, die das bekannte Trinklied „In Taberna quando sumus“ aus den Carmina Burana am Freitag in Worms sangen. Mitmachen konnten auch Bürger, die sich auf dem Obermarkt einfanden. Das Festival Wunderhoeren bot ein neues Erlebnis.

Es war ein Experiment, und es lief recht gut. Volker Gallé, der Kulturbeauftragte der Stadt, will die Bürgerbeteiligung beim Festival künftig ausbauen. 35 Teilnehmer hatten sich angekündigt, ein paar weitere kamen noch spontan dazu. Schon mal eingestimmt wurde das Volk von Ranunculus, einer Gruppe von Spielleuten im mittelalterlichen Stil. „Marktmusik“ erklang da zum Trommelschlag, und es spielten allerlei Musiker auf Schlüsselfiedel, Drehleier, Dudelsäcken und Schalmeien. Dann trat Stefan Merkelbach vor, der Dirigent der Wormser Kantorei, und verkündete dem staunenden Volk, welch wunderbare Weisen nun gesungen und gespielet werden. Der Meister und alle Musizierenden waren vortrefflich gekleidet, denn die Wormser Kantorei war von der Mittelalter-Gruppe Wormser Gewandete ausgestattet worden. „Carmina Burana“ ist eine Sammlung alter Lieder aus dem 13. Jahrhundert. Die meisten Lieder seien in lateinischer Sprache gedichtet, aber auch mittelhochdeutsche Texte seien dabei, so Merkelbach. Es geht um Trinken und Glücksspiel, es gibt viele Spottgesänge, aber den größten Teil machen Liebeslieder aus. Nach Hunderten von Jahren habe man die Liedersammlung im Kloster Benediktbeuern erst 1803 wiederentdeckt. So mancher wird die Vertonung kennen, die Carl Orff verfasst und 1937 uraufgeführt hat, doch das war nicht, was am Wormser Obermarkt zu hören war. Während Orff für ein Orchester mit modernen Instrumenten geschrieben hat, spielten die Musiker von Ranunculus auf den Nachbauten historisch belegter Instrumente des Hochmittelalters – was zur Entstehungszeit der Lieder passt. Das erste Lied aus der Sammlung erzählt von einer jungen Frau, die beim Krämer Wangenrot (Rouge) kaufen will. Nach diesem recht weltlichen Thema, ging es weiter mit einem geistlichen Lied zu Ehren der Heiligen Katharina von Alexandrien. Von ihrer Tugend und ihrem Leiden sangen die zehn Sänger der Kantorei, während die Spielleute auf Blockflöten und Schlüsselfiedel die Melodien wiederholten. Eine frühe Form der Mehrstimmigkeit, wie sie in der Pariser Kathedrale Notre Dame entstand, war im nächsten Lied zu hören. Dann holte Dirigent Merkelbach den Bürgerchor auf die Bühne. Mit Unterstützung der Kantorei-Sänger wurde erst geprobt, den Text im Rhythmus zu sprechen, dann zu singen. Melodisch sind die Verse auch nicht allzu schwer. Die rhythmisch verzwickten Strophen drei und vier sangen die geübten Sänger ohne Bürger, die danach wieder einsteigen konnten. Das Üben ging zügig voran, und so hatte die gemischte Besetzung aus Wormser Kantorei, Ranunculus und Bürgerchor das Stück schon bald erarbeitet. Das klang auch sehr ordentlich, machte allen Beteiligten viel Spaß und schien auch den Zuhörern zu gefallen, sodass es das Stück noch mal zu hören gab. Wer angemeldet war, soll einen Mitschnitt des Stücks bekommen. Nach dem Chor spielten Ranunculus weiter und brachte die Zuschauer zum Tanzen. Dirigent Merkelbach findet die Idee des Mitmach-Projekts toll. „Wenn es eine Fortsetzung gibt sind wir gerne wieder dabei“, sagte er. Ein paar mehr Leute im Bürgerchor hätte er sich gewünscht. Allerdings habe das stürmische und regnerische Wetter wohl viele abgeschreckt. (ghx)

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