Frankenthal „Der Sound wird sich ändern“

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Albert Ostermaiers „Glut“ wird vom 4. bis 20. August bei den Nibelungen-Festspielen in Worms aufgeführt. Dafür hat Intendant Nico Hofmann erneut Nuran David Calis verpflichtet, nachdem es im vergangenen Sommer so viel Lob für dessen Regiearbeit gab. Calis spricht von traumhaften Bedingungen in Worms und davon, dass die deutsche Kolonialgeschichte im Nahen Ostern als Katalysator für den mittelalterlichen Nibelungenstoff taugen kann.

Was gefällt Ihnen so gut in Worms, dass Sie dieses Jahr wieder dabei sind?

Die Bedingungen für einen Regisseur in Worms sind traumhaft. Die Zentrifugalkräfte eines normalen Theaterbetriebs sind dort nicht vorhanden, alle sind fokussiert und konzentriert. Es sind die mit Abstand besten Mitarbeiter versammelt, die man bekommen kann, weil dieser Ort interessant und die Dauer der Arbeit überschaubar ist. Alle sind konzentriert, das Team setzt sich nur mit dieser einen Arbeit auseinander – und das merkt man in der Atmosphäre. Es bleibt natürlich eine Herausforderung. Doch es spricht nichts dagegen, sich an dem zu messen, was man im letzten Sommer erreicht hat. Haben Sie schon Ideen für die Inszenierung? Natürlich. Wir haben im August schon mit der Arbeit begonnen. Wird es wieder eine Videoleinwand geben? Genau. Die Elemente, die zu meinem erzählerischen Handwerk gehören, werde ich beibehalten: All die Dinge, die dem Zuschauer ermöglicht haben, tiefer in den Sog des Abends zu geraten. Es wird auch wieder ein Musikensemble geben. Und wir werden wieder die volle Breite und Tiefe der Bühne bespielen. Wird es auch wieder komödiantisch? Komödiantisch nicht. Der Sound wird sich dieses Jahr ändern. Das erzählerische Panorama, das Albert Ostermaier in seinem Stück „Glut“ wagt, spielt zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Wir begleiten eine preußische Eliteeinheit, die nach Arabien geschickt wird, um die Macht der Engländer und Franzosen zu destabilisieren. Das Thema ist sehr ernst. Dagegen war „Gold“ ja eine Satire: Wir haben so eine Art Dschungelcamp auf die Bühne gestellt, in dem wir auch über unsere eigenen Fehler und Verwerfungen lachen konnten. Ist es nicht eine Komödiantentruppe, als die sich diese Militäreinheit tarnt? Nein. Es ist eine Theater- und Zirkustruppe, die im Auftrag der preußischen Regierung deutsches Kulturgut in die Fremde trägt. So gibt es Stationen, an denen sie haltmachen und den Stoff der Nibelungen verhandeln, aber eben auch Terroranschläge verüben. Wie wollen Sie denn die Kolonialgeschichte, die an Lawrence von Arabien erinnert, mit dem Nibelungenstoff aus dem Mittelalter versöhnen? Man wundert sich, aber die Geschichte handelt von Personen und Begebenheiten, die historisch belegt sind. Albert Ostermaier hat in sein Stück Archetypen wie Hagen, Siegfried und Brunhild und diesen ganzen Kosmos der Nibelungen hineingeschrieben. Die Parallele zum letzten Sommer ist: Der geschichtliche Stoff setzt wie ein Katalysator Themen des Nibelungenstoffs wie Verrat, Krieg, Verderben, Liebe und Eifersucht frei. Finden Sie da auch wieder Themen wie gegenseitigen Respekt und Toleranz gegenüber anderen Kulturen? Das auf jeden Fall. Und vor allem zeigen wir, wie sehr das, was jetzt gerade im Nahen Osten passiert – wie sich Syrien, Irak, Türkei, Libanon, Jordanien allmählich in ein Schlachthaus verwandeln – seine Keimzelle im Ersten Weltkrieg hat. Es zeigt sich, dass es schon immer ein geopolitischer Ort war, an dem viele Stellvertreterkriege über die Kolonialmächte ausgetragen wurden. Und die Gleise wurden interessanterweise mit dem Bau der Bagdadbahn gelegt, die auch Thema unserer Geschichte ist. Sehen Sie auch aktuelle Bezüge? In Trumps Forderungen nach einem großen Amerika etwa klingt ja sehr viel Nationalismus an. Der Mythos der Nibelungen muss bleiben. Und wenn wir über ihn eine Erkenntnis über unsere heutige Zeit gewinnen können, dann haben wir einen Riesenschritt gemacht. Es wird nach Jahren wieder auf der Westseite des Doms gespielt. Sie haben ja schon Begehungen gemacht. Welche neuen Möglichkeiten haben Sie da ausgemacht? Das Licht ist großartig. In dem Moment, da die Sonne untergeht, färbt sich der Sandstein des Doms blutrot. Das wird schon eine starke Kulisse, die ich noch beeindruckender finde als auf der Nordseite. Karten Gespielt wird bei den Wormser Nibelungen-Festspielen wieder bis auf einen Montag durchgehend. Karten sind im Vorverkauf erhältlich für die 15 Vorstellungen nach der Premiere am 4. August über die Hotline 01805 337171 oder im Internet unter www.nibelungenfestspiele.de. | Interview: Birgit Möthrath

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