Frankenthal Zwischen CNC und Chippendale

Die Eichentür der Dreifaltigkeitskirche wurde in seiner Werkstatt gebaut: Schreinermeister Helmut Schreider.
Die Eichentür der Dreifaltigkeitskirche wurde in seiner Werkstatt gebaut: Schreinermeister Helmut Schreider.

Wenn der Frankenthaler Schreiner Helmut Schreider auf Kundenbesuch ist, war vorher manchmal schon die Polizei da. Denn er ist beim Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz gelistet als Experte für Einbruchschutz. Seine Kollegen in Laumersheim von der Holzwerkstatt Thum schreinern Möbel, die schon in Kunstausstellungen zu bewundern waren – zwei Beispiele regionaler Schreiner, die ihre Marktnische gefunden haben und sich so gegen die Konkurrenz der Möbelindustrie behaupten.

Übrigens trägt dieser Beruf bundesweit keine einheitliche Bezeichnung: Wer sich laut Wikipedia auf die „schneidende, fügende oder veredelnde Verarbeitung von Holz“ spezialisiert hat, ist in Nord-, West- und Ostdeutschland ein Tischler, während man in Süddeutschland vom Schreiner spricht. Schreinermeister Schreider ist in Frankenthal der einzige seiner Zunft, der auf der Expertenliste des Landeskriminalamts steht. Dabei berät er Unternehmen und Privatleute dazu, wie man Langfingern den Zugang zu Gebäuden verwehrt. Schreiders Waffe gegen Einbrecher ist ein kleiner Knubbel aus Metall: ein Pilzkopf, der sich beim Verriegeln von Fenstern und Türen im Schließblech des Rahmens verhakt und so verhindert, dass sie sich aufdrücken lassen. Als einer von drei Sachverständigen für das Tischlerhandwerk ist Schreider außerdem immer dann gefragt, wenn Schreinereien und ihre Kunden gegeneinander prozessieren. Neben der Schreinerfarm in der Albertstraße ist das Unternehmen in der Beindersheimer Straße mit einem zehnköpfigen Team die größte Schreinerei der Stadt. Auf Schreiders Kundenliste steht etwa das Albert-Einstein-Gymnasium, dessen Bibliothek er möbliert hat. Der Schreibtisch vom ehemaligen Oberbürgermeister Theo Wieder wurde von ihm lackiert, und Wieders Nachfolger Martin Hebich hat in seinem Büro eine Heizkörperverkleidung aus Schreiders Werkstatt. Von dort stammt auch die Portal-Tür aus massiver Eiche am Eingang zur Dreifaltigkeitskirche, die Meister Schreider mit dem Segen des Amts für Denkmalschutz gefertigt hat. Wo gehobelt wird, fallen auch Späne – ein kleiner Holzspan in seinem Daumen ist Schreider besonders in Erinnerung geblieben. Dieser hatte sich innerhalb von nur zwei Tagen stark entzündet. Zum Glück sei er sofort in die BG Unfallklinik gefahren. Dort erklärten ihm die Mediziner, dass der Splitter von einem tropischen Baum stammt, der Wenge genannt wird und ein ätherisches Öl enthält, das giftig ist. Doch abgesehen von diesem Vorfall sei sein Beruf recht ungefährlich, sagt Schreider – wenn man die Sicherheitsmaßnahmen beachtet. Zum Beispiel? „Die zum Einölen der Möbel verwendeten Lappen sind selbstentzündlich und lagern deshalb außerhalb der Werkstatt in Metallbehältern. Und wenn wir Metalle sägen, dann geschieht das nur im Hof. Wegen des Funkenflugs.“ In Schreiders Werkstatt findet sich das übliche Handwerkszeug des Schreiners – Stecheisen, Hammer, Feile und Säge – daneben ein Maschinenpark mit Kreissägen, Fräsen und Bohrmaschinen, und ein modernes Lasermessgerät. Dies könne das Material auf 30 Metern Länge mit nur einem Millimeter Ungenauigkeit vermessen. CNC-Technik, rechnergesteuerte Werkzeugmaschinen, die seit einigen Jahren im Schreinerhandwerk als der neuste Schrei gelten, findet man hier nicht. „Diese Investition rentiert sich nicht, bis ich mich zur Ruhe gesetzt habe“, meint der 57-Jährige. In der Laumersheimer Holzwerkstatt plant man indes, auf die neue Technik umzustellen. „CNC steckt uns in der Nase“, berichtet Schreinermeisterin Stephanie Thum. 2019 geht die Holzwerkstatt ins 20. Jahr, und bald soll hier eine solche Spezialmaschine Einzug halten. Das Bohren von Löchern per Hand in eine Schrankwand wird dann der Vergangenheit angehören. Automatisierte Bearbeitungsverfahren in einer digitalen Schreinerei ersetzen jedoch nicht die Handarbeit. Und auch nicht die Kreativität, die zum Entwerfen von Möbeln nötig ist. Eine kreative Ader hatten die beiden Schreinermeister Stephanie und Matthias Thum schon immer. Ganz in der Tradition des Möbeltischlers Thomas Chippendale, der einen eigenen Möbelstil prägte, stellen sie Unikate her, die regelmäßig in der Rheinmühle ausgestellt werden. „Viele Leute denken, wir Schreiner können nur Türen und Fenster. Aber wir können viel mehr“, erklärt die Schreinermeisterin. Dazu gehöre auch, die sich verändernden Bedürfnisse in einer älter werdenden Gesellschaft beim Möbelbau zu berücksichtigen. Wenn die Thums für Kunden über 50 eine Küche entwerfen, achten sie auf großzügige Durchgänge. Und auf rückenfreundliches Mobiliar, das nicht gerade Schubladen in Fußhöhe hat. Serie Dass Handwerk goldenen Boden hat, ist ein altes Sprichwort. In unserer Serie fragen wir nach, ob das heute noch stimmt. 597 Handwerksunternehmen gibt es laut dem Abteilungsleiter des Dienstleistungszentrums Kreishandwerkerschaft Vorderpfalz, Christian Mohr, aktuell in Frankenthal. Diese sind in insgesamt 17 Gewerken, also Handwerksberufen, tätig. Wir stellen ausgewählte Handwerker vor und berichten, wie sie sich im Zeitalter von Dienstleistung und Digitalisierung in unserer Stadt behaupten.

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