Frankenthal Der Druck der Digitalisierung

Ein „Industrieskeptiker“ – so der Titel des Werks von Friedhilde Hüther beobachtet die Schau des Kunstvereins Die Treidler und d
Ein »Industrieskeptiker« – so der Titel des Werks von Friedhilde Hüther beobachtet die Schau des Kunstvereins Die Treidler und den Rundgang mit den Künstlern Helmut Ried, Joachim Hanisch, Susanne Geiger, Ingrid Hess und Isolde Hesse (von links).

Mit rund einem Drittel Kunstschaffenden unter den Mitgliedern und einer rein ehrenamtlichen Leitung sind Die Treidler ein Kunstverein alter Tradition. Die Kunstvereinsbewegung begann vor über hundert Jahren und hatte zum Ziel, bürgerschaftliches Interesse und Engagement mit dem Kunstschaffen vor Ort zu verbinden. Heute sind solche Kunstvereine nur noch in kleineren Städten wie Frankenthal ein Motor regionaler Kultur. Ebenso alt wie die Kunstvereine ist auch das Thema „Industrie“ in der bildenden Kunst. Es wurde von Anfang an zwiespältig gesehen: zum einen mit Faszination und Kritik, zum anderen mit emotional-heißem oder kühlem Blick. Die Ausstellung der Treidler zeigt, dass dem immer noch so ist. Verglichen mit früheren Epochen, sind die Positionen der 15 Kunstschaffenden, die sich dem Thema widmeten, aber eher gedämpft. Anknüpfend an den Kultursommer haben sie sich mit Bauten und Produkten der Frankenthaler Industrie beschäftigt. Unter anderen besuchten sie das Wasserwerk Nord. Es taucht in verschiedenen Arbeiten auf, meist so transformiert, dass der Betrachter genau hinschauen muss. Wer würde bei den Farbspielen von Isolde Hesse auf den ersten Blick erkennen, dass es sich um ein bearbeitetes Foto von einem Klärbecken handelt? – aus Hässlich mach Schön als „Second Chance“, als zweite Chance, wie ein weiteres Werk betitelt ist. Bei zahlreichen Bildern, zum Beispiel bei Karin Klomann oder Helmut Ried, fühlt man sich an die Zeit des Wirtschaftswunders erinnert, als sich in Malerei und Grafik Industriemotive ausbreiteten. Die in jener Zeit positiv besetzte Emphase ist einer distanzierten Betrachtung gewichen. Damals ging es um Wiederaufbau, um neugewonnene Identität durch wirtschaftlichen Erfolg. Heute ist Industrie ein bildnerisches Motiv unter vielen anderen. Sie zeigt sich oft in Blau-Grau-Variationen in ästhetischem Ebenmaß. Leider fehlt in der Ausstellung die Fotografie, die das ihrerseits belegen würde. Eine Sonderstellung unter den Industriemotiven kommt der Verwendung mechanischer Teile zu. Susanne Rosa Geiger bildet daraus eine archaisch anmutende Ikonografie. Als Holzdruck auf Büttenpapier wirken die Motive klassisch und schlicht. Ihre Farbauswahl mit Braun- und Grüntönen lässt an die Natur denken. Gabi Sann montiert aus Pumpenteilen (Anknüpfung an KSB) anthropomorphe Figürchen als „Maschinisten“. Sie sind fröhlich farbig und niedlich bizarr. Dimana Wolf hat aus Maschinenteilen ein Alphabet entwickelt und bedruckt damit Oberteile – „Der Menschen neue Kleidung“, so der Titel, ist hübsch anzusehen. Bei der Zuckerfabrik ist es das Produkt, das im Fokus steht: der Zucker und sein Missbrauch im großen Stil. Im Foyer hat Adam Tumele einen turmartigen Altar aufgebaut, den er den „Tanz um die Frankenthaler Sonne“ nennt, ein hoher Sockel, darauf ein Fässchen, alles in Goldgelb. Auf einem Absatz des Sockels steht ein Römerglas und darin ist strahlend weißer Zucker, der über das Glas hinausquillt. Ja, der Zucker – auch im Wein! Ursula Faber geht Frankenthals „Süsses Erbe“ lyrisch-leicht an: von der Decke hängen luftig und fragil zwei zartfarbig beklebte Würfel. Das Gemälde „Hohheiten“ von Joachim Hanisch ist nicht nur wegen seiner Ausmaße von 150 x 150 Zentimetern ein Solitär. Im Stil einer Hommage zeigt es „Die Toteninsel“ von Arnold Böcklin. In die dunkle Zypressentiefe der Insel führt ein Tor aus grell-bunten Industrierohren und auf den Spitzen der flankierenden Felsen sitzen Miniaturen von Industrieanlagen, die surrealistisch gemalt sind. Das Bild stellt demonstrativ handwerklich die Malerei zur Schau und verblüfft mit historischen und aktuellen Bezügen: Wir erleben gerade, wie das industrielle Zeitalter zu Ende geht. Landet es unter dem Druck der Digitalisierung auf der Toteninsel? Termin „Industrie x Kultur“, Kunsthaus Frankenthal, Mina-Karcher-Platz 42a, bis 30. Dezember, täglich 14 bis 18 Uhr. Montags und an den Weihnachtsfeiertagen geschlossen.

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