Bad Dürkheim „Wir begrüßen unheimlich gern“

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„Friedrichshain kann jeder, Wachenheim, das ist die Challenge.“ Nicht so für Christian Ehring. Zwar käme er mit seinem neuen Programm „Keine weiteren Fragen“ sicherlich auch im hippen Berliner Multikulti-Stadtteil an, überzeugte am vergangenen Sonntagabend aber erst einmal das Publikum in der Wein- und Sektstadt. Auf Einladung des Wachenheimer Kulturvereins begeisterte Ehring, bekannt durch seine Sendung „Extra 3“ und seine Auftritte in der ZDF „Heute Show“, die 150 Zuschauer in der ausverkauften Lutherischen Kirche.

Am Ende der zweiten und schon letzten Vorpremiere darf sich der Düsseldorfer Kabarettist sicher sein, ein rundes Programm auf die Bühne zu bringen. Roter Faden des Abends ist eine Geschichte: Nach dem Abitur hat er für den phlegmatischen Sohn ein soziales Jahr in einem Slum organisiert. Seine Frau hat eine Idee, für die er sie liebt: Man könnte in der jetzt freien Einliegerwohnung Flüchtlinge unterbringen. Dummerweise setzt seine Frau die Idee in die Tat um, und er kann nur noch bei der Auswahl des Flüchtlings mitreden. Rund um diesen Erzählstrang nimmt sich Ehring der großen aktuellen, aber auch einigen zeitlosen Themen satirisch an. Beherrschendes Thema ist natürlich die Flucht vor Gewalt und Hunger und unser Umgang damit. „Wir begrüßen unheimlich gern“, sagt Ehring. Die deutsche Einheit, die Flüchtlinge am Bahnhof…aber nur kurzfristig. Zur Abschottungsrhetorik von Seehofer fragt er sich, ob das etwas mit den christlichen Traditionen des Abendlandes zu tun hat. „Dann müsste die Bibel aber umgeschrieben werden. Jesus sagt zu dem Aussätzigen: Nö, wenn ich dir jetzt helfe, dann kommen sie ja alle.“ Da für die Rettung der Banken zweistellige Milliardenbeträge spontan bereitgestellt wurden, empfiehlt er Flüchtlingen, Schilder mit der Aufschrift „Bin nicht arm, bin von der Commerzbank“ zu tragen. Auch die Korruption im Weltfußballverband greift Ehring auf: „Abseits ist für Blatter, wenn der Koffer mit Bestechungsgeld weiter als vier Meter entfernt steht.“ Und: „Ich bin nicht neidisch. Aber: FIFA-Ethikkommission – auf den Gag wär’ ich selber gern gekommen.“ Im Skandal um manipulierte Abgaswerte bei VW sieht er unser religiöses Verhältnis zum Auto ins Wanken gebracht und wittert die Chancen für andere Religionsgemeinschaften: „Wenn die protestantische Kirche jetzt anfängt, Autos zu bauen…“ Die deutsche Autoindustrie, sagt er, hat beim Thema Antrieb ohne Benzin bisher nur ein Modell entwickelt, das 500 Kilometer ohne Tanken schafft – das Bobbycar. Dagegen hat die Hälfte der Paare in seiner Nachbarschaft schon E-Bikes. „Die andere Hälfte hat noch Sex.“ Die pseudoalternativen Vorstädter, die mit dem Geländewagen zum Walken fahren („Ich esse nur Kobe-Rind, und nur einmal am Tag, damit es etwas Besonderes bleibt“), der Mythos vom schönen Landleben („Das Magazin sollte nicht Landlust, sondern Landfrust heißen, aber Sie in Wachenheim haben ja den Wein für die weniger schönen Momente“), und die Grünen („Wir bleiben unseren Prinzipien treu, aber sie ändern sich halt“) bekommen ebenso ihr Fett weg, wie die Konservativen. Ehring fürchtet fast, zum Merkel-Freund zu werden, während sich die CDU fragt wo ihre Werte wie Nationalismus, Bigotterie und Schwulenfeindlichkeit denn hingekommen sind. Übrigens: Der auserwählte Flüchtling sagt Ehring ab, und aus Wut ist er kurz davor, sich bei Facebook mit Victor Orban anzufreunden. Den Abend beschließt Ehring wie er ihn begonnen hat mit einem Lied am Flügel. Wie gut er ankam, konnte er schließlich nach anhaltendem Applaus sogar beziffern: „Ich war gestern 20 Minuten früher fertig. Die Extrazeit muss Ihr Lachen gewesen sein.“

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