Über den Kirchturm hinaus Was ist Wahrheit?

Die katholische Kirche St. Ludwig in Bad Dürkheim.
Die katholische Kirche St. Ludwig in Bad Dürkheim.

Nach den Feiertagen sind wir wieder im Alltag angekommen. Es ist immer noch kein Alltag, wie wir ihn kennen und gelebt haben vor der Pandemie. Aber manches geht ja wie eh und je, ich kann es sogar genießen - zum Beispiel frühstücken und dabei Zeitung lesen.

Dass der Inhalt nicht immer ein Genuss ist, muss nicht an der Redaktion liegen. Es gibt leider viel Unerfreuliches, für die Leserin und den Leser sind „bad news“ dann eben keine „good news“, sie bleiben „bad news“. An diesem Dienstag nach Ostern findet sich da gleich auf der ersten Seite der Bericht über eine französische Journalistin, die von der aggressiven chinesischen Propagandamaschinerie erfunden wurde, um der Welt weiß zu machen, wie schön es sich für Uiguren im Reich der Mitte leben lässt. Weiter kann man lesen über die zunehmende Sorge in der EU über eine neue Eskalation im Ukraine-Konflikt. Auf den nächsten Seiten setzt es sich fort: Oppositionelle Politiker werden in der Türkei zu Terroristen gemacht und aus dem Verkehr gezogen; in Belarus soll das menschenverachtende Regime mit westlichen Finanzspritzen unterstützt werden. Menschenrechte oder Völkerrecht werden mit Füßen getreten. Einmischung von außen verbittet man sich, Sanktionen laufen oft ins Leere, wenn man nicht mit Rücksicht auf Bündnispartner oder geopolitische Interessen ohnehin darauf verzichtet oder ein Auge zudrückt bis hin zu Waffenlieferungen in Krisengebiete. Dass man es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt und Recht und Gesetz verbiegt, ist leider inzwischen auch gängige Praxis geworden in manchen Staaten der EU. Immerhin bleibt da die Möglichkeit und die Hoffnung auf Veränderung bei den nächsten Wahlen.

Jetzt, so kurz nach Ostern, kommt in mir da die Frage des Pontius Pilatus aus der Leidensgeschichte des Johannesevangeliums noch einmal auf: Was ist Wahrheit? Die Frage lasse ich so stehen, auch Pilatus bekommt keine Antwort. Es gibt aber etwas, das mich tröstet: Sie kommt meist doch früher oder später ans Licht, und dann wird es unangenehm. Das gilt nicht nur für unsaubere Maskengeschäfte, für Abrechnungsbetrug von Apothekern, für Kindesmissbrauch und anderes, worüber wir uns zurecht empören. Da wird schnell mit dem Finger auf die Schuldigen gezeigt und mit kurzem Prozess das vernichtende Urteil gesprochen. Auch wenn die Größenordnungen nicht vergleichbar sind, sollte man darauf achten, ob man nicht im Glashaus sitzt, weil man es zum Beispiel bei der Steuererklärung nicht so genau nimmt oder bei der Schadensmeldung an die Versicherung. Dass angeblich alle das tun, ist keine Rechtfertigung. Mit dieser Einstellung ist jede Lüge grundsätzlich eine Notlüge.

Da lobe ich mir einen Querdenker im guten Sinn. Er ist als FCK-Aufsichtsrat gleich wieder zurückgetreten, als er feststellen musste, dass er mit seiner Auffassung von Recht und Gesetz und mit seinen Wertvorstellungen fehl am Platz ist: „good news“ und „bad news“ in einem.

  • Pfarrer Norbert Leiner, Pfarrei Hl. Theresia vom Kinde Jesus, Bad Dürkheim
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