Bad Dürkheim Tragik oder Spott?

William Shakespeares Stück „Der Kaufmann von Venedig“ trägt die Gattungsbezeichnung „Komödie“, doch könnte man fast genauso gut von einer Tragödie sprechen, angesichts des tragischen Scheiterns seiner dunklen Hauptfigur, des Juden Shylock. Weil diese Figur als Wucherer all die unsäglichen Stereotypen bedient, die der moderne Antisemitismus so gern aufgriff und -greift, bedarf jede Inszenierung besonderer Behutsamkeit.

Man darf also gespannt sein, wenn dieses Stück am kommenden Freitag die neue Schauspiel-Saison im Neustadter Saalbau eröffnet. Ganz entscheidende Bedeutung wird dabei dem Darsteller des Shylock zukommen. In der Inszenierung des Regisseurs Volker Klemm und des Tournee-Theaters Thespiskarren wird dies Carsten Klemm sein, der schon in zahlreichen Rollen in Neustadt zu sehen war. Wird es ihm gelingen, der monströsen Fratze des hasserfüllten Wucherers, der dem (christlichen) Kaufmann Antonio wegen eines nicht rechtzeitig ausgelösten Schuldscheins das Herz aus dem Körper schneiden will, psychologische und soziologische Plausibilität zu verleihen? Wird er die Häme, die das Stück zum Schluss über diesen Mann, der alles verloren hat, ausschüttet, durch Tiefe und Dramatik überwinden? Solche Fragen stellte man sich in Neustadt übrigens auch schon am 17. Januar 1958, fast auf den Tag genau 13 Jahre nach der Befreiung des Lagers Auschwitz, als das Stück nach unseren Recherchen letztmals im Saalbau aufgeführt wurde. Mit dem großen Ernst Deutsch spielte damals ein Darsteller den Shylock, der 1933 von den Nazis selbst als Jude ins Exil getrieben worden war. „Ernst Deutsch verlieh mit genialer Meisterschaft dem durch Erniedrigung grenzenlos rachsüchtig gewordenen jüdischen Kaufmann jenen höchsten Grad menschlicher Verzweiflung, der allein der shakespearischen Gestalt gerecht wird“, schrieb damals der Kritiker der RHEINPFALZ.

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