Bad Dürkheim Modernes Märchen

Das ganze Theaterstück ist wie ein augenblickliches Innehalten: Die Frau auf der Bühne strebt entschlossen zum Ausgang. Doch dann fängt sie an, ihr Leben zu erzählen: „Emmas Glück“, die neue Inszenierung im „Theader“ Freinsheim, ist eine Geschichte um Liebe und Abschied, in die der Zuschauer unweigerlich mit eintaucht. Am Freitag wird im Casinoturm Premiere gefeiert.

Ein Leben im Rückblick – so bringt das „Theader“ das Stück auf die Bühne: Die Zuschauer werden mit Schauspielerin Anja Kleinhans kraftvolles Erzähltheater erleben, in das nahtlos das darstellerische Spiel einfließt. Die Aufführung basiert auf einer Bühnenbearbeitung nach dem Roman von Claudia Schreiber, der in neun Sprachen übersetzt und mit Jördis Triebel und Jürgen Vogel verfilmt wurde. Was die literarische Vorlage in Hessen ansiedelt, holt das „Theader“ unüberhörbar in die Pfalz – der Dialekt bleibt indes auf einige Passagen beschränkt. In den auf Hochtouren laufenden Proben zeigt Kleinhans, wie sehr ihr die Rolle auf den Leib geschrieben ist: Leidenschaftlich und entschlossen greift ihre Bäuerin Emma nach dem Hier und Jetzt, offenbart sich sensibel und derb zugleich, verhält sich einfühlsam und ungezähmt lustvoll. Indem sie nach Leben und Liebe dürstet, erscheint diese Frau zeitweise entrückt und im nächsten Augenblick mit allen Sinnen erdgebunden. Alles beginnt mit Abschied: Emma verlässt ihren Schweinehof, will mit dem Koffer am Publikum vorbeigehen. Aber ganz so leicht kann sie sich nicht losreißen, fällt zurück ins Erinnern. Mit ausdrucksstarkem darstellerischem Spiel verkörpert Kleinhans nicht nur die selbstbewusste Schweinezüchterin, die allein auf dem verschuldeten und heruntergewirtschafteten Bauernhof haust. Sie schlüpft auch in die anderen Rollen, etwa in die des Städters Max, der wie aus dem Nichts auf dem Hof auftaucht und der für die vereinsamte Bäuerin das fast perfekte Glück verkörpert. Gezielt arbeitet die Regie von Uli Hoch in dem Ein-Personen-Stück das Außenseitertum zweier Menschen heraus, von denen jeder auf eigene Weise gegen die soziale Norm lebt. Ihr Zusammenkommen geschieht auf wundersame Weise: Es wirkt schon wie ein modernes Märchen, wenn Emma den unerwarteten Gast aus einem zu Schrott gefahrenen Auto rettet. Doch auch Märchen gehen zu Ende. Wie vergänglich die neue Seligkeit ist, das will Kleinhans mit dichtem Beisammen von Tragik und Komik zeigen. Ebenso dicht bringt sie zartes Gefühl und drastische Körperlichkeit zusammen. Die Regie strafft die literarische Vorlage entschlossen, um entscheidende Aussagen stärker zu gewichten. Wichtig ist dem Regisseur zudem, den Monolog für die Zuschauer klar in verschiedene Ebenen aufzugliedern. Denn die Rückschau der Frau, die im Begriff ist, alles Gewohnte zu verlassen, mündet fließend in Szenen und Dialoge und steigert sich dramatisch, um unerwartet gebrochen zu werden. Emmas Erfüllung zerrinnt so unaufhaltsam, wie es das Glück nur tun kann. Die einsame Insel, die der Hof für sie war, bleibt zurück, nachdem ihr geliebter, todkranker Max auf eigenen Wunsch durch ihre Hand starb. So bleibt sie bis zuletzt die Macherin. Eine, die aufmuntert zu fragen, was Glück ist. Durch die Bilder, mit denen sie ihre Geschichte erzählt hat, geistert es unfassbar, schillernd und provozierend. Das passt es gut, dass vom Ende dieser Geschichte manches in der Schwebe bleibt. Info Die Premiere im Casinoturm am Freitag und die Aufführung am Samstag sind ausverkauft. Weitere Aufführungen: 13. Mai, 22., 23. Mai, 12., 13., 14., 19., 20. Juni, jeweils um 20 Uhr. Reservierung unter 06353 932845.

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