Bad Dürkheim Fahrräder sind unerlässlich

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Einkäufe erledigen, an Sprachkursen teilnehmen, Arztbesuche – und immer wieder der Gang zu den Behörden: Flüchtlinge müssen im Alltag mobil sein. Doch in vielen Dörfern in der Region fehlen Geschäfte, Fachärzte sind weit weg. Zwar können die Asylsuchenden Bus oder Bahn nutzen, doch das ist auf Dauer teuer, denn Ermäßigung gibt es für sie nicht. So übernehmen oft die Asylpaten wichtige Fahrten – und wollen dafür jetzt eine Entschädigung.

Flüchtlinge müssen hierzulande die regulären Fahrpreise bezahlen, wenn sie die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen wollen. Die Verkehrsunternehmen in der Region – Deutsche Bahn AG, Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV), Stadtwerke Bad Dürkheim und Verkehrsbetriebe Leininger Land – teilten auf Anfrage allesamt mit, dass es derzeit keine Ermäßigungen für Flüchtlinge gebe. „Für unsere Stadtbusse sind uns da die Hände gebunden“, erklärt Werkeleiter Peter Kistenmacher in Bad Dürkheim. Solche tariflichen Änderungen seien nur verbundweit durchzusetzen. Ein Sprecher des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN), dem die hiesigen Verkehrsunternehmen angehören, bestätigt, dass es in Rheinland-Pfalz „keine Regelungen“ für Flüchtlinge gebe. Entsprechende Änderungen könne nur das Land vornehmen. Die Mobilität von Flüchtlingen und die damit verbundenen Kosten beschäftigt auch den zuständigen Kreisbeigeordneten Frank Rüttger. Grundsätzlich müssten Flüchtlinge Bus- und Bahnfahrten von den Geldleistungen bezahlen, die ihnen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustehen, sagt er. Aktuell bekommt ein alleinstehender Asylbewerber 359 Euro im Monat. Ansonsten gebe es nur „begrenzte Regelungen“. So würden etwa die Fahrkosten für dringende Behördengänge – wie die zur Erstaufnahmeeinrichtung nach Trier – von den Kommunen erstattet, sagt Rüttger. Die Flüchtlinge müssen dafür das Zugticket nach der Tour beim Sozialamt einreichen, erklärt Caritas-Flüchtlingshelferin Carolin Urich den genauen Vorgang. Ebenso würden die Fahrkosten zum nächstgelegen Integrationskurs, den Asylbewerber besuchen müssen, übernommen. Die ehrenamtlichen Helfer in den Verbandsgemeinden Wachenheim und Freinsheim ärgern sich, dass Flüchtlinge die normalen Preise für Bus und Bahn berappen müssen. „Es ist schade, dass das Land oder der Kreis nicht in der Lage sind, mit den Verkehrsbetrieben etwas zu vereinbaren“, meint Miriam Eckes, Koordinatorin der Flüchtlingshilfe in Wachenheim. Deshalb stiegen die meisten Wachenheimer Flüchtlinge aufs Fahrrad, um in Bad Dürkheim bei den Discountern günstig einzukaufen. Das Problem: Längst nicht alle hätten ein eigenes Rad – und selbst mit sei es nicht einfach, auf diese Weise für eine vierköpfige Familie einzukaufen, sagt Eckes. Auch in Gönnheim, Friedelsheim und Ellerstadt kennt man das Problem. Zwar sind die Orte gut an die Rhein-Haardtbahn angeschlossen, doch die ist auf Dauer zu teuer. „Wir suchen zusammen nach den günstigsten Verbindungen“, erzählt Asylpatin Heike Dittrich, wie man in Gönnheim das Thema Mobilität angeht. In Ellerstadt wiederum haben alle Flüchtlinge eine Monatskarte, die zur Hälfte von den ehrenamtlichen Helfern bezahlt wird, wie Wolfgang Bülow, Kopf der ökumenischen Flüchtlingshilfe, berichtet. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass die Asylpaten mit ihrem privaten Auto aushelfen müssen, etwa wenn ein Besuch bei einem Facharzt notwendig ist. Für solche Fahrten kämen gerne mal 100 Kilometer im Monat zusammen, so Bülow – eine Summe, die viele Ehrenamtlichen nicht mehr allein aus der eigenen Tasche zahlen wollten. Bülow fordert deshalb eine Fahrkostenerstattung vom Kreis oder der Verbandsgemeinde, etwa in Form eines Pauschalbetrags. „Wir nehmen denen wahnsinnig viel Arbeit ab und kriegen keinen Pfennig“, ärgert sich der Ellerstadter. In Bad Dürkheim wird das ähnlich gesehen. Zwar sind Supermärkte, Ärzte und Sprachkurse in der Regel gut mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu erreichen, doch bei längeren Fahrten springen auch hier die Paten ein, schildert die Leiterin des Mehrgenerationenhauses, Jutta Schlotthauer. Manche Paten könnten sich jedoch selbst keine großen finanziellen Sprünge leisten. „Eine Erstattung der Fahrkosten wäre eine Zeichen für die Würdigung des Ehrenamts.“ Doch weder die Kommunen noch der Kreis wollen dafür aufkommen – und verweisen auf die aktuelle Haushaltslage. Ein Problem für die Behörden sei auch der fehlende Versicherungsschutz, wenn Paten Flüchtlinge in ihren Auto mitnähmen, erklärt Kreisbeigeordneter Rüttger. Möglich sei daher nur eine finanzielle Unterstützung durch die Kreisstiftung. Bisher fördere die Stiftung jeden Teilnehmer der ehrenamtlich organisierten Sprachkurse mit zehn Euro, über die frei verfügt werden könne. Im März berate der Stiftungsvorstand, eventuell eine weitere Pauschaule auszuzahlen, sagt Geschäftsführerin Elke Thomas im Kreishaus. Gerade für längere Fahrten werde das Geld aber keinesfalls reichen, ist sie sich bewusst. Im Wachenheimer Rathaus denkt Verbandsbürgermeister Torsten Bechtel deshalb darüber nach, einen Verein für Asylhilfe zu gründen. Und in der VG Freinsheim? Hier haben die Ehrenamtlichen bisher alle Fahrten mit dem eigenen Wagen unentgeltlich übernommen, sagt die zweite Vorsitzende des Vereins „Miteinander“, Marie-Louise Wiesenbach. Generell setze die Flüchtlingshilfe aber auf Selbstständigkeit und Eigenmobilität. Daher erhalte jeder Flüchtling kurz nach der Ankunft ein eigenes Fahrrad. Das funktioniere gut, denn die Spendenbereitschaft für Räder sei nach wie vor groß. Auch der mit einem Euro pro Fahrt erschwingliche Bürgerbus werde gerne genutzt, um von Weisenheim am Berg und Bobenheim nach Freinsheim zu kommen, berichtet Wiesenbach. Zugfahrten blieben eher die Ausnahme, etwa zum türkischen Supermarkt nach Frankenthal. Denn: „Mit 359 Euro muss man haushalten.“ Zur Serie „Asyl vor Ort“ befasst sich in loser Folge mit der Flüchtlingssituation aus lokaler Sicht. Wir beleuchten vielfältige Aspekte zu Flucht und Integration: Sprache und Bildung, Arbeit und Gesundheitsversorgung, Sicherheit und Kosten, Behörden und Ehrenamtler, Alltag und Freizeit von Asylbewerbern und anderem mehr.

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