Bad Dürkheim „Keiner wollte in den Dschungel“

Trinkt nur Rotwein: Steven Uhly gab einen Einblick in seinen Roman „Den blinden Göttern“.
Trinkt nur Rotwein: Steven Uhly gab einen Einblick in seinen Roman »Den blinden Göttern«.

„Leben Sie denn gerne in München?“, fragt Literarische-Lese-Projektleiterin Waltraud Amberger den Autor, der wie aus der Pistole antwortet: „Na ja!“ – und damit alle Anwesenden zum Lachen bringt. Der in Köln geborene und aufgewachsene promovierte Literaturwissenschaftler versteht es auf amüsante Weise, über sich, seine Bücher und sein Leben als Schriftsteller zu berichten. Sein Wunsch „mal im Amazonas zu leben“, erfüllte sich nach dem Studium und seiner Dissertation. Über den Deutschen Akademischen Austauschdienst ging er nach Belém in Brasilien, wo er zwei Jahre lang das Deutsche Institut der Bundesuniversität in Pará leitete. „Ich war der einzige Bewerber, keiner wollte in den Dschungel“, erzählt Uhly, der danach nach Porto Alegre wechselte. Dort konnte er in seiner Wohnung im 16. Stock gut sehen, wo am südlichen Delta des Amazonas die Zivilisation endete. Insgesamt fünf Jahre verbrachte er in Südamerika. Die Rückkehr nach Deutschland, genauer nach München, wo er heute mit seiner Frau und den gemeinsamen Kindern lebt, sei dann wie ein Kulturschock gewesen, was vielleicht auch seine eher verhaltene Reaktion auf die Frage, ob er denn gerne in der bayrischen Hauptstadt lebe, erklärt. Über das Schreiben berichtet er dagegen nur allzu gerne. Spaß sei für ihn der Grund, warum er selbst angefangen habe, Romane zu schreiben. Beim Verfassen seines aktuellen Werks „Den blinden Göttern“ habe er besonders viel Spaß gehabt. Immerhin changiert Uhly hier gekonnt zwischen Realität und Wirklichkeit. „Jetzt sind wir schon mitten in der Fiktion?“, fragt Waltraud Amberger, nachdem sie den Klappentext zum Roman vorgelesen hat. „Keine Ahnung, das entscheidet der Leser, ich mache nur ein Angebot“, lautet Uhlys leicht ausweichende Antwort. Fakt ist allerdings: Nach einer Lesung hat ihm ein unbekannter „Penner“ vor Jahren einen Stapel Papier in die Hand gedrückt, auf denen Gedichte niedergeschrieben sind. „Ich habe diese Person danach nie wiedergesehen“, sagt Uhly. Die Verse haben ihn jedoch nie wirklich losgelassen und daher hat er seinen Roman Radi Zeiler, dem Verfasser der Gedichte, gewidmet. Im Roman bekommt Buchhändler Friedrich Keller von einem verwahrlosten Mann ein Manuskript in die Hand gedrückt. Die Gedichte stellen Kellers Welt auf den Kopf, denn sie lassen sein bisheriges Leben als völlig unbedeutend erscheinen. Als er den Unbekannten zufällig auf der Straße wiedertrifft, folgt er ihm in eine heruntergekommene Spelunke und stellt sich die Frage: „Wie war ein Trunkenbold in der Lage, solche Zeilen zu schreiben?“ Das Schreiben der Handlung des Romans ist laut Uhly ein Moment der Wahrheitssuche und Verfremdung. Mit dem Buch habe er selbst versucht, die Fragen, die die Gedichte bei ihm aufgeworfen hatten, zu beantworten. „Ich schreibe Bücher, um was zu verstehen“, erklärt er. Die 29 Gedichte Radi Zeilers sind Teil des Romans. Da sie quasi die Hauptrolle spielen, mussten sie mit veröffentlicht werden – aber nicht in der Form, in der es Uhly gerne gehabt hätte. „Eigentlich hatte ich die Gedichte immer zu den einzelnen Kapiteln gestellt, aber mein Verleger meinte, das verschrecke die Laufkundschaft“, erzählt der Autor, der mit dem Vorlesen des ersten Kapitels bei seinem Publikum in Freinsheim viele Fragen aufwirft. „Es kommt im Buch noch ganz anders“, verspricht Waltraud Amberger und macht damit Lust auf die weitere Lektüre. „Es macht mir Spaß, die Leser zu verwirren und sie mit Fragen zu entlassen“, sagt Uhly, der mit seinem kurzweiligen Vortrag seinen Zuhörern die Sinne für die philosophische Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit geschärft hat.

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