Ludwigshafen Zwei Kugeln, fünf Meinungen

91-76797602.jpg

Stück für Stück verschwinden seit gestern Morgen um 8 Uhr die Gaskugeln „Gustav“ und „Ludwig“ aus dem Stadtbild. Bis Ende Februar werde ihr Abriss dauern, kündigen die Technischen Werke (TWL) an. Die meisten Leser, die sich seit dem Wochenende bei der RHEINPFALZ gemeldet haben, bedauern den Abschied von den beiden Kugeln.

Der Abriss der Gaskugeln beschäftigt die Menschen – nicht nur hier in Ludwigshafen, sondern weit darüber hinaus. „Als einer, der lange in Lu gelebt hat und die Stadt immer noch sehr mag, kann ich das Unbehagen der Ludwigshafener über den Verlust stadtbildprägender Bauten aus ganzem Herzen nachvollziehen“, schreibt Christian Steiger aus Hamburg. „,Tortenschachtel’ und BASF-Hochhaus fehlen im Stadtbild, und endlich haben es die Einwohner dieser Stadt bemerkt.“ Die „Furcht vor der Beliebigkeit“ und die „Erkenntnis, dass ein Denkmal nicht im landläufigen Sinne schön sein muss“, seien gute Zeichen, meint Steiger weiter. „Solche, auf die eine Oberbürgermeisterin stolz sein kann, auch wenn sie sich nicht zum geplanten Abriss äußern will.“ Die Denkmäler und Erinnerungsorte einer jungen Industriestadt, so der Hamburger, seien nun einmal keine Jugendstil-Villenkolonie, sondern Gaskugeln aus den frühen Fünfzigern. Weniger aus einer ästhetischen als aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive betrachtet RHEINPFALZ-Leser Franz Corr aus der Gartenstadt den Abriss von „Gustav“ und „Ludwig“ – und kann ihn aus einer solchen nicht nachvollziehen. „Das Entfernen der Kugeln mag kurzfristig betriebswirtschaftlich von Vorteil sein“, schreibt er. Langfristig – über 20, 30, 40 Jahre – sei es aber sehr kurzsichtig. Seine Argumentation: Da die beiden Gaskugelspeicher zur Deckung von Spitzenlasten dienten und Spitzenabnahmen mit einem höheren als dem Normalpreis abgewickelt werden, haben die TWL kaufmännisch angemessen gehandelt, als sie die Speicher nutzten. Das Entfernen der Gaskugeln führe überdies bei den Haushaltskunden zu einer Energieverschwendung, „die natürlich alleinig zu Lasten der Kunden geht“. Die Verantwortung für die Qualität und die Verfügbarkeit der Lieferung verlagerten die TWL vollständig auf die Gaslieferanten. An die Gestaltung der Gaskugeln 1994/95 hat sich Horst W. Müller aus Birkenheide erinnert, als er in der RHEINPFALZ von ihrem geplanten Abriss las. Als Leiter der Gas- und Wasserversorgung bei den TWL sei er damals für den Neuanstrich zuständig gewesen. Das Unternehmen habe einen Wettbewerb veranstaltet, und als Verantwortlicher habe er sich schließlich für die Entwürfe zweier Architekturstudenten entschieden. „Ob es Kunst ist oder nicht, wage ich nicht zu beurteilen“, schreibt der Diplom-Ingenieur. „Sicher gibt es Gaskugeln auch in anderen Städten, aber diese beiden prägen als markante farbige Wahrzeichen das Stadtbild seit Jahren für alle, die auf der A 650 in die Stadt kommen oder wegfahren.“ Anderer Meinung ist Rolf Kriegel aus Oppau. Er findet, statt den Gaskugeln nachzutrauern („Haben wir nicht schon genug Industrie?“), sollten sich die Ludwigshafener eher bewusst machen, welch wertvolle Wahrzeichen sie mit den Gründerzeit-Fassaden des Hemshofs haben. „Der Hemshof könnte als Stadtteil ein Vorzeigeobjekt der Stadt Ludwigshafen darstellen“, sagt er. „Er ist seit Jahren total vernachlässigt.“ Ganz in der Nähe der markanten Kugeln („In 20 Jahren Heimat geworden“) lebt die Familie Grebhan, die in ihrer Zuschrift mutmaßt, der Platz könne benötigt werden, um Asylbewerber unterzubringen. Dafür gibt es allerdings keinen Anhaltspunkt. Wie die TWL gestern noch einmal bestätigten, soll das 8600 Quadratmeter große Gelände nach dem Abriss der Kugeln komplett leergeräumt und anschließend verkauft werden. Weitere Zuschriften Beiträge zum Thema „Abriss der Gaskugeln Gustav und Ludwig“ werden wir auf den Leserbrief-Seiten im Lokalteil veröffentlichen. Unsere E-Mail-Adresse ist redlud@rheinpfalz.de.

x