Neustadt Wie die alten und doch anders

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Neustadt. Erich Ohsers „Vater und Sohn“-Geschichten ist Ulf Keyenburg, wie wahrscheinlich viele, erstmals im Deutsch-Unterricht in der Schule begegnet. Dass er die berühmte Cartoon-Reihe aus den 30er Jahren einmal ganz offiziell fortsetzen würde, hätte sich der Zeichner, der unter dem Pseudonym Ulf K. veröffentlicht, damals natürlich nicht vorstellen können. Am Donnerstag schilderte der in Düsseldorf lebende Künstler im Neustadter Casimirianum, wie es dazu kam.

Im Künstlergespräch mit dem Speyerer Comic-Sammler Christian Schmidt-Neumann, mit dem er gut befreundet ist, berichtete Ulf K., wie der französische Kollege Marc Lizano, der die Ohser-Zeichnungen selbst erst kurz zuvor kennengelernt hatte, vor zwei Jahren bei einem Comic-Treffen mit der Idee an ihn herangetreten war, eine Fortsetzung zu schaffen. „Ihm als Franzose war die Bedeutung, die Ohser in Deutschland hat, wohl nicht so bewusst“, lacht Ulf K. und bekennt, dass er selbst zunächst durchaus Bauchschmerzen gehabt habe, in diese großen Fußstapfen zu treten. „Doch dann habe ich mir gedacht: Es kann funktionieren.“ Das tut es mittlerweile tatsächlich. Das Buch erschien im November unter dem Titel „Neue Geschichten von Vater und Sohn“ und wurde von Kritikern wie Käufern sehr positiv aufgenommen. Im Januar hatte es Ulf K. im Erich-Ohser-Haus in dessen Heimatstadt Plauen vorgestellt und war auch dort nach eigenen Angaben auf viel Zustimmung gestoßen. Dabei legt der 1969 in Oberhausen geborene Zeichner, der seit rund 20 Jahren zu den erfolgreichsten deutschen Comic-Machern zählt, aber auch als Buchillustrator tätig ist, durchaus Wert auf die eigene Formensprache. So steht sein Vater-und-Sohn-Paar zwar unverkennbar in der Tradition der Ohser-Figuren, verändert haben sich die beiden aber doch. Kantiger sind sie geworden, schlanker und weniger brav. Der Junge trägt statt Hemd nun Kapuzenpulli. Zum Schwarz-Weiß der Originale gesellt sich nun Rot als Farbe. Unverkennbar steht Keyenburgs Zeichenstil in der Tradition der franko-belgischen Ligne-Claire, dem auf geometrische Formen reduzierten klaren Stil, dessen prominentester Vertreter der Belgier Hergé („Tim und Struppi“) war. Da Ohser ursprünglich Karikaturist war, sind die neuen Bildergeschichten in ihrem Erscheinungsbild also „comic-hafter“ als die Originale. Auch inhaltlich gibt es natürlich Veränderungen, auch wenn die Geschichten mit ihren meist sechsteiligen Episoden immer noch ganz ohne Worte auskommen und noch immer dem Alltag, wie ihn jeder kennt, entspringen. Die Ideen stammen, wie Ulf K. im Casimirianum verriet, bis auf wenige Ausnahmen von Lizano, der immer auch erste bildliche Entwürfe mitliefert, die der Deutsche dann künstlerisch ausgestaltet. Die „Neuen“ verfügen natürlich inzwischen über moderne Technik wie Computer oder Nintendo. Und sie haben mit modernen Problemen zu kämpfen: In einer Geschichte etwa wird der Vater von seinem Sohn nachts am Kühlschrank ertappt, obwohl er eigentlich Diät halten sollte. Die rührende Episode „Mama“ wiederum befasst sich mit der bei Ohser nie behandelten Frage, warum die Mutter des Jungen nie in den Comics auftaucht – sie ist gestorben. Andere Bilderfolgen spielen mit Zitaten – ein Unterseeboot und eine metallische Riesenkrake zum Beispiel erinnern deutlich an „Tim und Struppi“. Ulf K., der übrigens selbst Vater zweier Söhne ist, berichtete am Rande der Veranstaltung auch, dass ein weiterer Band mit „Vater und Sohn“-Geschichten geplant sei – wenn es nach den Zeichnern gehe. Eröffnet wurde die Veranstaltung von Eberhard Dittus, dem Initiator der aktuellen Erich-Ohser-Gedenkausstellung in der Neustadter Stadtbücherei, und von Oberbürgermeister Hans Georg Löffler, der sich bei dieser Gelegenheit geradezu enthusiastisch als Vater-Sohn-Fan outete. Lesezeichen Ulf K. und Marc Lizano: „Neue Geschichten von Vater und Sohn“, Panini-Verlag, 72 Seiten, 14,99 Euro.

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