Ludwigshafen Ein Hauch von Rockfestival

Stärke zeigen und sich Mut machen – das sind die beiden Hauptaspekte bei der zentralen Kundgebung der streikenden Beschäftigten aus dem Sozial- und Erziehungsdienst. Über 7000 Demonstranten sind gestern durch die Stadt gezogen und haben sich am Rheinufer versammelt.

Gefühle sind ein zentraler Aspekt bei einem Streik. Verdi-Bezirksgeschäftsführer Jürgen Knoll weiß das und motiviert daher die Streikenden Mut. Gekommen sind unter anderem Erzieherinnen, Sozialpädagogen sowie Post-Beschäftigte, die die große Demo nutzen, um auch auf ihren Tarifkonflikt aufmerksam zu machen. „Das Bild von hier oben ist irre. Es zeigt, wie viele Leute den Streik annehmen“, ruft Knoll von der Bühne. „Wir helfen uns gegenseitig. Denn ich weiß, ein Streik kostet Mut und Überwindung.“ Zum Programm der Redner gehört daher immer wieder, den aus ganz Rheinland-Pfalz angereisten Demonstranten zuzurufen, wie berechtigt ihre Forderungen im Tarifkonflikt sind. Brigitte Jakob aus dem Verdi-Landesvorstand beschreibt das bildlich: „Gehen Sie mal eine Woche da arbeiten, dann sehen Sie wie anspruchsvoll das ist.“ Und als Motivationsspritze schiebt sie hinterher: „Wir wollen keinen Streik, sondern eine vernünftige Bezahlung.“ Knoll wischt dabei auch die Argumente der kommunalen Arbeitgeber vom Tisch, wonach die klammen Kommunen die zehnprozentige Lohnsteigerung nicht zahlen könnten. Würde die Verdi-Forderung umgesetzt, „wären das für die Stadt Ludwigshafen nur ein Prozent mehr Personalkosten“. Auf der Wiese am Rheinufer verteilen fleißige Gewerkschaftshelfer 8000 Flaschen Wasser und 7000 Brezeln an die Protestierenden. Die haben zum Teil schon eine lange Busfahrt in den Knochen und sind ab 10.30 Uhr vom Messplatz quer durch die Stadt bis hinter den Berliner Platz marschiert. Es herrscht bei allem politischem Ernst eine ausgelassene Stimmung – ein Hauch von Rockfestival, auch dank der Live-Musik der „Golden Memory’s“. Deshalb passt Knolls Vergleich, als er die 1200 Demonstranten aus Mannheim begrüßt, die gerade über die Konrad-Adenauer-Brücke kommen: „Wir rocken Ludwigshafen.“ Bei aller Begeisterung sind es aber doch zwei eher leise Redner, die ganz besonders viel Applaus bekommen. Als Erste ist Helena Duve zu nennen. Sie ist mit 70 Studenten von der Ludwigshafener Hochschule gekommen. Die Gruppe meldet sich bei Knoll, möchte so Solidarität bekunden. Er bittet Duve spontan auf die Bühne. Sie erklärt der großen Menschenmenge: „Wir studieren noch, aber unsere Zukunft ist auch die soziale Arbeit. Deshalb wünschen wir uns mit euch eine bessere Bezahlung, auch für uns.“ Am Schluss betritt mit Nadia Rezgui eine Erzieherin die Bühne, nach deren Rede Knoll einräumt: „Ich bin ergriffen von ihrem Mut.“ Die Ludwigshafenerin arbeitet bei einer evangelischen Kita und beteiligt sich am Streik, obwohl ihr Arbeitgeber das nicht für nicht rechtens hält. Rezgui betont aber, dass sie sich von „Gesprächen, Briefen und Ermahnungen“ nicht einschüchtern lasse: „Es muss etwas passieren.“ Sie und ihre drei Kollegen engagierten sich deshalb so stark, „weil ja jemand den Anfang machen muss“. Auch wenn die Stadt im Tarifkonflikt auf der Gegenseite sitzt, so bleibt Knoll doch fair. Er dankt der Verwaltung, dass „sie uns so toll geholfen hat bei der Demo-Organisation“. In Sachen Streik bleibt er konsequent: „Es wird spannend.“ Das ist sein letzter Mutmacher, für den die 7000 Zuhörer viel Applaus spenden. Sie wollen mehr Geld – „weil wir es wert sind“, wie alle immer wieder lautstark rufen.

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