Frankenthal „Die Stimmung hat sich geändert“

Jugendlichen wird häufig ein wachsendes Desinteresse an Politik unterstellt. Unter dem Eindruck von Flüchtlingswelle und Terrorgefahr sind die Dinge aber offenbar in Bewegung gekommen. Ein Sozialkundekurs organisiert am Karolinen-Gymnasium derzeit für 470 Schüler eine sogenannte Juniorwahl.

Mit Themen wie Flüchtlingswelle oder Terrorgefahr sei die Politik nahe an den Alltag der Menschen gerückt, meinen die Schüler des Elfer-Leistungskurses Sozialkunde am Frankenthaler Karolinen-Gymnasium (KG). Damit sei auch das Interesse für Politik unter den Jugendlichen gewachsen, erzählen sie im Gespräch. Einbringen können sie dieses Interesse jetzt bei der Juniorwahl: Mit dem Planspiel nimmt ihr Kurs die anstehende Landtagswahl mit rund 470 Mitschülern der Jahrgangsstufen neun bis zwölf vorweg. Die Messehallen für Flüchtlinge auf dem Festplatz liegen in Sichtweite ihrer Schule. Und nach den Anschlägen von Paris und den Übergriffen in Köln machen sich manche Gedanken um ihre Sicherheit, erzählt Marion Misiewicz. „Die Stimmung im Land hat sich verändert in den letzten Wochen“, haben die Schüler festgestellt. Daher rechnen sie auch damit, dass die AfD Zulauf bekommt. Doch noch sind sie zuversichtlich, dass sich unter den etablierten Parteien Koalitionen bilden können und keine Weimarer Verhältnisse entstehen, meint Tillmann Ballweber. Der Kurs hält das Parteiengefüge für stabil, auch wenn manche Gruppierungen ganz bewusst auf die Unzufriedenheit der Menschen abzielten. Entscheiden würden sich die jungen Leute für die Partei, die die besten Lösungen für die akuten Probleme biete, sagt Smilla Friedel. Marion Misiewicz glaubt, dass bei den Jugendlichen Themen wie Umweltschutz nicht mehr so stark im Fokus stehen. Das sei eher die Flüchtlingspolitik, meint Franciska Ruser. Mit ihrer Lehrerin Marie Hage haben die 16 Schüler des Kurses die verschiedenen Positionen der Parteien kennengelernt, auch, dass sie bei den großen Volksparteien manchmal gar nicht so verschieden sind. Wer noch unsicher ist, könne sich mit dem Wahl-O-Mat im Internet gut über die Positionen informieren. Jetzt bereiten die Schüler in Gruppenarbeit die Wahl am KG vor. Das Prinzip der Juniorwahl folgt dem von Kids Voting aus den USA. Die Schüler müssen in Erfahrung bringen, wie viele Schulkameraden mitmachen möchten, müssen Wählerverzeichnisse erstellen, Wahlbenachrichtigungen verschicken, die Stimmabgabe in drei Kabinen begleiten, die wie im richtigen Leben in der Gymnastikhalle aufgebaut werden. Und sie müssen die Stimmzettel auf ihre Gültigkeit prüfen und auszählen. Gewählt wird Ende Februar, Anfang März. Auch die Pressearbeit gehört zum Planspiel. Dieser Bericht zeugt vom Erfolg zumindest in diesem Punkt. Wahlzettel, Kabinen, Urnen, didaktisches Arbeitsmaterial – alles, was dazugehört, erhalten die Schulen vom gemeinnützigen Verein Kumulus aus Berlin. „Meine Eltern sind begeistert von der Juniorwahl“, berichtet Marion Misiewicz. Ihre Lehrerin Hage erzählt, dass bei solchen Projekten an anderen Schulen die Wahlbeteiligung auch unter den Eltern gestiegen sei. In Bremen hätten die Schüler anschließend als richtige Wahlhelfer mitgewirkt. „Die Juniorwahl hilft, das System richtig kennenzulernen“, stimmt Christoph Hemmer seiner Lehrerin zu. „Viele sind sich nicht bewusst, was man mit seiner Stimme erreichen kann, wie viel sie wert ist“, glaubt Smilla Friedel. Solch eine Juniorwahl könne helfen, das Interesse für Politik zu wecken, fügt Laura Seiverth an. Ihre Mitschüler allerdings, die potenziellen Wähler, seien nicht ganz so leicht dafür zu begeistern gewesen, berichtet Georg Willer. „Sie haben nicht gerade heureka gerufen.“ Am 13. März sind die meisten Schüler der elften Jahrgangsstufe erst 17 und dürfen nicht an der richtigen Landtagswahl teilnehmen. Sie sind gespannt, ob sich das Ergebnis der Juniorwahl von dem tatsächlichen unterscheiden wird. Die Daten aller an der Juniorwahl teilnehmenden Schulen im Land werden zusammengetragen. Das Ergebnis soll am Wahlsonntag um 18 Uhr im Internet auf www.juniorwahl.de veröffentlicht werden. „Dann kann man sehen, ob ein Wahlrecht ab 16 Einfluss auf das Ergebnis der Landtagswahl haben würde, dessen Einführung die Landesschülervertretung fordert“, sagt Tillmann Bolik.

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