Frankenthal „Der Standort wäre gefährdet“

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Das profitable Geschäftsfeld Turbinenbau soll im Siemens-Werk Frankenthal bleiben. Dafür will der Betriebsrat kämpfen. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) will das Gespräch mit dem Siemens-Vorstand suchen.

„Die Stimmung ist im Keller, das Vertrauen ist weg.“ So skizzierte gestern Karl-Georg Frantz, stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats, bei einer Pressekonferenz im IG-Metall-Haus die Atmosphäre im Siemens-Werk. Am vergangenen Mittwoch waren die Beschäftigten der Siemens Turbomachinery Equipment GmbH (STE) in einer Betriebsversammlung darüber informiert worden, dass der Bau von Dampfturbinen von Frankenthal an den tschechischen Standort Brünn (Brno) verlagert werden soll (wir berichteten am 8. und 9. Oktober). Für mehr als 200 der rund 600 Mitarbeiter (einschließlich 50 Auszubildende) würde das nach Aussage von Unternehmenssprechern den Verlust des Arbeitsplatzes in Frankenthal bedeuten. Zudem, so zitiert der Betriebsrat eine weitere Aussage der Arbeitgeberseite, solle der Verdichterbereich „auf eine profitable Größe reduziert werden“, um ihn dann zu verkaufen. Ministerpräsidentin Dreyer, an die sich der Betriebsrat gewandt hatte, „hat mit großer Besorgnis auf die Nachrichten reagiert“, dass in Frankenthal Jobs abgebaut werden sollen. Das teilte gestern auf Anfrage die Mainzer Staatskanzlei mit. Die Landesregierung werde ihr Möglichstes tun, um diesem Schritt entgegenzuwirken. „Die Ministerpräsidentin wird sich an den Vorstand der Siemens AG wenden und darum bitten, die angekündigten Alternativvorschläge der Belegschaft intensiv zu prüfen und nach Möglichkeit in seine unternehmerischen Überlegungen mit einzubeziehen“. Als Zeitrahmen für die angekündigten Umstellungen seien „bis zu zwei Jahre“ genannt worden, sagte gestern Hilmar Feisthammel, Vorsitzender des Betriebsrats. Wie das gehen solle, sei offen. Schon „wenn der Turbinenbau weggeht, sehen wir den Standort als gefährdet an“, unterstrich der Vorsitzende des Betriebsrats. Daher wolle man alles dafür tun, dieses nach wie vor profitable Geschäftsfeld in Frankenthal zu halten. Gemeinsam mit der Technologieberatungsstelle Rheinland-Pfalz (TBS) und der IG Metall will der Betriebsrat ein Konzept dafür erarbeiten. Ein Verkauf des kompletten Werks durch Siemens wäre nach Ansicht des Betriebsrats zumindest eine bessere Lösung als das, was zurzeit an Einschnitten diskutiert werde, sagte Feisthammel auf Nachfrage. „Das würden wir unterstützen.“ Zunächst aber brauche man „belastbare Zahlen“, sagte Birgit Mohme von der IG Metall, die das Siemens-Werk betreut. Für erheblichen Ärger in der Betriebsversammlung habe unter anderem der Umstand gesorgt, dass das Unternehmen nur mit allgemeinen Daten argumentiert, aber keine Zahlen zu Frankenthal genannt habe. Was Verlagerung des Turbinenbaus genau bedeute, sei noch nicht überschaubar, sagte Hilmar Feisthammel. So wisse man nicht, ob auch die gemeinsame Serviceeinheit für Verdichter und Turbinen betroffen sei. Auf jeden Fall fürchte man den Verlust von wertvollem Know-how – auch deshalb, weil qualifizierte Mitarbeiter sich nun womöglich „anders orientieren“. Völlig unklar sei zudem, wie die Zusage der Konzernführung gegenüber dem Siemens-Gesamtbetriebsrat, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, angesichts des für Frankenthal angekündigten Stellenabbaus eingehalten werden könne. Frühere Möglichkeiten, freiwillig auszuscheiden, hätten ohnehin „vor allem Ältere“ genutzt, sagte Peter Schmitt, Pressesprecher des Betriebsrats. Das seien immerhin 32 Personen in diesem Jahr gewesen und 42 in der Runde davor. Angesichts der vielen offenen Fragen sehe man aber auch Verhandlungsspielraum, sagte Betriebsratsvorsitzender Feisthammel. Man habe der Geschäftsführung Termine für Sondierungsgespräche angeboten. Die IG Metall will die Siemens-Beschäftigten zu Protestaktionen aufrufen. Das kündigte Günter Hoetzl, Erster Bevollmächtigter der Verwaltungsstelle Ludwigshafen/Frankenthal, an, ohne Einzelheiten zu nennen. Den Kurs der Konzernführung kritisierte Hoetzl scharf: „Es ist eine Riesensauerei, was Siemens hier vorhat. Jahrelang ist fett Geld verdient worden, und nun will der Konzern den Laden platt machen.“ Auch wenn es zurzeit Konjunktur-Eintrübungen gebe, „könnten die das locker tragen, wenn sie es wollten“, sagte Hoetzl.

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