Ludwigshafen 60 Menschen ohne Zuhause

Beim Oppauer Ortsvorsteher Udo Scheuermann steht das Telefon nicht mehr still. Der 69-Jährige koordiniert die Hilfe für die Opfer des Explosionsunglücks, die vorerst kein Zuhause mehr haben. 60 Menschen sind betroffen – Senioren genauso wie junge Familien. Sie haben in Wohnungen und Häusern in der Jakob-Scheller-Straße sowie in einem Haus in der Oppauer Straße in Edigheim gewohnt – bis am Donnerstag die Explosion einer Gaspipeline ihr Leben verändert hat. „Den Leuten geht es den Umständen entsprechend“, sagt Notfallseelsorger Reinhard Herzog, der sich mit seinem vierköpfigen Team ehrenamtlich um die Opfer kümmert. Einige stünden noch unter Schock, viele wollten über das Erlebte reden, über die Flucht aus dem Inferno, über die Todesangst und die Sorge, wie’s jetzt eigentlich weitergehen soll. Rund 50 Anwohner werden von dem Notfallteam betreut. „Wir sind gut behandelt worden“, lobt Arthur Meier die Einsatzkräfte. Die erste Nacht nach dem Unglück hat er mit anderen Anwohnern in einem Hotel in Friesenheim verbracht. Gestern Nachmittag konnte er in Begleitung der Polizei wie seine Nachbarn die Häuser in der Jakob-Scheller-Straße betreten, um den Schaden in Augenschein zu nehmen und sich ein paar persönliche Sachen zu holen. „Ich hoffe, dass ich so bald wie möglich wieder in meine Wohnung kann“, sagte er. Das dürfte allerdings noch dauern. Der Häuserblock wurde durch die Hitze der bis zu 60 Meter hohen Gasfackel und den Explosionsdruck schwer beschädigt. Balkonverkleidungen und Fensterrahmen aus Plastik sind geschmolzen. Die Fenster sind zu Bruch gegangen. Das Anwesen ist stark verrußt. Nach einem Ortstermin gestern steht fest: Die Statik ist in Ordnung. Die betroffenen Häuser müssen nicht abgerissen werden. Die Absicherungsarbeiten haben begonnen. Laut Ortsvorsteher Scheuermann werden zerborstene Fenster durch Spanplatten ersetzt. Dachdecker bringen voraussichtlich heute eine Plane auf das beschädigte Dach des Blocks in der Jakob-Scheller-Straße. Damit es nicht reinregnet. „Wir wollen, dass die Häuser schnellstens saniert werden“, sagt Scheuermann. Kommende Woche sollen die Vorbereitungen dafür starten. Übers Wochenende sind die 60 betroffenen Anwohner bei Freunden, Verwandten oder in Hotels untergebracht. Das Klinikum und das Oppauer Seniorenheim „Paulinenhof“ haben Wohnungen zur Verfügung gestellt. „Das hat alles reibungslos geklappt“, freut sich der Ortsvorsteher. Die amtliche Identifizierung des toten Bauarbeiters soll am Wochenende mit einer DNA-Analyse geklärt werden. Seine drei Kollegen schweben in Lebensgefahr. „Sie sind noch nicht über dem Berg. Es wird noch ein paar Tage dauern, bis man etwas sagen kann“, meinte Feuerwehrchef Peter Friedrich. Niemand der Verantwortlichen weiß, wie lange die Sanierung der beschädigten Häuser dauern wird. Daher wird von der Stadt derzeit an einer längerfristigen Unterbringung der Anwohner in Wohnungen der BASF-Wohnbaugesellschaft Luwoge und der kommunalen GAG gearbeitet. Hilfe sei signalisiert worden, sagte Oberbürgermeisterin Eva Lohse, die ihren Spanienurlaub abgebrochen hat. Bei Ortsvorsteher Scheuermann gingen auch private Wohnungsangebote ein. Während am Explosionskrater Ermittler der Polizei nach der Unglücksursache forschten, herrschte dort rege Betriebsamkeit diverser Unternehmen: Die Deutsche Bahn begann damit, den Bahnübergang, die Oberleitung und die Gleise zu reparieren. Telekom und Kabel Deutschland flickten zerstörte Leitungen, denn bei Tausenden Haushalten waren Telefon, Fernsehen und Internet ausgefallen. Bis heute Abend sollen alle Glasfaserverbindungen wieder funktionieren. Die Technischen Werke Ludwigshafen arbeiteten an der geborstenen Hauptwasserleitung zwischen Edigheim und Oppau, die die Hauptstraße unterspült hat. Bis auf Weiteres bleibt der Bereich für den Straßen- und Bahnverkehr gesperrt. Eine Welle der Solidarität zeichnet sich ab: Schon in der Unglücksnacht kamen Menschen ins Notquartier, um ihre Hilfe anzubieten. Es gibt zahlreiche Angebote für Sach- und Geldspenden. Die Stadt hat ein Spendenkonto eingerichtet. Es soll vor allem den Menschen helfen, die nicht versichert sind, erläuterte OB Lohse.

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