Zweibrücken Unfreiwillige Rolle beim Ausbruch des Zweiten Weltkrieges

Blick in die Gleiwitzstraße mit Bahnschranke und Andreaskreuz – allerdings verläuft hier schon seit Jahren keine Bahnstrecke meh
Blick in die Gleiwitzstraße mit Bahnschranke und Andreaskreuz – allerdings verläuft hier schon seit Jahren keine Bahnstrecke mehr.

Urkundlich erwähnt wird die oberschlesische Stadt Gleiwitz erstmals 1276. Von diesem Zeitpunkt an durchlebte die Stadt eine sehr wechselvolle Geschichte. An diese Geschichte und die Rolle der Stadt beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erinnert in Zweibrücken die Gleiwitzstraße, eine Verbindungsstraße zwischen Bitscher Straße und Etzelweg im Stadtteil Ixheim.

Die Stadt stieg auf zum Sitz des Teilherzogtums Gleiwitz, wurde durch einen großen Brand schwer beschädigt und musste einer Belagerung standhalten. In den Jahren 1740 bis 1763 entwickelte sich ihr Schicksal leidvoll in den sogenannten schlesischen Kriegen zwischen Preußen und Österreich. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde Gleiwitz zu einer wohlhabenden Industriestadt. International bekannt wurde Gleiwitz, als man in den dortigen Hüttenwerken den ersten mit Koks befeuerten Hochofen in Europa in Betrieb nahm. Bis dahin befeuerte man die Hochöfen mit Holzkohle. Aufgrund dieser Erfindung nahm 1796 eine Eisengießerei ihren Betrieb in Gleiwitz auf und steigerte rasch ihre Produktion von Roheisen. Dies wiederum war ursächlich dafür, dass in Gleiwitz eine eisenaffine Industrie entstand. Im Gleiwitzer Maschinenbau entstanden bis 1850 etwa 50 Dampfmaschinen, die zu einem wichtigen Faktor der schlesischen Industrialisierung wurden. Nach den Aufständen in Oberschlesien von 1919 bis 1921 begann für die Stadt Gleiwitz eine schicksalhafte Entwicklung. Durch die nachfolgende Aufteilung von Oberschlesien zwischen Polen und Deutschland rückte Gleiwitz in eine Randlage. Gleiwitz wurde deutsche Grenzstadt an der Grenze zu Polen. Diese Besonderheit nutzte Adolf Hitler, um mit Polen in eine kriegerische Auseinandersetzung zu treten: Am 31. August 1939 überfiel ein SS-Kommando nach dem verschlüsselten Einsatzbefehl „Großmutter gestorben“ die Radiostation bei Gleiwitz in der Nähe der polnischen Grenze. Die Vorbereitungen zu diesem Überfall traf SS-Hauptsturmbandführer Reinhard Heydrich. Der Überfall durch das SS-Kommando, bei dem ermordete jüdische KZ-Inhaftierte als erschossene deutsche Soldaten ausgegeben wurden, sollte einen polnischen Anschlag vortäuschen, um den bevorstehenden Angriff auf Polen zu legitimieren. Der deutsche Angriff auf Polen begann am 1. September 1939 mit dem Beschuss der Westerplatte in Danzig durch schwere Schiffsgeschütze. Am 1. September hielt Hitler vor dem deutschen Reichstag eine Rede, in der er den Angriff auf Polen begründete. Aus dieser Rede stammt der bekannte Satz: „Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen.“ Damit begann der Zweite Weltkrieg. Insofern spielt die Stadt Gleiwitz in der historischen Entwicklung von Deutschland eine besondere Rolle. Ihre geografische Lage, ein Resultat der territorialen Entwicklung Europas nach dem Ersten Weltkrieg, wurde im Zuge der nationalsozialistischen Kriegsvorbereitung missbraucht. Im Januar 1945 besetzte die Rote Armee Gleiwitz, wo noch im ersten Halbjahr 1944 vier Nebenlager des Konzentrationslagers Auschwitz eingerichtet worden waren. Nach der Ermordung Tausender Einwohnern durch die Rotarmisten – viele Gleiwitzer wurden überdies zu Zwangsarbeiten in die Sowjetunion abtransportiert – wurde Gleiwitz im März 1945 unter polnische Verwaltung gestellt und in „Gliwice“ umbenannt. In der Nachfolgezeit wurde die deutsche Bevölkerung in die britische Besatzungszone umgesiedelt. Inzwischen ist die Stadt, die im Jahr 2000 ihr 750-jähriges Bestehen gefeiert hat, eine polnische Großstadt geworden. In einem Automobilwerk produziert Opel den Astra. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass einer der beliebtesten deutschen Fußballspieler, Lukas Podolski, in Gleiwitz geboren ist. Die Serie In welcher Straße geht ein Witwer mit abgeschnittenem Kopf um und schneidet Grimassen? Welche erinnert an türkische Hengste? Mit welcher Straße treibt man selbst ortskundigen Taxifahrern die Schweißperlen auf die Stirn? Hinter den Zweibrücker Straßennamen verbergen sich oft skurrile, überraschende und manchmal schaurig-blutige Geschichten. Josef Reich hat ihnen nachgespürt.

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