Zweibrücken Nostalgie in Noten

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Es gibt Dinge, die werden wohl ewig Erfolg haben. Dazu gehört mit Sicherheit die Musik von Glenn Miller. Noch heute strömen die Musikfreunde in die Säle, wenn die sanften Swingklänge aus vergangenen Tagen auf dem Konzertprogramm stehen. In Zweibrücken war das am Freitag nicht anders. Dort war in der Festhalle nämlich „It’s Glenn Miller Time“ angesagt.

Der Saal war ausverkauft, und rund 700 Zuschauer warteten gespannt auf den Auftritt des Glenn Miller Orchestras unter Leitung des Niederländers Wil Salden. Interessant dabei, dass diese Formation in ununterbrochener Tradition seit dem frühen Tod des legendären Bandleaders steht. Dessen Orchester machte nach dem Flugzeugabsturz 1944 weiter, und das Erbe wird bis heute von der Glenn Miller Productions Inc. fortgeführt. Es gibt in aller Welt verschiedene Formationen, die den Namen Millers tragen dürfen. In Europa ist das seit 1990 die Big Band unter Leitung von Wil Salden. „Moonlight Serenade“, „Tuxedo Junction“, „Pennsylvania 6-5000“ – kaum ein Titel des rund zweistündigen Programms dürfte den Zuhörern unbekannt gewesen sein. Von der Programmauswahl spielte Wil Saldens Formation in klassicher Big-Band-Besetzung Mainstream „at its best“. Zwar waren auch Evergreens von Roy Antony oder Tommy Dorsey zu hören, der Schwerpunkt lag aber eindeutig auf den Kompositionen des legendären Namensgebers. Um diese möglichst authentisch zu spielen, hatte sich Bandleader Salden sogar in aufwendiger Forschungsarbeit Originalnotenmaterial aus den USA besorgt. Beinahe ein Vierteljahrhundert intensive Beschäftigung mit dem Vorbild trug natürlich ebenso Früchte wie die langjährige Zusammenarbeit mit dem 16-köpfigen Ensemble. Sicherlich spielte das Glenn Miller Orchestra Europe technisch höchst versiert. Fast jeder Musiker erhielt im Laufe des Konzerts Gelegenheit zu einem Soloauftritt, der manchmal zwar nur ein paar Takte dauerte, aber die Fähigkeiten als Solist durchaus erahnen ließ. Sehr schön die Gesangseinlagen mit Sängerin Ellen Bliek oder den „Moonlight Serenaders“ (Wil Salden, Ellen Bliek, Peter Peuker, Hansjörg Fink, Pascal Haverkate). Ein Konzert, wie es fehlerloser und routinierter kaum hätte sein können. Aber gerade die Routine kann manchmal zum Stolperstein werden. Denn trotz durchweg tadelloser Beherrschung der Instrumente wirkte der Sound der Musiker allzu glatt und unpersönlich. Für Improvisation und spontane Einfälle, beides Faktoren, die den besonderen Reiz einer Bigband ausmachen, ist natürlich kein Platz, wenn Musik eins zu eins vom Original kopiert werden soll. Dass Wil Salden hier sehr vorsichtig zu Werke ging, wird verständlich, wenn man bedenkt, wie es einem seiner Kollegen im amerikanischen Glenn Miller Orchestra erging. Dem renommierten Jazzer Jimmy Henderson wurde nämlich Anfang der 80er Jahre der Vertrag gekündigt, weil er Miller-Arrangements auf Rock’n’Roll-Art spielte. Von solch modernem Teufelswerk war bei Wil Saldens Bigband an diesem Abend nichts zu spüren. Da die Arrangements keine Improvisation erlaubten, die Originalband jedoch gerade daraus ihren Reiz bezog, geriet der Auftritt in Zweibrücken auch zu einer allzu offensichtlichen schauspielerischen Inszenierung. All die witzigen Einfälle – wie das Spiel mit Hüten oder Trompeten-Schalldämpfern – sollten wohl ebenso den Eindruck von Spontaneität vermitteln wie die ständig sich von ihrem Platz nach vorne schlängelnden Musiker. Doch solcherlei Kapriolen forderten taktgenaue Aufmerksamkeit, die besser in den musikalischen Ausdruck des Konzerts gelegt worden wäre. So waren zwar Glenn Millers Noten zu hören, den Geist seiner Musik mögen zumindest gestandene Jazzkenner etwas vermisst haben. Für alle anderen war es mit Sicherheit ein höchst unterhaltsamer Abend, der schöne Erinnerungen wecken konnte.

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