Speyer Wohliger Schauder des Morbiden

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Über 20 glamourös-düstere Stillleben des russischen Malers Grigori Dor zeigt der Speyerer Kunstverein vom 13. März bis zum 24. April im Kulturhof Flachsgasse. Der Titel „Barocktikum“ legt es nahe: Die niederländische Barockmalerei mit ihren üppigen, sinnlichen Stillleben ist eine wichtige Inspirationsquelle Dors.

Ein toter Vogel mit prächtigem Gefieder, eine pinke Christbaumkugel, Ohrstöpsel-Kopfhörer in pink und türkis, ein hellblauer Schnürsenkel, eine goldene Kordel und ein Flamingoblütenblatt sind die Zutaten für Grigori Dors Ölgemälde „Still Life with a Woodpecker“ von 2015. Der 1970 im sibirischen Ulan-Ude geborene und in Berlin lebende Künstler beherrscht die malerische Technik meisterhaft – um nicht zu sagen: altmeisterlich. Nach seinem in St. Petersburg begonnenen Studium der Kunstgeschichte und Germanistik schloss er ab 1990 in Berlin ein Grafikdesign-Studium an. Wie bei den Niederländern schimmern und leuchten auch Dors illusionistisch gemalte Objekte und Fragmente verführerisch. Vor einem unauslotbaren dunklen Hintergrund tauchen sie auf und verdichten sich in der Bildmitte zu einer chaotischen Masse, die den Blick anzieht. Mit Tierkadavern, Blüten, Obst oder Tierschädeln greift Dor zu den klassischen Bestandteilen eines barocken Stilllebens. Kabel, Kopfhörer, zerbeultes Metall und ausgerissene Hochglanzfotos werden als wildes Crossover eingefügt. Mit digitaler Technik konzipiert der Maler seine Kompositionen und überträgt sie anschließend in meditativer Detailarbeit auf die Leinwand. So collagiert und montiert er Schlüsselreize der Konsum- und Werbeästhetik mit traditionellen Bildelementen. Er bedient sich beim historischen Vanitas-Gedanken, der alles menschliche Bemühen für eitel und vergeblich hält, ebenso wie bei der prallen Konsum- und Werbewelt der Gegenwart, die Makellosigkeit erwartet und das Scheitern ausblendet. In der Serie „Flowers from my Sideboard“ von 2012/13 zeigt Dor hyperrealistische Großaufnahmen von opulenten Blumen vor düsterem Hintergrund, die den Zenit ihrer Blüte überschritten haben und ihren Verfall zu ersehnen scheinen. Doch anders als bei den barocken Vorbildern soll der Betrachter hier kein moralisches Erschrecken vor Tod und Sünde spüren – sondern bloß den wohligen Schauder des Morbiden. Ausstellung und Kontakt —Zu sehen beim Speyerer Kunstverein vom 13. März bis zum 24. April, donnerstags bis sonntags, 11 bis 18 Uhr —Zur Eröffnung morgen, 13. März, 11 Uhr, spricht der Kurator der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen, Andreas Krock, einführende Worte. Die Städtische Musikschule Speyer gestaltet das Programm. —Eine Bilderstrecke zur Schau gibt es unter der Internet-Adresse www.rheinpfalz.de/lokal/speyer/speyer-kultur-regional.

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