Speyer „Wir haben nur ein Europa“

In guter Erinnerung: Spaldinger Gäste verkaufen Süßes in Speyer (hier beim Weihnachtsmarkt 2012).
In guter Erinnerung: Spaldinger Gäste verkaufen Süßes in Speyer (hier beim Weihnachtsmarkt 2012).

Brexit, Europa-Kritik auch in anderen Ländern und als Gegensatz dazu das Werben für die europäische Einigung etwa in der Gruppe „Pulse of Europe“ – diese Themen beschäftigen derzeit nicht nur die Medien und die Politik, sondern auch die Gruppen, die sich für die Städtepartnerschaften von Speyer engagieren.

„Die Entscheidung für den Brexit war für uns sehr schmerzhaft“, sagt Peter Kerstjens, der Sprecher der in diesem Jahr aufgelösten „Friends of Spalding“ war. Das Ergebnis der Abstimmung sei auch deshalb „sehr traurig“ gewesen, weil die Partnerstadt Spalding eine der Kommunen mit den meisten Brexit-Befürwortern war. Als sich der Speyer-Freundeskreis in der Partnerstadt aufgelöst hatte, gab es auch für das Pfälzer Pendant kein Halten mehr (wir berichteten) „Die Leute denken, dass man die Uhr zurückdrehen kann, zu einem Miss-Marple-England, dass es nie gab“, sagt Kerstjens, der noch nicht die Hoffnung aufgegeben hat, dass Großbritannien in der EU bleibt. In England war das Interesse an der 1956 geschlossenen Partnerschaft seit Jahren stark zurückgegangen. Vor der Auflösung seien antieuropäische Tendenzen bei den monatlichen Treffen der „Friends of Spalding“ ein „großes Thema“ gewesen, berichtet Kerstjens. Ebenso in dem vom Seniorenbüro Speyer regelmäßig angebotenen englischen Konversationskreis, den Kerstjens leitet. Dort wolle man sich bei einem der nächsten Treffen mit der Bewegung „Pulse of Europe“ beschäftigen, sagt er. Kerstjens und andere Mitglieder des ehemaligen Freundeskreises haben noch private Kontakte nach Spalding. Die Spaldinger, zu denen Kontakt bestehe, seien Europa-Befürworter. Kerstjens und einige andere versuchen, wie er sagt, „das Interesse an Großbritannien hochzuhalten“. So wird im Juli, wie schon in früheren Jahren, eine Reise angeboten. Ziele sind Irland und Schottland. „Das haben wir bewusst so ausgesucht, weil hier die Brexit-Gegner in der Mehrheit sind.“ Günter Ott, Sprecher des Freundeskreises Speyer-Chartres, weiß, dass in Frankreich Europa-Euphorie aktuell keine Selbstverständlichkeit ist. Er ist froh, dass sich bei der Präsidentenwahl mit Emmanuel Macron der pro-europäische Bewerber durchgesetzt hat und hofft, dass die Skepsis in anderen politischen Lagern keine Auswirkungen auf die seit 1959 bestehende Partnerschaft zwischen Speyer und dem französischen Chartres haben. Bisher sei das jedenfalls nicht der Fall. Ott betont, dass „die Partnerschaft nicht von allein lebt, sondern man immer daran arbeiten muss“. Dazu gehöre für den Freundeskreis die Gewinnung von Mitgliedern. Bei den regelmäßigen Bürgerreisen von Speyerern nach Chartres – gerade gestern war Abreise – und umgekehrt sowie bei anderen Treffen „wird natürlich auch über Politisches gesprochen“, sagt Ott. Große Differenzen gebe es beim Thema Europa nicht, denn die Bürger, die sich an Partnerschaftsaktivitäten beteiligen, seien „alle pro Europa“. Sorgen bereite den Aktiven allerdings der Zulauf für Europa-Gegner wie den Front National. Als Gründe für dessen Erfolge sieht Ott jedoch vor allem innenpolitische Probleme, wie die hohe Arbeitslosigkeit. Für ihn seien antieuropäische Tendenzen eine Ermutigung weiterzumachen, denn „wir haben nur ein Europa“. Mitglieder des Freundeskreis Speyer-Ravenna waren im April auf einer Bürgerreise in der italienischen Stadt, mit der Speyer seit 1989 eine Partnerschaft hat. „Aber in die Weltpolitik sind wir da nicht eingestiegen“, sagt Sprecherin Barbara Mattes. Es gebe so viele andere Themen, etwa die Planung der Ausstellung des italienischen Künstlers Daniele Albatici in der städtischen Galerie, das habe dominiert. „Außerdem sind wir alle pro-europäisch“, sagt Mattes. „Gar nicht“, antwortet sie auf die Frage, ob sie Auswirkungen antieuropäischer Tendenzen auf die Partnerschaft befürchte. Daten & Fakten Speyerer Partnerstädte außer Spalding, Chartres und Ravenna sind Gniezno (Polen), Kursk (Russland), Yavne (Israel) und Ningde (China). Zudem gibt es eine Patenschaft für eine ruandische Region. Die Serie Was haben die Speyerer von Europa und wie betrifft es sie im täglichen Leben? Dieser Frage geht die RHEINPFALZ seit dem Europatag in dieser Serie nach.

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