Speyer Mär vom Makel zweiter Bildungsweg

Stolz auf Schule und Schüler: René Jarschke, seit zwei Jahren Leiter des Pfalz-Kollegs Speyer.
Stolz auf Schule und Schüler: René Jarschke, seit zwei Jahren Leiter des Pfalz-Kollegs Speyer.

„Ja, wir sind angekommen.“ René Jarschke sitzt entspannt dem Gesprächspartner auf dem Stuhl gegenüber. Er feiert morgen seinen 49. Geburtstag. Aber nicht nur deshalb wirkt er sehr entspannt, zufrieden mit seinem Leben. Der Leiter des Pfalz-Kollegs ist es auch. Angekommen ist der in Wollmerstedt nördlich von Magdeburg geborene Mann von stattlicher Körpergröße gleich mehrfach. Aus der DDR nach der Wende 1994 im Westen. Aus der Lehrerausbildung Ost im bundesrepublikanischen Beamtenstatus. Aus dem Norden von Rheinland-Pfalz über ein paar Stationen an den aktuellen Arbeitsplatz in Speyer. Und zuletzt nach einer Wohnung in Kaiserslautern als Zwangspendler nach Landau im eigenen Haus in Neustadt-Hambach. „Mit Frau, meinen beiden Söhnen und einem reich Früchte tragenden Zitronenbäumchen im Garten. Das hätte ich in Sachsen-Anhalt nicht aufstellen können“, scherzt er mit Blick auf die klimatischen Veränderungen gegenüber der alten Heimat. Der Weg für den Gymnasiallehrer für Physik und Mathematik in die Pfalz war durchaus steinig. Seinen Diplom-Studiengang in der DDR hatte er, als die Wende kam, weitgehend durchlaufen. Die Ausbildung wurde ihm im Westen nicht komplett anerkannt. Was er bis dahin erreicht hatte, galt hier „nur“ als bestandenes 1. Staatsexamen. Für das Zweite musste er noch zwei Semester Studium dranhängen und das Referendariat absolvieren. Nach Stationen in Landau und Neustadt bewarb er sich erfolgreich an das Pfalz-Kolleg in der Butenschönstraße. Eine richtige Entscheidung, die Jarschke bis heute nicht einmal bereut hat. Das Kolleg in Speyer ist eines vor vieren im Land. „Wir sind letztlich drei Schulen unter einem Dach: Abendgymnasium , Tageskolleg und der – relativ neue – Zweig Abitur online“, beschreibt er die herrschende Vielfalt auf dem zweiten Bildungsweg in Speyer. Das fordert Lehrer und Schüler. Später Unterrichtsbeginn am Tag, oft nach acht Stunden Job der Schüler, Lernen zuhause in eigener Verantwortung, das erfordert von allen Disziplin. Geprüft wird wie am „normalen“ G-8-Gymnasium. „Unsere Schüler haben im Abi natürlich auch die zentralen Komponenten, wie sie im Land seit diesem Jahr gelten.“ Dann verweist der Schulleiter auf die besondere Situation seiner Schüler. Sie sind älter als andere. Der Alterschnitt liegt bei 26 Jahren. Hin und wieder ist einer schon über 40, selten sogar über 50. Gescheiterte Gymnasiasten fänden sich ebenso darunter wie „Spätberufene“ und Menschen, die ihrem Leben noch einmal eine Wende geben wollen. Durchaus nachvollziehbar, dass nicht immer alle bis zum Ende durchhalten. Der jüngste Abi-Jahrgang ging mit 20 an den Start. Sechs traten noch zur Prüfung an. „Wer sich aber durchbeißt, liefert tolle Ergebnisse“, berichtet der Pädagoge begeistert. „Das Abi auf dem zweiten Bildungsweg ist kein Makel“ betont der Lehrer. Diese Bildungschance werde es auch immer brauchen, ist er überzeugt. Der besonderen Situation der Kollegiaten werde durchaus Rechnung getragen: Kleine Klassenmesszahl von 22, gute Versorgung mit Lehrern – 21 zählt das Kollegium für rund 160 Schüler. Für die Fächer Religion und Musik helfen Kräfte von anderen Schulen aus. Das Kolleg kennt keine Raumnot, verfügt über eine Mensa, ist – auch dank des Engagements des Freundeskreises – überdurchschnittlich gut ausgestattet mit modernen Medien. W-Lan ist selbstverständlich. „Die Schüler haben gute Lernbedingungen.“ Dazu zählt für Jarschke auch das junge Leitungsteam der Schule. Zusammen mit seinen Stellvertreterinnen Monika Kleinschnitger und und Astrid Fieke managt er die Bildungsanstalt. Ein ganz wichtiges Anliegen ist allen Werbung für die Schule. Mund-Propaganda und Internet seien derzeit die erfolgreichsten Kanäle dafür. Im neuen Schuljahr geht das Kolleg deshalb neue Wege: „Wir haben Kontakt aufgenommen zum Purrmann-Gymnasium. Dort werden wir Schülern in der Berufsfindungsphase den zweiten Bildungsweg vorstellen. Umgekehrt steht unser Haus den Gymnasiasten und allen anderen offen. Jeder kann sehen, was wir hier machen“, sagt Jarschke mit Nachdruck. Der Mann legt sich für „seine“ Schule ins Zeug. Es ist eine normale, aber doch besondere Schule. DIE SERIE In Speyerer Firmen, Schulen und Behörden gab es Wechsel an der Spitze. Die RHEINPFALZ besucht „Neue“, befragt sie nach ihrer Zwischenbilanz, ihren Plänen und ihren ersten Erfahrungen.

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