Pirmasens Von einem, der auszog, um den Leuten das Kino zu bringen

Eine Postkarte mit dem frühen Walhalla-Kino, damals einer der prachtvollsten Kinopaläste in Deutschland.
Eine Postkarte mit dem frühen Walhalla-Kino, damals einer der prachtvollsten Kinopaläste in Deutschland.

Seit über 110 Jahren gibt es mittlerweile das Walhalla-Kino in Pirmasens. Eröffnet wurde 1913 von einem Mann, der viel unterwegs war und nicht nur den Pirmasensern das damals neue Medium Kino bekannt machte.

„Was geschah aber da, als dieses neue Theater eröffnet war? Die Pirmasenser kamen nicht mehr! Jawohl, sie kamen nicht mehr, weil Ihnen das Theater ,zu fein’ war und es bedurfte einer langen Zeit, bis diese ,Furcht vor dem Feinen’ überwunden war.“ Diese Worte schrieb Kinobetreiber Heinrich Ohr 1938 in einem Zeitungsartikel zum 25-jährigen Bestehen des Walhalla-Theaters, das heutige Walhallakino, über seine ersten Erfahrungen im Jahr 1913, dem Jahr, als das Kino eröffnet wurde. Er wunderte sich, dass die Leute nicht mehr kamen, denn Ohr war bereits vor der Jahrhundertwende im Geschäft mit der Kinematographie. Und er war anderes von den Pirmasensern gewohnt. Es bedurfte dem Pirmasenser Publikum wohl einer gewissen Gewöhnung an feststehende Kinopaläste, die aus den anfangs kleinen Buden der mobilen Wanderkinematographen, die vor allem die Jahrmärkte der Republik besuchten, hervorgegangen waren.

Auch Heinrich Ohr war lange Zeit mit einem Wanderkino unterwegs und hat einen großen Anteil an der Verbreitung des neuen Mediums in Süddeutschland. Ohr stammte aus einer traditionsreichen Pirmasenser Schaustellerfamilie und besuchte in seinen Wanderjahren auch mehrfach die Märkte in der Stadt. Doch nicht nur das: In der kälteren Jahreszeit, außerhalb der Marktsaison, zeigte er Filme in angemieteten Räumen – im Café Luitpold am Schloßplatz oder im katholischen Vereinshaus – und zählte damit auch zu den Saalspielern, die genau wie die Wanderkinobetreiber dafür sorgten, dass die Kinematographie sich immer größerer Beliebtheit erfreute. Pirmasens diente in dieser Zeit auch vielen anderen Schaustellern als Winterquartier, nicht zuletzt weil hier die Schaustellerzeitschrift „Komet“ erschien.

Heinrich Ohr
Heinrich Ohr

Buden werden zu Palästen

Nach und nach wurden aus den kleinen Jahrmarktsbuden, in denen Filme gezeigt wurden, prachtvolle Bauten. Das Wanderkino von Heinrich Ohrs Bruder Ludwig wurde in der zeitgenössischen Presse als ein solch „rollender Palast bezeichnet“. Doch im Laufe der Zeit nahm die Anzahl der Wanderkinos ab, stattdessen wurden ortsfeste Kinos immer häufiger. Anders als die meisten Wanderkinobetreiber, die sich einfach eine neue Attraktion suchten und weiter auf Reisen waren, blieb Ohr beim Kino – und wurde sesshaft. Anfang 1910 eröffnete er in seiner Heimatstadt das „Union-Theater“ in der Seitz’schen Halle der Parkbrauerei. Es war nicht das erste ortsfeste Kino der Stadt, das stand bereits 1908 in der Hauptstraße links vor der Einbiegung in die Sandstraße, hatte aber nicht lange Bestand.

Das „Union-Theater“ wurde 1914 geschlossen. Grund für die Schließung war die Eröffnung eines neuen, größeren, Kinos im November 1913: Das Walhalla-Theater. Zudem übernahm Heinrich Ohr das Palast-Theater in der Ringstraße. Das Walhalla-Theater galt bei seiner Eröffnung als eines der schönsten Kinos in Süddeutschland. Und was lief zur Eröffnung? Damals war es noch üblich, ein ganzes Programm aus mehreren Filmen über den Abend zu zeigen, nicht nur einen einzigen Film. Abendfüllende Spielfilme waren nämlich in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg noch unüblich. So liefen neben nachrichtlichen (Das Pathé-Journal), dokumentarischen (Kirchgang und Huldigung des bayrischen Königs Ludwig III.), komischen („Willy gedenkt zu heiraten“) und leicht-schlüpfrigen Beiträgen („Das verhängnisvolle Beinkleid“) die zwei etwas längeren Filme „Der Seelenverkäufer“ (ein russisches Drama) und „Verzweifelter Abschied“ (eine Zirkus-Tragödie).

Eine Zeitungsanzeige vom Eröffnungsprogramms des Walhalla-Kinos am 15. November 1913.
Eine Zeitungsanzeige vom Eröffnungsprogramms des Walhalla-Kinos am 15. November 1913.
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