Neustadt Erinnerungslücken und Kommunikationsmängel

Das Unglückskarussell: Im August 2014 starb ein Mädchen im Fahrgeschäft „Spinning Barrels“.
Das Unglückskarussell: Im August 2014 starb ein Mädchen im Fahrgeschäft »Spinning Barrels«.

Nicht zum ersten Mal offenbarten sich in der Berufungsverhandlung um den tödlichen Unfall eines elfjährigen Mädchens im August 2014 am Fahrgeschäft „Spinning Barrels“ im Holiday Park vor dem Frankenthaler Landgericht Kommunikationsmängel innerhalb der Parkbelegschaft. Gestern zeigten sich diese auch bei Führungskräften.

„Erstaunlich“ nannte der Zeuge, der zum Unglückszeitpunkt Parkmanager in Haßloch war und heute Leiter der Verwaltung ist, am gestrigen Nachmittag die Aussagen des Technischen Leiters, der am Vormittag gehört wurde, hinsichtlich der Bearbeitungsvorgänge von Mängeln an den Fahrgeschäften. Während für den Technischen Leiter die To-do-Liste – ein Papier, auf dem auszuführende Arbeiten nach Prioritäten sortiert aufgeführt waren – die oberste Priorität hatte, waren es für den Parkmanager die Tagesprotokolle, die an jedem Fahrgeschäft geführt wurden. Wichtige Reparaturarbeiten an den Fahrgeschäften waren nach Meinung des damaligen Parkmanagers in einer roten Mappe zu protokollieren. Diese rote Mappe wird allerdings für die „Spinning Barrels“ seit dem Unfall im August 2014 vermisst. Der Technische Leiter wusste nach eigenem Bekunden nicht, wer für die Führung der To-do-Liste letztlich verantwortlich war, wer die Eintragungen und die Markierungen dafür, dass die Arbeiten ausgeführt wurde, in der Liste verzeichnete. Das war nach eigenen Aussagen der Parkmanager. Bei Staatsanwalt Torsten Lenz löste dieses Aussageverhalten Kopfschütteln aus. Er fragte sich, ob der Technische Leiter unter Gedächtnisverlust leide. Einig waren sich die Führungskräfte , dass ein intaktes Mikrofon an den „Spinning Barrels“ als sicherheitsrelevant eingestuft wurde, damit Fahrgäste auf den Fahrtbeginn aufmerksam gemacht werden konnten. Warum ein Anfang Juli 2014 als defekt gemeldetes Mikrofon an den „Spinning Barrels“ erst am 10. August als erledigt aus der Liste ausgetragen wurde, konnte der Technische Leiter nicht erklären. Der Parkmanager sagte, dass die Austragungen immer erst im persönlichen Gespräch in Meetings der Abteilungsleiter erfolgt sei. Deshalb sei es nicht ungewöhnlich, dass der Mangel erst Wochen nach seiner Meldung aus der Liste entfernt worden sei. Mit einem defekten Mikrofon hätte das Fahrgeschäft nicht betrieben werden dürfen. Insbesondere die nachlässige beziehungsweise löchrige Dokumentation der Mängel wurde bei den ausführlichen Befragungen der Klägerseite den Führungskräften vorgehalten. Angeklagt ist ein Operations Manager und ein Steward, die im ersten Verfahren freigesprochen wurden. Ein Techniker sitzt nicht auf der Anklagebank. Erinnerungslücken waren es auch, die den Vater des getöteten Mädchens ein wenig aus der Fassung brachten. So konnte sich der Technische Leiter nicht daran erinnern, ob er am Unglückstag direkt das Mikrofon auf seine Funktionsfähigkeit geprüft hat. Beide Führungskräfte konnten keine Aussagen darüber machen, ob das Mikrofon an dem Fahrgeschäft nach dem Unglück ausgetauscht worden ist. Staatsanwaltschaft und die Nebenklage-Anwälte wollen auf den Bildern der Polizei und denen eines Fernsehsenders erkannt haben, dass unterschiedliche Mikrofone an dem Bedienstand lagen. Der Technische Leiter konnte sich ebenfalls nicht mehr daran erinnern, ob das extra aus Belgien angereiste Parkmanagement noch einmal – neben dem von der Polizei bestellten Gutachter – eigene Tests an dem Fahrgeschäft durchgeführt hat. Der damalige Parkmanager gab an, dass er ebenfalls nicht wusste, was die Führungskräfte aus Belgien in dem Park gemacht haben, auch nicht später darüber informiert worden sei. Nebenklageanwalt Frank Peter, der die Mutter des getöteten Mädchens vertritt, sagte zu dem Technischen Leiter: „Ich glaube nicht, dass Sie sich nicht mehr daran erinnern können.“ „Ja, das habe ich gesagt“, bestätigte der Technische Leiter auf Vorhalt dann, dass er kurze Zeit nach dem Unglück geäußert haben soll, die technische Abteilung sei „aus dem Schneider“, sprich, dass sie keine Schuld an dem Unglück treffe. Warum er diese Äußerung gemacht hat, diese Erklärung blieb er gestern vor dem Gericht allerdings schuldig. Einen wenig überzeugenden zweiten Auftritt hatte am gestrigen Verhandlungstag der Gutachter des Technischen Überwachungsvereins (TÜV), der am Unglückstag zur Untersuchung bestellt worden ist. Da er dies nicht gleich nach dem Unfall getan hatte, wurde er in einer der jüngsten Verhandlungen vom Vorsitzenden Richter Uwe Gau damit beauftragt, die Kontakte an den Eingangstüren an den „Spinning Barrels“ durchzumessen. Sein gestern berichtetes Ergebnis: Die Kontakte sind defekt. Ob dies jedoch bereits zum Unglückszeitpunkt so gewesen war, konnte er nicht sagen, da er keine Ist-Erhebung vom Zustand des Fahrgeschäftes am Unglückstag dokumentiert hat. Nach bisherigen Erkenntnissen muss davon ausgegangen werden, dass das Fahrgeschäft trotz offener Eingangstüren zur Unglücksfahrt gestartet wurde. Dies soll aber laut Parkleitung gar nicht möglich gewesen sein. Zeugen sagten aus, dass beim ersten Test nach dem Unglück das Fahrgeschäft bei offenen Türen nicht startete. Erst nachdem die Polizei die Tür versucht hatte, gewaltsam zu öffnen, sei dies möglich gewesen. Fortgesetzt wird das Berufungsverfahren am 27. Juni um 13 Uhr.

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