Neustadt Auf das Lob folgt ein „Aber“

Einer der ersten, die an den RHEINPFALZ-Stand kommen, um eine Lanze für den Stadtteil zu brechen, ist Ernst Ohmer, Leiter des Altenheims St. Ulrich. „Die Lebensqualität hier ist gut“, betont er. Gerade in der Konrad-Adenauer-Straße, wo das Caritas-Altenheim liegt, herrsche ein gutes, nachbarschaftliches Klima. Das Altenheim habe auch eine Funktion als Treffpunkt. „Hier kommen ganz unterschiedliche Gruppen zusammen.“ Ohmer hat auch Ideen für die Weiterentwicklung Winzingens. So könnte er sich ein Projekt „Wohnen und Pflege im Alter“ vorstellen, wie es bereits für Branchweiler geplant ist. Auch Olaf Kleinschmidt hebt die Vorzüge des Stadtteils hervor. „Es ist ein Viertel zum Wohlfühlen.“ Dass die Martin-Luther-Straße stark befahren sei, stimme zwar. Doch man könne doch nicht immer alles nur negativ sehen. Schließlich sei es ein großer Vorteil, dass in der Straße drei Einkaufsmärkte angesiedelt seien. Gleichwohl räumt er ein, dass die Überquerung der Straße besonders zwischen Robert-Stolz-Straße und Martin-Luther-Kirche nicht einfach sei. Als großen Pluspunkt führt er die Alte Winzinger Kirche an, die ein attraktiver Treffpunkt sei. Dort sind seit vielen Jahren Ursula Baade und Rosel Müller in der Fördergemeinschaft aktiv. Die Winzinger liebten ihre historische Kirche, bestätigt Baade. „Wir haben hier viele Taufen, Hochzeiten und Jubiläen.“ Und die Konzerte, die regelmäßig veranstaltet werden, seien immer gut besucht. Doch die beiden Frauen wissen auch, wo der Schuh drückt in Winzingen. Rosel Müller erzählt, dass sie sich abends nicht mehr traue, zwischen Festwiese und Winzinger Straße durchzulaufen. „Da hängen so viele Leute herum, da habe ich Angst“, sagt sie. Und schmutzig sei es dort auch. „Die Leute füttern die Tiere im Bach mit Brot, lassen die Tüten einfach liegen und reagieren uneinsichtig, wenn man ihnen sagt, dass das nicht in Ordnung ist.“ Ursula Baade weist außerdem auf das Problem mit zu schnellem Fahren hin. Obwohl in den Gassen Altwinzingens überall Tempo 30 vorgeschrieben sei, werde teilweise schneller als 50 gefahren. „Hinsichtlich der Lebensqualität gibt es nichts zu meckern“, meint Franz Appel. Er bemängelt aber den Taubendreck im Ibag-Tunnel, der auf fehlende Abwehrmaßnahmen zurückzuführen sei. Wie die RHEINPFALZ am 3. Mai berichtete, waren die Bleche von der Feuerwehr abgenommen worden, nachdem es aus der Bevölkerung Hinweise auf dahinter befindliche Nester mit Jungvögeln gegeben hatte. Die für die Abwehrmaßnahmen zuständige Bahn – für die Verkehrssicherung und die Reinigung des Tunnels ist hingegen die Stadt verantwortlich – hatte daraufhin angekündigt, wieder entsprechende Bleche anzubringen. Doch sei bislang nichts geschehen. „Die Vögel kümmert nicht, wer für sie zuständig ist“, meint Appel dazu. Rund um die Josefskirche sammle er einmal pro Woche einen Sack Müll, erzählt er: Essensreste, Bierflaschen und Getränkedosen würden dort regelmäßig in die Grünanlagen geworfen. Weitgehend zufrieden äußert sich Elisabeth Pomplun über ihr Stadtviertel: Alles Wichtige für die tägliche Versorgung sei vorhanden, das Klima und die Atmosphäre seien in Ordnung. Einzig der Zustand des Georg-Kerschner-Wegs – die Verbindung vom Parkplatz des Amtsgerichts zur Berufsbildenden Schule – sei nicht in Ordnung: „Der Belag ist so grob, das tut an den Füßen weh“, meint sie. Der Missstand wäre ihrer Meinung nach „mit ein wenig Teer“ schnell zu beheben. Hans Manger, der Vorsitzende des Clubs Behinderter und ihrer Freunde (CeBeef), fühlt sich in Winzingen eigentlich wohl, bemängelt aber, dass es generell in Neustadt zu wenig Wohnraum und zu wenige Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung gebe: Zwar sei die Wohnungsbaugesellschaft (WBG) sehr engagiert, frei werdende Wohnungen nach behindertengerechten Standards zu renovieren, doch müssten Behinderte mit vielen Einschränkungen leben. Als Beispiel nennt er nicht-behindertengerechte Toiletten in Gaststätten: „Ich kann ja nichts trinken, wenn ich nicht auf die Toilette kann“, sagt er. Auch die Alte Winzinger Kirche könne er nicht ohne Unterstützung erreichen: Zur „Redaktion vor Ort“ kam er mit Hilfe zweier Männer, die ihn mit seinem Rollstuhl die Treppe hochbugsierten. „Solche Einschränkungen sind ja nicht böswillig, man denkt einfach nicht dran, oder es ist zu teuer“, meint er. Der Begriff Inklusion sei zwar allgegenwärtig, doch kaum einer mache sich klar, was es damit auf sich habe. Über teils skandalöse Zustände rund um den Rewe-Markt ärgert sich Günter Schönbach: „Tagsüber laufen einem da die Ratten über die Füße“, sagt er zum Thema Sauberkeit. Er beklagt die Verkehrssituation in der Martin-Luther-Straße mit den drei Supermärkten, zu schnelles Fahren in den 30er-Zonen, fehlenden Parkraum und mangelndes politisches Engagement zur Verbesserung der Lebensumstände in Winzingen. Schönbach verweist auf eine Begehung des Viertels mit dem Innenstadtbeirat im Jahr 2015: „Wir haben das danach mit einem 40-Punkte-Plan aufgearbeitet, passiert ist außer der Sanierung des Sportplatzes am Kurfürst-Ruprecht-Gymnasium so gut wie nichts“, sagt er. Unter anderem sei vorgeschlagen worden, rund um die Unterkünfte für Asylbewerber in der Landwehrstraße ein „Urban gardening“-Projekt zu initiieren, um die Integration zu fördern und einen Treffpunkt für Winzingen zu schaffen. „Seitens der Stadt hieß es dann, man brauche die Fläche zur Versickerung und als Parkraum“, ärgert er sich: „Gute Vorschläge werden einfach abgebügelt“, kritisiert er. „Eigentlich ganz zufrieden“ ist Walter Duffing, der seit 1984 in Winzingen lebt. Aber: „Die Baustellen dauern zu lange und das Umfeld ist eben, wie es ist, aber wir können uns nicht beklagen“, meint er. „Ich würde nicht mehr hierher ziehen“, sagt dagegen eine Anwohnerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen mag: „Wir fühlen uns abgehängt“, meint sie. Der viele Verkehr verursache Lärm und Dreck, es fehle an Plätzen zur Begegnung: Die Pächterin der Cafébar „Winzig“ habe sich nach Kräften bemüht, unterschiedlichste Klientel anzusprechen, um für eine Belebung des Grünzugs Wallgasse an der Festwiese zu sorgen, habe aber keinerlei Unterstützung erfahren und schließlich entnervt aufgegeben, erzählt die Dame. „In Hambach wäre das nicht passiert“, ist sie überzeugt. Dass der Grünzug Wallgasse unter mangelnder Sauberkeit leidet, sagt auch Roswitha Oswald-Mutschler. Familien mit Kindern hätten ein weiteres Problem: Die Kindergartenplätze reichten nicht aus. Es sei an der Zeit, dass die Politik ihren Blick stärker auf Winzingen richte. Ehemann Friedhelm Mutschler gehört zu denjenigen, die die positiven Seiten hervorheben. „Das Viertel ist lebens- und wohnenswert“, unterstreicht er. Und in Winzingen gebe es auch noch immer ein Wir-Gefühl. Als der Verein Winzina, dessen Vorsitzender er ist, vor acht Jahren die Schilder „Winzingen“ aufgestellt habe, sei die Resonanz „ganz toll“ gewesen. Auf den Mangel an Parkplätzen weist Monika Weimar, Gemeindesekretärin der protestantischen Martin-Luther-Gemeinde, hin. Was ihr ebenfalls missfällt, ist die Entwicklung des Abenteuerspielplatzes am Böbig. „Früher war das ein Spielplatz, der auch bei Kindern aus anderen Stadtteilen besonders beliebt war“, sagt sie. Das sei längst vorbei. Corinna Seiler, Mitarbeiterin der Gruppe Ökumenische Integration Winzingen, möchte vor allem einen Appell an Immobilienbesitzer loswerden: Wer eine leer stehende Wohnung hat, solle sie vermieten, sagt sie – auch an Flüchtlinge. Denn die Wohnungsknappheit in der Stadt sei ein großes Problem für anerkannte Flüchtlinge, für die die städtischen Sammelunterkünfte eigentlich nicht gedacht seien. „Sie bleiben aber drin, weil sie sonst auf der Straße stehen.“ Das Zusammenleben mit den Neuankömmlingen funktioniere gut, allerdings bräuchten viele Flüchtlinge Hilfe, wenn sie Post von einer Behörde bekommen. „Das verstehen die meistens nicht“, unterstreicht Werner Jöhlinger, der sowohl in der Kirchengemeinde als auch in der Ökumenischen Integrationshilfe aktiv ist. Die beiden wünschen sich noch mehr Unterstützung.

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