Neustadt Alt und neu verträgt sich gut

Die neue Vinothek entstand aus einem alten Lager- und Heizungsraum. Viele interessante Details wie etwa der Türgriff mit den ein
Die neue Vinothek entstand aus einem alten Lager- und Heizungsraum. Viele interessante Details wie etwa der Türgriff mit den eingeätzten von Buhl’schen Weinranken offenbaren sich erst bei näherem Hinschauen.

«Deidesheim». Die Verwandlung des hässlichen Entleins in einen schönen Schwan muss kein Märchen sein. Im Deidesheimer Weingut Reichsrat von Buhl ist sie gelungen. Hier wurde aus einem alten Heizungskeller und einem ebenso finsteren Lagerraum eine lichtdurchflutete Vinothek, bei der die Kombination der alten Bausubstanz mit modernen Materialien und Formen besticht. Am nächsten Wochenende ist sie eines von zwei Beispielen aus unserer Region, die beim „Tag der Architektur“ vorgestellt werden.

Ziel der im vergangenen Jahr abgeschlossenen Renovierung war es, für das 1849 gegründete, denkmalgeschützte Spitzenweingut einen attraktiven Verkaufsraum zu schaffen, der auch mehr Laufkundschaft anzieht. Um das Weingut dafür optisch zur Straßenseite hin zu öffnen, hat die Fassade eine große Glastür erhalten. Kein Stilbruch, sondern eine moderne Wiederherstellung der ursprünglichen Straßenfront, ist doch auf alten Bildern zu sehen, dass es hier einmal eine Durchfahrt gab. Das war mit maßgeblich für die Zustimmung des Denkmalschutzes. Und so konnte die Passage zu einem hellen und großzügigen Vorraum der Vinothek werden. Der Zugang erfolgt über den Hof. Wie gut durchdacht die Gestaltung im Detail ist, zeigt sich den Kunden schon, wenn sie den mit dezenten Weinranken verzierten Griff der Glastür in die Hand nehmen. Stammkunden erkennen, dass diese Weinranken auch den Briefkopf des Weinguts Reichsrat von Buhl zieren. Eine liebenswerte Spielerei, „schön und wirkungsvoll, und sie kostet nicht die Welt“, erläutert der Speyerer Architekt Mathias Henrich, der mit seinem Büro nicht nur die Vinothek gestaltete, sondern im Obergeschoss auch moderne Büros und zwei stilistisch ganz unterschiedliche Probierräume. Schon von außen fällt auch der durchgängige Kontrast zwischen alt und neu auf. „Wir haben ihn bewusst gesucht“, sagt Henrich und deutet auf die Fenster des Verkaufsraums zum Hof hin. „In Anlehnung an die alten Sandsteingewände haben wir hier schmale Stahlgewände eingelassen.“ Stahl? Ja, Stahl, denn aus Stahl werden Geräte und Maschinen gebaut, die im Weinbau Verwendung finden und jetzt eben auch in der Gestaltung der Innenräume. Aus gewalztem schwarzem Stahl, „so wie er aus der Maschine kommt“, bestehen die Seitenteile der hohen schlanken Tische im Vorraum. Im Licht schimmern sie wie kostbare Seide. Zwei von ihnen rahmen ein querliegendes Kellerfenster aus Sandstein ein. Es dürfte aus dem 18. Jahrhundert stammen und bildet einen stilvollen Rahmen für einen Blick in den Keller. Dort wird an den Weinen gearbeitet, die der Kunde in der Vinothek verkosten und kaufen kann. Wer den Blick nach oben richtet, sieht rechts und links zwei alte Fassböden. Sie wurden, um ihnen das Verstaubte zu nehmen, in Aluminium-Passepartouts gefasst. Das Spiel mit alt und neu setzt sich in der Vinothek fort: im Mittelpunkt ein großer Tisch, auch er aus Stahl und – in Anlehnung an die Weinfässer – Eiche. Darauf liegt in kleinen Gruppen, raffiniert in Vertiefungen der Tischplatte angeordnet, eine Reihe von Flaschenweinen des Weinguts. Werden die Flaschen herausgenommen, lassen sich die Vertiefungen mit schwarzen Füllelementen so abdecken, dass die Tischplatte eben ist. Souvenirjäger aber haben keine Chance, wie Klaus Küsters, der Leiter der Vinothek, zeigt. Ein Metallkern sorgt für so festen Halt, dass die Elemente sich nur mit einem besonders starken Magneten, selbstverständlich versehen mit dem Wappen des Hauses, wieder lösen lassen. Vom Tisch aus schweift der Blick durch den Raum. Nichts erinnert mehr an den ehemaligen Lagerraum, nichts an den daneben liegenden Raum mit der alten Heizungsanlage. Die Zwischenwand wurde entfernt, der alte Boden durch Platten aus Basaltgestein ersetzt, eine Hommage an Basalt-Weinlagen wie Forster Pechstein oder Forster Ungeheuer. Basalt deckt auch die Theke. Ihr Unterteil ist wie eine Mauer aus winzigen Kalksteinen gestaltet. Der für die Region so charakteristische Buntsandstein, aus dem der Raum errichtet ist, blieb an zwei Wänden erhalten. Gut sichtbar geblieben ist auch der Torbogen, der aus dem Raum hinausführt. Er war zu Beginn der Renovierungsarbeiten noch zugemauert, jetzt füllt ihn eine Glastür aus. Sehenswert auch die Sandsteinmauer zur Straßenseite mit einem schrägen Fenstersims. Die Leiste des Fensters darüber wurde minutiös in die unregelmäßige Struktur der Mauer eingefügt. Natürlich kann in der Vinothek auch probiert werden. Das allerdings im Stehen. Für Weinproben im Sitzen wurden im Obergeschoss zwei Probierräume neu gestaltet. Der eine ist ganz modern mit schlichten schwarzen Stühlen gestaltet. Der rund fünf Meter lange Tisch, auf dessen eine Ecke in mattem Gold dezent der Schriftzug „Weingut Reichsrat von Buhl“ aufgebracht ist, lässt sich mit wenigen Handgriffen in einen Stehtisch verwandeln. Die Verbindung zur Historie schaffen zwei geschnitzte Anrichten. Ganz im Kontrast dazu steht der zweite Raum: große Stühle, mit rotem Samt bezogen, ein Tisch, für den ebenfalls alte Teile verwendet wurden. Hinter Vorsatzfenstern sind noch die alten bleiverglasten Bestandsfenster zu sehen. Original ist ein kleiner Brunnen aus dem 19. Jahrhundert mit Fisch und sichtbaren Lebensspuren. Auch die Wand- und Deckenleuchten stammen noch aus längst vergangenen Zeiten. Die großen gläsernen Traubenbündel, die an ihnen hängen, finden eine Entsprechung im Verkaufsraum. Dort hängen ganz schlichte, an Einzeltrauben erinnernde Glasleuchten an Stahldrähten über dem großen Tisch. Termine Die Vinothek des Weingut Reichsrat von Buhl, Weinstraße 18, in Deidesheim, ist beim „Tag der Architektur“ am Samstag, 24. Juni, 14–18 Uhr und am Sonntag, 25. Juni, 11-18 Uhr zu besichtigen.

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