Ludwigshafen Theater grenzenlos

im Nebel: Quendra Multimedia aus Prishtina in ihrer flotten und amüsanten Aufführung.
im Nebel: Quendra Multimedia aus Prishtina in ihrer flotten und amüsanten Aufführung.

Bühnenstücke und viel Musik haben das dreitägige Festival „Offene Welt“ des Theaters im Pfalzbau geprägt, das am Wochenende zum vierten Mal in Ludwigshafen veranstaltet worden ist. Höhepunkt war wieder das Weltfest mit Darbietungen von Vereinen verschiedener Nationen. Rund 1000 Besucher kamen zu dem Fest ins Theater, darunter 300 Flüchtlinge.

Wenn sich in dem Stück „Crossing Borders“ von Mahala International am Ende der eiserne Vorhang hebt, der die Hinterbühne von der großen Bühne des Theaters im Pfalzbau trennt, dann symbolisiert ein einziger Akt den Titel des Stücks und den Titel des Festivals: Grenzen sind überschritten, ein Freiraum zu einer offenen Welt ist geschaffen. Von Selbstüberwindung, vom Überschreiten von Grenzen im buchstäblichen und im übertragenen Sinn handelt Luise Rists Theatertext. Ihre jugendlichen Darsteller nehmen neue Identitäten und sprechende Namen an. „Wir schaffen das“ nennt sich eine, „Ich bin anders“ eine andere. Die zwölf Darsteller der aus Flüchtlingen und Ludwigshafener Jugendlichen bestehenden Theatergruppe stapeln geheimnisvoll leuchtende Tortenschachteln zu einem Turm und bringen ihn zum Einsturz. Wenn dann der Berliner Platz als Drehort von Szenen eines eingespielten Videofilms zu erkennen ist, denkt man natürlich an die „Tortenschachtel“. Seit dem Abriss des kreisrunden Kaufhauses gleicht der Berliner Platz einer Trümmerlandschaft. „Es ist nicht schön hier. Aber ich mag den Platz“, sagt eine Stimme im Film. „Bei mir zu Hause gehen wir nicht mehr auf den Platz. Wir haben Angst“, eine andere. In Sicherheit und frei von Todesangst erscheint selbst das Hässliche schön. Flucht und Migration sind in „Crossing Borders“ zwar deutlich, aber nicht aufdringlich angesprochene Themen. Sicher, es geht um Visa und Passkontrollen, aber auch um Heimat und Heimweh, allgemein um Selbstfindung und das vorsichtige Austarieren der Grenzen des anderen. Luise Rist inszenierte ihr Stück visuell ansprechend mit wenigen Requisiten wie weißen Tüchern und Stoffbahnen. Zum Gelingen ihrer für ein Laientheater sehr beachtlichen und am Ende mit viel Beifall bedachten Vorstellung trägt nicht zuletzt die Musik des Multiinstrumentalisten Hans Kaul bei. Und unter ihren jugendlichen Darstellern, die Lieder auf Englisch, Arabisch, Kurdisch und Farsi singen, finden sich ein paar echte Gesangstalente. Noch mehr Musik gab es dann auf dem Weltfest. Volker Staubs One Earth Orchestra war wieder dabei, Folklore- und andere Musikgruppen wie der Bahnhofshelferchor wechselten sich im Gläsernen Foyer ab. 300 Flüchtlinge waren in ihren Sammelunterkünften in Frankenthal, Worms, Ludwigshafen und Heidelberg von Bussen abgeholt worden. In dem Festtrubel begannen die Augen der kleinen Kinder zu leuchten. An Ständen gab es Essen aus neun Nationen, ausgegeben von Frauen in ihren Trachten. Besonders reich gedeckt war der marokkanische Stand, am längsten geöffnet der koreanische. Ein Leckerbissen vor allem für Albaner war zum Abschluss des Festivals der Auftritt von Quendra Multimedia aus dem Kosovo. Von der in ihrer Heimat für ihre provokanten Aufführungen bekannten Truppe war die deutsche Erstaufführung eines Stücks von Jeton Neziraj mit einem ellenlangen Titel auf Albanisch mit deutschen Übertiteln zu sehen. „Ein Theaterstück mit vier Schauspielern ein paar Schweinen ein paar Kühen ein paar Pferden einem Ministerpräsidenten einer Milka-Kuh und ein paar einheimischen und internationalen Inspektoren“ spielt in einem heruntergekommenen Schlachthaus und macht sich lustig über die beflissenen Anstrengungen des Kosovo, in die EU aufgenommen zu werden. Drei Schauspieler und eine Schauspielerin legen, begleitet von einem Schlagzeuger und einem E-Gitarristen, ein flottes, sehr amüsantes Kabaretttheater hin. Es geht um Korruption und Pferdefleisch-Skandale, Ein- und Austritte aus der EU, um EU-Normen und Bürokratisierungswahn, um erbitterte Konkurrenz und die alte Feindschaft mit Serbien. Da bekommt die Auskunft an einen Inspektor: „Das hier ist seit 1000 Jahren ein Schlachthof“ eine doppelte Bedeutung. Die Aufforderung zum Schluss, sich doch in Brüssel zu beschweren, wenn das Stück nicht gefallen habe, wäre nicht nötig gewesen. Es gab viel Applaus.

Eine Szene aus „Crossing Borders“ mit Mahala International.
Eine Szene aus »Crossing Borders« mit Mahala International.
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