Ludwigshafen Königinnen ohne Freiheit

Nadja Robiné als Königin Elisabeth mit ihrem Kronrat (von links): Lutz Salzmann als Shrewsbury, Sebastian Kowski als Burleigh un
Nadja Robiné als Königin Elisabeth mit ihrem Kronrat (von links): Lutz Salzmann als Shrewsbury, Sebastian Kowski als Burleigh und Max Landgrebe als Elisabeths opportunistischer Liebhaber Leicester.

Auf Andreas Kriegenburgs eher unpolitische, auf die Sprache bedachte „Maria Stuart“ von den Münchner Kammerspielen folgte nun bei den Mannheimer Schillertagen Markus Bothes Sicht auf den Krieg der Königinnen. Seine emotionale Inszenierung versuchte, Schillers Tragödie so weit als möglich in die Gegenwart zu holen. Die Aufführung kam vom Deutschen Nationaltheater Weimar.

Gleich die erste Szene erscheint wie ein alptraumhaftes Sinnbild der mit eiserner Notwendigkeit ablaufenden Handlung. Winzig klein steht Johanna Geißler als Maria Stuart weit hinten auf der Bühne vor einer riesigen Mauer. Während die Ehebrecherin und Auftragsmörderin von der schweren Schuld, die sie auf sich geladen hat, spricht, rückt die Wand immer weiter vor bis zum Bühnenrand. Sie mag sich noch so sehr mit aller Kraft gegen die vorrückende Mauer stemmen, die kleine Frau wird gedrückt und geschoben. Schließlich bleibt ihr nur noch ein winziger klaustrophobischer Raum zwischen Mauer und Bühnenrand, ganz dicht vor dem Publikum: ein Bild für den Kerker, in dem die schottische Königin im feindlichen England gefangengehalten wird. Doch Marias Gegenspielerin, die englische Königin Elisabeth, gespielt von Nadja Robiné, ist auch nicht viel freier. Mag sich die Herrscherin auch in der überlegenen Position befinden, so ist sie doch eine Gefangene der Staatsräson und des Volkswillens, die den Tod der katholischen Thronprätendentin im protestantischen England fordern. Elisabeth ist zerrissen zwischen politischem Kalkül und dem Recht, das es ihr verbietet, über einen Menschen, der sich zu ihr geflüchtet hat und nicht ihr Untertan ist, Gericht zu halten. Ganz abgesehen davon, dass es ohne Beispiel ist, eine Königin dem Henker auszuliefern. Auch Elisabeths Ratgeber, die Lords, die sie umgeben, sind in zwei Fraktionen gespalten. Schillers Drama buchstabiert aber nicht nur diesen politischen Konflikt aus. Auch auf der persönlichen Ebene spielt es den Machtkampf zweier hasserfüllter Frauen durch, die sich in ihrer Eitelkeit und Rivalität spinnefeind sind. Auf dem Höhepunkt dieses sonst nur aus der Ferne zwischen Kerker und Thronsaal ausgefochtenen Kampfes auf Leben und Tod lässt Schiller die Rivalinnen einander persönlich begegnen. Markus Bothe verlegt diesen historisch nicht verbürgten, doch dramaturgisch sehr effektvollen Besuch Elisabeths im Kerker auf eine nicht sehr stabile Brücke hoch droben zwischen zwei Mauern: die dunkelhaarige Nadja Robiné als Elisabeth links in blutrotem Abendkleid, die blonde Johanna Geißler als Maria rechts im schlichten weißen Hemd. Anfangs wirft sich die Gefangene noch der Königin zu Füßen, Elisabeth ihrerseits umarmt Maria halbherzig. Aber bald beschimpfen sich die beiden wie Marktweiber als „Bastard“ und „Hure“. Schließlich spuckt die schottische der englischen Königin ins Gesicht. Wie rasend eilt Elisabeth von der Brücke, Marias Schicksal ist besiegelt. Entgegen der Schillerschen Bühnenanweisung, die die Begegnung vor einer weiten Naturszenerie vorsieht, lässt Bothe in seiner Inszenierung auch nicht einen Hauch freier Natur zu. Robert Schweers Bühnenbild besteht aus riesigen schwarzen Mauern, die bald die Wände eines großen Thronsaals bilden, bald die eines engen Kerkers. Die Lords tragen moderne Anzüge, und Sebastian Kowski in der Rolle des Hardliners Burleigh hält nach einem missglückten Attentat auf Elisabeth eine Pressekonferenz ab, als wäre er der Minister in einer Mediendemokratie. In Bothes ziemlich werktreuer Inszenierung war dies der direkteste Versuch, dem Stück Gegenwartsbezug zu geben. Die beiden Königinnen treten wenig majestätisch auf, Johanna Geißler als Maria sogar ungezwungen wie ein Mädchen von der Straße. Erst nach Marias Hinrichtung erscheint Nadja Robinés Elisabeth mit Halskrause und Reifrock, um ein Unschuldslamm vorzuheucheln, ein paar Sündenböcke vom Hof zu verbannen und sich am Ende triumphierend die Krone aufzusetzen. Heftiger lang anhaltender Beifall vom Mannheimer Publikum.

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