Ludwigshafen Helmut Kohl: „Ein großer Ludwigshafener“

Die Polizei sperrte gestern Abend die Straße rund um Kohls Wohnhaus in Oggersheim ab. Dies geschehe vor allem, um „Privatsphäre
Die Polizei sperrte gestern Abend die Straße rund um Kohls Wohnhaus in Oggersheim ab. Dies geschehe vor allem, um »Privatsphäre und Pietät« für die Familie zu sichern, hieß es aus dem Polizeipräsidium.

Die Nachricht von Helmut Kohls Tod hat Ludwigshafen am Freitag erschüttert. Wir haben mit Weggefährten und Politikern über den Ehrenbürger der Stadt gesprochen – und wie sie Kohl als Mensch und in seinen Ämtern erlebt haben.

„Auch wenn Helmut Kohl ein erfülltes Leben hatte – der Moment des Todes trifft einen immer.“ Oberbürgermeisterin Eva Lohse reagiert bestürzt. Die Präsidentin des Deutschen Städtetags ist auf dem Weg nach Oggersheim zum Kanzlerbungalow in der Marbacher Straße, die von der Polizei abgesperrt und von einigen Kamerateams belagert ist. Maike Kohl-Richter persönlich war es, die Lohse telefonisch informiert und um einen Besuch gebeten hat. Mit der Witwe spricht Lohse über die Modalitäten der Beisetzung in Ludwigshafen, fragt nach, „was sein letzter Wunsch war“, wie seine Frau und Kohls Familie sich eine würdige Verabschiedung vorstellen. „Er war ein großer Politiker, der dem Land viel gegeben hat. Er hat als Ministerpräsident und als Kanzler der Einheit unglaublich viel bewirkt. Seine Friedensidee für Europa und die Wiedervereinigung – das bleibt sein Vermächtnis“, sagt die 61-Jährige, die von Kohl in ihrer Laufbahn protegiert wurde. Mit ihr erobert die CDU 2002 erstmals das Rathaus. „Ich habe ihn immer wieder erlebt. Von seinem schweren Schlaganfall hat er sich aber nicht mehr richtig erholt“, meint Lohse. Die CDU Ludwigshafen trauere mit der Familie Kohl um einen herausragenden Staatsmann, der die Partei in der Stadt geprägt habe, sagt Kreisvorsitzender Ernst Merkel (67). „Wir stehen bedingungslos hinter seiner Lebensleistung.“ Einer, der Kohl seit den Jugendtagen in Friesenheim kennt, ist Berthold Messemer. „Wir hatten schon in der katholischen Jugend eine sehr enge Freundschaft. Kohl war oft bei uns zu Hause und hat uns Geschichten aus der Weltpolitik erzählt, etwa über die Treffen mit Gorbatschow“, erinnert sich der Ehrenvorsitzende der CDU-Stadtratsfraktion. „Er war sehr offen und hat uns mitgegeben, immer den Dialog zu suchen. Das sollten wir den jungen Leuten sagen, die waren ihm sehr wichtig.“ Geschätzt habe er an Kohl, dass er für seine Freunde auch auf dem Höhepunkt seiner Popularität der Helmut geblieben sei. Und standhaft sei er gewesen. „Er hat immer sein Wort gehalten, selbst wenn er unter Druck stand. Auch bei der Spendenaffäre, die eine heiße Geschichte war“, sagt der 80-Jährige. In Friesenheim besuchte Kohl die Rupprechtschule und die Oberrealschule Ludwigshafen – das heutige Max-Planck-Gymnasium. Ab 1960 war er neun Jahre lang Vorsitzender der CDU-Fraktion im Stadtrat. Früh geprägt von Kohl wurde der aktuelle Fraktionschef, Bundestagskandidat Torbjörn Kartes (38): „Bis ich 18 war, kannte ich keinen anderen Kanzler.“ Beeindruckt haben ihn Begegnungen mit Kohl: „Zu JU-Zeiten kam er öfter bei Stammtischen vorbei. Da haben wir offen und ganz ohne Öffentlichkeit miteinander gesprochen.“ Er fühle sich Kohl verpflichtet: „Auch wenn uns Maria Böhmer jetzt lange im Bundestag vertreten hat. Aus meiner Perspektive kandidiere ich in Kohls Wahlkreis.“ Maria Böhmer selbst sagt zu Kohls Tod: „Dieser Verlust wird Deutschland innehalten lassen.“ Stadtrat Heinrich Jöckel (57), der von 1999 bis 2015 an der Spitze der CDU-Fraktion stand und in den 90er-Jahren ihr Geschäftsführer war, schaut sich am Abend Sondersendungen im Fernsehen an: „Da wird einem noch einmal bewusst, was für ein Mann er war: ein großer Europäer, ein großer Kanzler und vor allem auch ein großer Ludwigshafener.“ Bei Gesprächen mit der Ludwigshafener Partei sei der Altkanzler ein aufmerksamer Zuhörer gewesen: „Er hat sich bewusst Zeit genommen für uns, auch wenn er bis nachts wegen Staatskrisen gearbeitet hat.“ Und: „Er hatte ein hervorragendes Namensgedächtnis.“ Landrat Clemens Körner (58) hat ebenfalls persönliche Erinnerungen an Kohl. Er war Anfang der 1980er-Jahre Referent von Theo Magin (Schifferstadt) und während der Bundestagswahlkämpfe mit Listenführer Kohl in der Pfalz unterwegs. „Er hat mir auch vor acht Jahren gratuliert, als ich Landrat geworden bin“, erinnert sich der Dudenhofener. Die Todesnachricht hat ihn „sehr berührt“. Da Kohl zuletzt ständig auf Hilfe angewiesen gewesen sei und kaum noch am öffentlichen Leben habe teilnehmen können, „ist er jetzt aber auch erlöst“, so Körner. „Wir sind tief betroffen“, sagt Maximilian Göbel als Kreisvorsitzender der Jungen Union (JU) Ludwigshafen. „Helmut Kohl war unser Gründungsmitglied. Wir sind eng mit ihm verbunden.“ Der 25-Jährige erinnert sich noch an den Mai dieses Jahres, als die JU Ludwigshafen ihren 70. Geburtstag feierte. „Aus diesem Anlass hat Kohl uns eine signierte Porträt-Fotografie zukommen lassen.“ Als Göbel von Kohls Tod erfuhr, holt er noch mal dessen letztes Buch aus dem Regal. Der Titel: „Aus Sorge um Europa“.

Helmut Kohl empfing in Ludwigshafen viele Staatsgäste, unter anderem im Jahr 1994 den damaligen US-Präsidenten Bill Clinton.
Helmut Kohl empfing in Ludwigshafen viele Staatsgäste, unter anderem im Jahr 1994 den damaligen US-Präsidenten Bill Clinton.
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