Ludwigshafen Der Mann mit Maske kommt aus dem Keller

Marie-Christin Sommer bei ihrer Performance.
Marie-Christin Sommer bei ihrer Performance.

Zur Popmusik gehört schon immer die Inszenierung, die Show. Das Spektrum reicht da vom Liedermacher mit abgewetzter Gitarre bis zum Multimedia-Spektakel. Solche Inszenierungsmöglichkeiten wollte nun auch die Mannheimer Popakademie erproben und bespielte im Rahmen ihrer „Summer Break“-Sessions mit drei Künstlern das Schauspielhaus des Nationaltheaters.

„Wir haben immer mehr szenische Acts, für die unsere Einrichtung an Ton, Licht oder Platz nicht mehr ausreicht“, sagte Udo Dahmen, der Leiter der Popakademie. Dank der freundschaftlichen Beziehung zu Schauspielintendant Burkhard Kosminski konnte die Bühne des Schauspielhauses für einen Abend genutzt werden. Für drei Studenten der Popakademie war der Auftritt die praktische Prüfung zum Abschluss ihres Studiums. Spannend für das Publikum waren die ganz unterschiedlichen Herangehensweisen. Wie die Prüfer werteten, wurde nicht öffentlich gemacht. Der Abend begann mit dem Duo Haller und Kraus. Singer/Songwriter Martin Haller hat seinen Abschluss schon geschafft, Prüfling war der Mann am Schlagzeug, Sebastian Kraus. Er begleitete Haller, der sonst solo mit Gitarre auftritt. Kraus hatte die passenden Grooves auf dem Drumset parat. Es gab Lichteffekte, worauf Haller eigens hinwies. „Krausi“ habe sich die ausgedacht und steuere das Ganze. Nun waren die Lichteffekte ein nettes Gimmick, es wäre aber auch ohne gegangen. Ein echter Kracher war zum Finale die Blassportgruppe, welche die beiden mit fettem Sound unterstützte. Die folgenden Künstler trieben deutlich mehr multimedialen Aufwand. Splittermann ist die rappende Kunstfigur, die Tim Golla erschaffen hat. Der 27-Jährige tritt mit einer Maske auf, was er auch ironisch anspricht, denn damit ist er nicht der Erste. Der Auftritt beginnt weit weg im Keller des Theaters und wird auf einer Projektionswand übertragen. Zwei gesichtslose „Butler“ haben alle Mühe, Splittermann für seinen Auftritt fit zu machen. Im Folgenden entwickelt sich dieser immer mehr zu einer irritierenden Mischung aus Narr, Kobold und Provokateur. Felljacke, derbe Stiefel und Feder-Kopfputz geben der Figur etwas Archaisches. Die Stimme ist elektronisch verfremdet und klingt wie ein Dämon in einem 1970er-Jahre-Gruselfilm. Dazu gibt es Videobilder von den Ausschreitungen beim Hamburger G20-Gipfel oder vom Ausnehmen einer Forelle. Schließlich marschiert eine Art Zombie-Armee auf die Bühne, die Butler versuchen Ordnung zu schaffen, während Splittermann die Nerven des Publikums strapaziert. Noch aufwendiger setzte sich Meerkatzenblau in Szene. Marie-Christin Sommer ist eine 29-jährige Künstlerin, die Video, Schauspiel und Musiktheater zu einem Ganzen verbindet. Inhaltlicher Kern ist der Vorwurf, das kapitalistische System erzwinge unerbittlich die moralische Deformation des Menschen. Das wird brillant in Szene gesetzt. Zehn Darsteller haben Rollen, ein Dutzend Statisten kommt dazu. Die Künstlerin selbst rappt und singt. Sie studierte Popmusikdesign mit Schwerpunkt Komposition – aber sie hat offensichtlich enorme Talente in Performance, Dramaturgie und Regie. In den Texten und Einspielern werden Wissenschaftler, Philosophen und Manager zitiert. Was nach soziologischem Seminar klingt, hat auf der Bühne mitreißenden Unterhaltungswert. Es gibt eine Schlagerparodie, bei der die Künstlerin als Monroe/Madonna-Typ singt. Text und Musik sind so perfekt genretypisch, dass Helene Fischer damit sofort einen Hit hätte.

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