Queichheim Wie geht man mit Autisten um?

Das Puzzle-Herz ist weltweit das Symbol für eine Autismus-Spektrum-Störung.
Das Puzzle-Herz ist weltweit das Symbol für eine Autismus-Spektrum-Störung.

Dienstag, 2. April, ist Welt-Autismus-Tag. Darauf weist Petra Spies hin, die Leiterin der Fachstelle Autismus des Caritas-Förderzentrums St. Laurentius & Paulus in Queichheim. Der 2007 von den Vereinten Nationen eingeführte Tag sei eine gute Gelegenheit, über Missverständnisse beim Thema Autismus aufzuklären.

Spies erinnert an den mit vier Oscars ausgezeichneten Kinofilm „Rain Man“ mit Dustin Hoffmann und Tom Cruise von 1988. Der habe zum ersten Mal die Behinderung einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) einer großen Öffentlichkeit bekannt gemacht, allerdings auch Missverständnisse über Autisten geprägt, so Spies in einer Pressemitteilung des Caritasverbands für die Diözese Speyer.

Autismus als einheitliches Erscheinungsbild gebe es nicht, „die Störung kann sehr unterschiedliche Formen annehmen“, so Spies. Dabei seien Inselbegabungen, wie im Film geschildert, indem der Autist Raymond Babbitt ein Telefonbuch auswendig lernt und mit einem Blick die Anzahl heruntergefallener Zahnstocher erkennen kann, eher selten. Es gebe aber durchaus Autisten, denen beispielsweise ein Fehler in den Nachkommastellen der Zahl Pi sofort ins Auge springe.

Andere Sinneswahrnehmung

Menschen mit ASS könnten oft gut und schnell Details erkennen, während die Mehrheit der Gesellschaft kleine Details weniger gut erkenne, dafür aber leichter das große Ganze erfassen könne. Betroffene und ihre Familien würden häufig mit Vorurteilen über Autismus konfrontiert. Es handele sich nicht um eine Krankheit, sondern um eine durch neurologische Besonderheiten bedingte Behinderung, so Spies. Besonderheiten in der Sinneswahrnehmung würden viele, aber keineswegs alle Menschen mit Autismus bestimmte Lebensmittel bevorzugen und andere strikt ablehnen, aber es sei keineswegs so, dass sie nur trockene Nudeln äßen. „Beim Schmecken, Riechen, Fühlen und Hören nehmen Betroffene Dinge extremer, anders oder weniger stark wahr, als die Mehrheit der Menschen“, erklärt Spies.

Es gebe auch Autisten, die beispielsweise alle Zugverbindungen aufsagen könnten. Solche Dinge gäben ihnen Sicherheit in einer für sie oft unüberschaubaren und reizüberflutenden Welt. „Aber die Interessen von Menschen mit Autismus sind so zahlreich wie bei allen anderen auch“, betont Spies.

Kontakt zu Mitmenschen schwierig

Falsch sei auch die Annahme, dass Autisten keine Freunde haben wollten und sozial isoliert seien. „Viele Menschen mit ASS beschreiben, dass der Kontakt mit anderen Menschen aufgrund ihrer sozialen und kommunikativen Schwierigkeiten sehr anstrengend für sie ist, und sie sich deshalb zeitweise zurückziehen“, ordnet Spies ein. Andere wüssten einfach nicht, wie sie gut mit anderen in Kontakt treten und Freundschaften knüpfen können.

Auch, dass Autisten keinen Blickkontakt aufnehmen könnten, sei ein Vorurteil. „Diesem Mythos unterliegen selbst Fachkräfte häufig. Aber die Praxis zeigt, es gibt Betroffene, die für Blickkontakt ein gutes Gespür haben oder es sich antrainiert haben.“ Anderen falle dies sehr schwer, ebenso wie Small Talk und anderes sozial erwartetes Verhalten.

„Viele glauben auch, Autisten hätten keine Gefühle und keinen Sinn für Humor“, listet die Fachfrau weiter auf. „Hierin liegt der größte Irrtum, denn Betroffene verfügen selbstverständlich über dieselben Emotionen wie wir alle.“ Oft falle es ihnen aber schwer, Emotionen und deren Ursachen bei ihrem Gegenüber zu erkennen und sie bei sich selbst wahrzunehmen. Oft hätten sie auch Schwierigkeiten mit sprichwörtlicher Sprache und Ironie. Autisten sehe man ihre Behinderung nicht an. „Das führt dazu, dass sie nicht als solche erkannt, verstanden und entsprechend unterstützt werden“, so Spies.

Fachstelle gibt Tipps

Die Fachstelle für Autismus des Caritas-Förderzentrums gibt zum Umgang mit Menschen mit ASS folgende Tipps: „Verwenden Sie kurze, einfache Sätze. Meiden oder erklären Sie sprichwörtliche Sprache und Ironie.“ Sensorische Überreizung durch Gerüche und Geräusche sei zu vermeiden. „Machen Sie Abläufe klar und halten Sie diese ein.“ Hilfreich sei immer die Frage, was der Betroffene gerade braucht. „Denn so, wie Menschen mit ASS Schwierigkeiten haben, sich in uns hineinzuversetzen, ist es auch für nichtautistische Menschen schwer möglich, deren Perspektive einzunehmen“, sagt Spies. Es sei aber immer lohnend, sich damit auseinanderzusetzen.

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