Kreis Südliche Weinstraße Unser Leben mit der Landrätin

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Bevor Notker Mathes den schwarzen Dienstwagen der Landrätin, einen Audi A8, 264 PS, 6 Zylinder, startet, gibt es im Winter einen Handgriff, der immer zuerst kommt, wenn Theresia Riedmaier einsteigt: Er stellt die Sitzheizung an. Sie sitzt hinten rechts, immer. Mathes, 53, vom Sozialverhalten einer dieser Typen, mit denen man während der Bundesliga-Konferenz in der Stammkneipe ohne Probleme ins Gespräch kommt, ist seit fast acht Jahren der Fahrer von Riedmaier. Er hat mit ihr schon mehr Zeit im Auto verbracht als andere im selben Zeitraum mit ihrer Familie. „Das ist wie bei einem Pärchen“, sagt er. Am Anfang war er ziemlich eingeschüchtert, erzählt Mathes, obwohl er als früherer Oberfeldwebel gewohnt war, mit Autoritäten zu arbeiten. Aber Riedmaier hat diese Aura, die er nur schwer beschreiben kann. „Wenn sie in einen Raum kommt, füllt sie ihn aus“, erzählt der Landauer. Es dauerte ein Jahr, bis Mathes wusste, wie seine Chefin tickt. Er ist übrigens der einzige Mitarbeiter des Kreishauses, der zu ihr „Chefin“ sagen darf, erzählt er und muss grinsen. Die Fahrten mit Riedmaier laufen immer ähnlich ab. Sie steigt ein, holt sich Akten aus einer Kiste auf der Rückbank, die Mathes vorher für sie gerichtet hat, und beginnt zu arbeiten. Auch abends, wenn die Sitzungen mal bis 23 Uhr dauern, knipst sie sofort das Licht im Wagen an, um Akten zu sichten. Riedmaier redet selten über private Dinge, Mathes weiß auch inzwischen, wenn sie angesäuert ist. Dann lässt er sie ganz in Ruhe. Zu Beginn seiner Chauffeurskarriere war der ehemalige Fahrlehrer ziemlich zurückhaltend, was das Tempo angeht. Auf der Autobahn fuhr er nie mehr als 130. „Ich bin auch privat kein flotter Fahrer“, sagt er. Irgendwann ließ ihn die Landrätin rufen, er eilte in ihr Büro im ersten Stock der Kreisverwaltung. Sie sagte ihm, dass sie es angemessen fände, 180 Stundenkilometer zu fahren, wenn es kein Tempolimit gebe und die Autobahn frei sei. Riedmaier hat eben wenig Zeit, pro Jahr fährt Mathes sie im Schnitt zu 800 Terminen. Seit drei Jahren täglich an Riedmaiers Seite ist auch Pressereferentin Carolin Straub. Dass ihr Landkreis in der Öffentlichkeit gut dasteht, darauf legt die Landrätin wert. Dafür sei sie rund um die Uhr erreichbar – „auf allen Kanälen“ – und im Notfall auch sofort vor Ort, wie beim nächtlichen Brandanschlag in Herxheim. Und in allen Momenten fielen ihr die passenden Worte ein – authentisch, sympathisch, persönlich. „Die Landrätin kann sich ans Pult stellen, aus dem Stegreif mit einer Rede loslegen, dabei noch auf die Vorredner eingehen. Da denkt man sich: wow!“, sagt Carolin Straub voller Anerkennung. Die hat sie auch für die alljährliche Weihnachtskartenprozedur der Landrätin. Nur gedruckte Grüße gibt es bei Theresia Riedmaier nicht. Jede Karte wird handschriftlich unterschrieben, einige sogar mit persönlicher Widmung. Riedmaier gebe eben immer 100 Prozent, sagt Straub. Und fordere auch ihre Mitarbeiter. Mit der Landrätin lasse sich gut diskutieren. Denn nicht immer seien sie einer Meinung, gesteht die Pressesprecherin. „Aber es wird nie laut und bleibt immer auf der sachlichen Ebene.“ Und Riedmaier hole sich auch Ratschläge ein, sagt Straub, der ihre Chefin sehr fehlen wird, die es sich übrigens auch nicht nehmen ließ, bei Straubs Hochzeit vorbeizuschauen. Ehrensache. Schließlich kennt Riedmaier Carolin Straub von klein auf. An ihr erstes Telefonat erinnert sie sich: „Ich kenne Sie, Ihr Vater war ja aktiv bei der Feuerwehr.“ Die kleine Carolin war damals noch zu jung, um sich an die erste Begegnung zu erinnern. Aber Riedmaier hat ein Gedächtnis wie ein Elefant. „Im Oktober 2013 habe ich das und das geschrieben. Gucken Sie mal, ob Sie das finden“, habe sie Straub beispielsweise mal gesagt. Sie schaute nach. „Es gab den Brief wirklich.“ Theresia Riedmaier kenne auch den Namen jedes Mitarbeiters, stimmt ihr Uta Holz, Geschäftsführerin des Vereins Südliche Weinstraße, zu. Nicht über Jahre antrainiert, sondern vom ersten Tag an bombenfest verankert. „Ihr Gedächtnis ist der Hammer. Als wir am zweiten Tag durchs Haus gegangen sind, hat sie jeden mit Namen begrüßt“, erinnert sich Holz an Riedmaiers Start im Kreishaus vor 20 Jahren. Die Kreischefin sei unglaublich fleißig, arbeite sich in alles ein und stehe zu dem, was sie sagt. „Sie lässt einen nicht im Regen stehen.“ Und dann war er doch da, dieser Moment, in dem auch mal vieles von ihr abfallen konnte. Die zwei Damen flogen gerade zur Tourismusmesse nach Berlin. „Als wir aus dem Flugzeug gestiegen sind, war es toll für sie, dass sie dort keiner kennt und dass sie sich als normaler Mensch bewegen konnte.“ Mit dem „Merian-Heftl“ unterm Arm erkundete Riedmaier die Hauptstadt. Natürlich perfekt vorbereitet, mit durchgetakteter Seightseeing-Planung für die drei Tage. „Diese Akribie steckt einfach in ihr.“ Holz’ Kollege Bernd Wichmann, beim Verein SÜW für die Weinwerbung zuständig, hat auch so ein Erlebnis mit der Landrätin, das er in bleibender Erinnerung behält. Die Mannschaft wollte los zu einer Arbeitsbesprechung in der „Krone“ in Hayna und Riedmaiers Fahrer war gerade nicht da. „Herr Wichmann, ich fahre mit Ihnen“, hörte er, bevor ihm das Herz in die Hose rutschte. Denn sein Auto sei nie so aufgeräumt gewesen. Aber die Landrätin habe darüber hinweggesehen. Trotzdem bemüht er sich seitdem, sein Auto immer sauber zu halten, falls er nochmals in die Verlegenheit kommen sollte, den Chauffeur der Kreischefin zu spielen. Denn Riedmaier ist eine Frau, vor der man Respekt hat. „Sie ist immer vorbereitet. Du kannst ihr nichts vormachen“, sagt Wichmann, der verrät, dass sie bei Weinen am liebsten Weißen Burgunder und Silvaner trinkt. Heiko Pabst, persönlicher Referent von Theresia Riedmaier, kam 2006 in die Kreisverwaltung, zuvor war er Mitarbeiter des damaligen Ludwigshafener Bürgermeisters Wilhelm Zeiser, ein Parteifreund von Riedmaier. Sie wusste, dass Pabst gerne in der heimischen Südpfalz arbeiten würde und sprach ihn direkt an. Und er kam. „Sie ist eine ehrgeizige Chefin, ich bin auch ehrgeizig. Deshalb macht es Spaß, mit ihr zu arbeiten“, sagt er. Ihre Reden schreibt Riedmaier alle selbst, ihr Referent besorgt aus den Fachabteilungen die nötigen Fakten. Was Pabst immer noch beeindruckt, ist ihre Nahbarkeit: „Wenn ein Bürger zur Landrätin will, dann kommt er auch zur Landrätin.“ Wer sich mit Bauamtsleiter Günter Jung unterhält, könnte ebenfalls den Eindruck gewinnen, als sei das Gehirn der Landrätin durch ein unsichtbares Kabel mit dem elektronischen Archiv der Kreisverwaltung verbunden. „Ich werfe nie Notizen weg, sie weiß noch nach zehn Jahren, was sie zu dem oder dem Thema gesagt und geschrieben hat“, sagt er. Vor vielen Jahren lernte sie bei einer Gelegenheit auch mal Jungs Sohn Philipp kennen, damals war er noch klein. Vergessen hat sie ihn nie. „Manchmal fragt sie mich, was Philipp macht, das ist schon beeidruckend“, sagt Jung. Sie sei immer gut vorbereitet, kenne jedes Detail. Was sie dann natürlich überhaupt nicht leiden könne, sei, wenn jemand eben nicht vorbereitet ist. „Was ich toll finde, ist, dass sie immer sachlich bleibt und Gespräche führen kann“, sagt Jung. Wie Jung arbeitet Hans Volkhardt, Leiter des Eigenbetriebs Wertstoffwirtschaft, seit 1975 in der Kreisverwaltung. Er hat vor Riedmaier die Landräte Gerhard Schwetje, Walter Link und Gerhard Weber erlebt. Es sei schon ein anderer Wind ins Kreishaus mit dem Amtsantritt von Theresia Riedmaier eingezogen. Sie sei von außen in die Verwaltung gekommen und habe sich unglaublich schnell eingearbeitet, das sei schon eine große Leistung gewesen. Als er am Dienstag von ihrem Rückzug erfuhr, schrieb er seiner Chefin direkt eine Mail. Er wünschte ihr, dass sie nach ihrer Amtszeit kürzer treten könne. „Sie ist im menschlichen Umgang sehr fürsorglich“, sagt Volkhardt. Notker Mathes kann das bestätigen. Als es bei ihm privat mal nicht so rundlief, traute er sich gar nicht, mit ihr darüber zu reden. Riedmaier erfuhr über Umwege von seiner Situation. „Sie stand hinter mir, das werde ich ihr nie vergessen“, sagt dieser wuchtige Typ. Es kam ihm eine Träne bei der Nachricht von ihrem Rücktritt. Er wird „seine Chefin“ vermissen.

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