Kreis Südliche Weinstraße Kinderdorf Silz: "Keine belastbaren Hinweise"

Die Heimleitung hofft, dass nun wieder Ruhe in Silz einkehren wird.
Die Heimleitung hofft, dass nun wieder Ruhe in Silz einkehren wird.

Nach über einem Jahr Ermittlungsarbeit hat die Staatsanwaltschaft Landau die Verfahren gegen das Kinder- und Jugenddorf eingestellt.

Die aufwendigen Ermittlungen im Fallkomplex Silz sind abgeschlossen. Und die Staatsanwaltschaft Landau ist zum Schluss gekommen, dass es „keine Beweise dafür gibt, dass Mitarbeiter und Verantwortliche des Kinder- und Jugenddorfs Maria Regina Straftaten zum Nachteil der Heimbewohner begangen haben“. Deshalb wurden die Verfahren eingestellt, wie die Leitende Oberstaatsanwältin Angelika Möhlig gestern mitteilte.

Kinderdorf spricht von Kampagne

„Wir sind sehr erfreut und erleichtert“, sagte gestern Katja Heim, Pressesprecherin der St. Dominikus Krankenhaus und Jugendhilfe mit Sitz in Ludwigshafen, zu der die Einrichtung gehört, auf Nachfrage der RHEINPFALZ: „Auch wenn wir die ganze Zeit überzeugt davon waren, dass die Staatsanwaltschaft zu diesem Ergebnis kommen würde.“ Das Kinderheim hatte die Vorwürfe stets bestritten, sprach von einer Kampagne einer Mutter, deren Kinder ihr entzogen worden waren.

Vorwurf: Körperliche und psychische Misshandlung

Wie mehrfach berichtet, brachte eine Mutter aus Lambrecht, deren vier Kinder in dem Heim untergebracht waren, den Stein ins Rollen. Sie und ihr Anwalt Michael Langhans aus Donauwörth, der mittlerweile seine Anwaltszulassung zurückgegeben hat, hatten schwere Vorwürfe gegen das Kinderheim erhoben. Am 6. April 2016 hatte er Strafanzeige im Namen von 24 mutmaßlichen Opfern gestellt. Darin warf er Mitarbeitern und Verantwortlichen des Kinderheimes vor, Heimbewohner körperlich und psychisch misshandelt zu haben. So sollten Bewohner von Mitarbeitern geschlagen, eingesperrt oder unter psychischen Druck gesetzt worden sein. Auch Heimbewohnern wurden Straftaten wie Bedrohung, Körperverletzung und Sexualdelikte gegenüber anderen Kindern und Jugendlichen vorgeworfen. Die Verantwortlichen des Kinderheimes sollen diese Straftaten ermöglicht oder gar gefördert haben. Laut Staatsanwaltschaft reichten die nicht näher konkretisierten Vorwürfe teilweise bis ins Jahr 2003 zurück.

"Silz wird mich nicht los"

Die Mutter aus Lambrecht will den Fall nicht auf sich beruhen lassen: „Silz wird mich nicht los. Wir machen weiter, wir geben alle nicht auf“, sagte sie gestern gegenüber der RHEINPFALZ. Sie tue das nicht für sich, sondern für die Opferkinder. „Ich kämpfe weiter für das Recht meiner Kinder. Aber unabhängig von mir werden die anderen Opfer auch ihren Weg gehen.“ Nach der Strafanzeige des ehemaligen Anwalts ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen 17 Mitarbeiter, gegen die sich ein Anfangsverdacht ergeben hatte. Zudem liefen Verfahren gegen 14 ehemalige Heimbewohner, wie Möhlig berichtet. Des Weiteren seien zahlreichen weiteren Zeugen wie frühere Heimbewohnern vernommen und viele Unterlagen aus Familien- und Gerichtsverfahren sowie ärztliche Akten ausgewertet worden.

Vermeintliche Opfer widersprachen den Vorwürfen selbst

Einige der Vorwürfe hätten sich bereits dadurch nicht bestätigt, dass einige der mutmaßlichen Geschädigten bei den Vernehmungen äußerten, dass es gar nicht zu jenen Geschehnissen gekommen sei, so Möhlig. So etwa, dass ein Kind die Treppe heruntergetreten worden sei oder ein Erzieher sich zur Fixierung auf ein am Boden liegendes Kind gekniet habe. Auch weitere Vorwürfe seien entkräftet worden. „So ergaben etwa die Ermittlungen zu dem Vorwurf, bei einigen der Heimbewohner sei es zur Zwangsmedikation ohne zureichende medizinische Grundlage gekommen, dass die Medikamente entsprechend einer ärztlichen Verordnung verabreicht worden waren.“ Berichte von Bewohnern, wonach sie von Mitarbeitern misshandelt worden seien, hätten nicht verifiziert werden können, so Möhlig. „Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass Mitarbeiter Freiheitsberaubungen oder Körperverletzungsdelikte begangen haben, dass sie Heimbewohner durch körperliche oder psychische Gewalt gequält oder roh misshandelt haben oder dass sie sich sonst durch ihr Verhalten gegenüber den Heimbewohnern strafbar gemacht haben könnten“, fasst Möhlig das Ermittlungsergebnis zusammen.

Keine Verletzung der Aufsichtspflicht

Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass es in Einzelfällen zu körperlichen oder verbalen Übergriffen zwischen ehemaligen Heimbewohnern gekommen sei, so Möhlig. Jedoch hätten sich keine Beweise dafür ergeben, dass die Mitarbeiter ihre Aufsichtspflicht verletzt und dadurch etwaige Straftaten ermöglicht hätten. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Betreuer häufig keine Kenntnis von den möglichen strafbaren Handlungen der Heimbewohner untereinander gehabt hätten und dass sie, sobald sie davon erfuhren, Schritte ergriffen und dadurch weitere Übergriffe verhindert hätten.

Von Verfolgung wegen geringer Schuld abgesehen

Den Vorwürfen gegen ehemalige Heimbewohner habe – bis auf zwei Fälle – bereits aus rechtlichen Gründen nicht nachgegangen werden können. Die Taten seien verjährt oder mutmaßliche Täter zur Tatzeit noch nicht strafmündig gewesen, erklärt Möhlig. Bei den beiden verbliebenen Fällen sei in einem Fall von der Verfolgung des Jugendlichen wegen geringer Schuld abgesehen worden. Hierbei habe es sich um einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen einem 14- beziehungsweise 15-jährigen Jungen und einem 13-jährigen Mädchen innerhalb einer Beziehung gehandelt. In dem anderen Fall sei das Verfahren eingestellt worden. Hier stand der Vorwurf im Raum, dass Heimbewohner eine Mitbewohnerin täglich vergewaltigt haben sollen. Die Taten hätten nicht nachgewiesen werden können, so Möhlig.

"Starke Belastung für Kinder und Mitarbeiter"

Die Heimleitung hofft nun darauf, „dass wieder Ruhe einkehrt und wir unsere Arbeit machen können“, so Pressesprecherin Katja Heim. Denn das ganze Verfahren habe Kinder und Mitarbeiter stark belastet. Die Lambrechter Mutter unterstellt der Staatsanwaltschaft Landau dagegen Befangenheit, sie habe die Verfahren absichtlich in die Länge gezogen und einen Bewohner, bei dem es um Vergewaltigung gehe, gar nicht vernommen, behauptet sie. Möhlig entgegnet, dass dessen Aufenthaltsort bisher unbekannt war. Mittlerweile sei der Staatsanwaltschaft eine Erreichbarkeit genannt worden, diese werde jetzt geprüft. Allerdings sei davon auszugehen, dass sich die möglichen Taten zu einem Zeitpunkt ereigneten, als alle möglichen Täter und Opfer noch nicht 14 Jahre und damit nicht strafmündig waren, erklärt Möhlig auf Nachfrage.

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