Kreis Südliche Weinstraße Ein Grenzfall

Im abgelaufenen Schuljahr besuchten 38 Schüler, die in Frankreich gemeldet sind, Schulen im Kreis – wie die Realschule plus Bad
Im abgelaufenen Schuljahr besuchten 38 Schüler, die in Frankreich gemeldet sind, Schulen im Kreis – wie die Realschule plus Bad Bergzabern.

Südliche Weinstrasse: Zwei Schüler mit deutschem Pass wohnen mit ihren Eltern in Weißenburg und besuchen die Realschule plus in Bad Bergzabern. Der Kreis will nicht für deren Bustransport aufkommen. Die Eltern haben geklagt – und in der ersten Instanz recht bekommen. Jetzt geht es in Berufung.

Zurzeit geht der Fall zweier Schüler aus Weißenburg, die einen deutschen Pass besitzen, durch die Medien. Deren Eltern haben beim Verwaltungsgericht Neustadt geklagt, dass die Kosten für den Bustransfer zwischen dem Wohnort Weißenburg und dem Schulort Bad Bergzabern vom Kreis Südliche Weinstraße bezahlt werden sollen. Sie berufen sich auf europäisches Recht. Der Kreis wehrt sich dagegen. Die Begründung lautet: Das rheinland-pfälzische Schulgesetz besage, dass die Kosten nur übernommen werden, wenn die Betroffenen in Rheinland-Pfalz wohnen. Die Eltern bekamen in der ersten Instanz recht (wir berichteten). Nun liegt der Fall beim Oberverwaltungsgericht Koblenz. Den Klägern spielt ein Rechtsgrundsatz in die Hände: „Lex superior derogat lego inferiori“. Er besagt, dass eine höhere Norm sich gegenüber einer niederrangigen durchsetzt. Heißt übersetzt: Europäisches Recht schlägt rheinland-pfälzisches. Im Schulgesetz, auf das sich der Kreis beruft, heißt es, dass Landkreise und kreisfreie Städte verpflichtet seien, für die Beförderung von Schülern zu sorgen, wenn sie ihren Wohnsitz in Rheinland-Pfalz haben. Das teilt die Kreisverwaltung auf Anfrage der RHEINPFALZ mit. „Da sich der Wohnsitz der betroffenen Familie in Frankreich befindet, haben die Kläger nach Rechtsauffassung der Kreisverwaltung Südliche Weinstraße keinen Anspruch auf Übernahme der Schülerbeförderungskosten.“ Der Streitwert liegt bei 949 Euro. Der Kreisverwaltung gehe es besonders um Gleichbehandlung: Der Landesrechnungshof habe den Kreis aufgefordert, die Schülerbeförderung exakt nach dem Landesgesetz zu gestalten, keine Leistungen außerhalb der Gesetzeslage zu gewähren. Die Folge: Viele Familien, die ihren Wohnsitz im Landkreis haben, müssen inzwischen selbst zahlen. Damals, nach einer Prüfung des Landesrechnungshofs, seien das über 500 gewesen, sagt Landrätin Theresia Riedmaier (SPD). Das ist dann der Fall, wenn der Schulweg kürzer ist als vier Kilometer. Ist die Strecke länger, übernimmt der Kreis die Transportkosten. In Gerichtsverfahren hätten sich die betroffenen Eltern den Entscheiden beugen müssen, heißt es aus dem Kreishaus. „Im Interesse einer Gleichbehandlung nach Recht und Gesetz ist eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zur Klärung der Rechtslage sehr wünschenswert.“ Markus Hirsch aus Bad Bergzabern, der Anwalt der Kläger, verweist auf eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2011, auf die er sich im Namen seiner Mandanten beruft. Aus ihr gehe hervor, dass jeder Unionsbürger in jedem Mitgliedstaat der EU arbeiten dürfe und es verboten sei, ihn wegen seines Wohnorts zu diskriminieren. Stichwort: Arbeitnehmerfreizügigkeit. Hinzu komme ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2013, das auf den Fall der Kläger anzuwenden sei. Ein EU-Land könne die finanzielle Studienbeihilfe nicht vom Wohnsitz des Antragsstellers abhängig machen. Heißt konkret: Arbeitnehmer dürfen wohnen und arbeiten wo sie wollen, finanzielle Studienunterstützung darf ihnen deshalb nicht verwehrt werden. Sofern Schülerbeförderungskosten also eine finanzielle Studienunterstützung darstellen, steht der Schulgesetzparagraf, auf den sich der Kreis beruft, nicht im Einklang mit dem europäischen Recht. Für Hirsch ist der Gang der Kreisverwaltung Südliche Weinstraße in das Berufungsverfahren nicht nachvollziehbar. Im abgelaufenen Schuljahr 2016/2017 besuchten 38 Schüler, die in Frankreich gemeldet sind, Schulen im Landkreis Südliche Weinstraße. Aber nicht jeder Schüler aus Frankreich hat automatisch einen Anspruch auf die Übernahme der Kosten. Diese ist an weitere Voraussetzungen gebunden. Beispielsweise muss mindestens ein Elternteil in Deutschland arbeiten. Grenzpendler werden sie im Steuerrecht genannt. Diesen Status hat auch die klagende Familie. Die Eltern haben einen deutschen Pass, wohnen in Frankreich und arbeiten in Deutschland. „Dass die Sozialversicherungsbeiträge der Familie in Deutschland gezahlt werden, ist wichtig gewesen für die gerichtliche Entscheidung. Ohne diese Tatsache wäre sie anders ausgegangen“, sagt Hirsch. Das Berufungsverfahren wurde bereits zugelassen, die Begründung der Berufung liegt allerdings noch nicht vor. Sobald sie eingetroffen ist, werden die Kläger aufgefordert, Stellung zu beziehen. Es lasse sich deshalb noch nicht abschätzen, wann ein Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt werden könne, berichtet Thomas Stahnecker, Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht.

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