Kusel Schellweiler: Wird er ein neuer Miroslav Klose?

Anfang Mai läuft Moritz Theobald erstmals offiziell im Schalker Dress auf.
Anfang Mai läuft Moritz Theobald erstmals offiziell im Schalker Dress auf.

Porträt: Der 15-jährige Moritz Theobald aus Schellweiler könnte ein Lichtblick für die Freunde hochklassigen Fußballs im Kreis Kusel sein.

«Schellweiler». Die Zeiten hochklassigen Fußballs im Kreis Kusel liegen lange zurück, und auch vom Ruhme eines Miroslav Klose lässt sich nicht auf alle Ewigkeit zehren. Doch jetzt zeigt sich ein Lichtblick. Der 15-jährige Moritz Theobald aus Schellweiler ist von Schalke 04 verpflichtet worden und klopft bei der Jugendnationalmannschaft an.

Moritz Theobald spielte damals noch für den FCK

Das Wohnzimmer des schmucken Einfamilienhauses in der Friedhofstraße. Durch die großen Scheiben kann man fast uneingeschränkt in die Ferne blicken. Oder in die Zukunft; wie an jenem Tag im April „Hier, genau an diesem Tisch, saß Herr Ruhnert und hat mit uns geredet“, erzählt Martina Luxenburger-Theobald. Oliver Ruhnert war bis vor kurzem der Chef der Schalker „Knappenschmiede“, des Nachwuchszentrums des Erstligisten. Vier Schalker Spielerbeobachter hatten unabhängig voneinander Sohnemann Moritz, damals noch im Trikot des 1. FC Kaiserslautern, unter die Lupe genommen und der Knappenschmiede für würdig befunden. „Wenn alle vier Ja sagen, muss man nicht einmal ein Probetraining absolvieren“, erzählt sie stolz. Der Vertrag mit Schalke ist der vorläufige Höhepunkt in einem noch jungen Fußballerleben mit ausgezeichneten Perspektiven.

Fußballtraining nur ohne Pampers

Alles hat angefangen, als Moritz gerade einmal drei Jahre alt war. Er kickte mit seinen älteren Cousins und wollte unbedingt ins Fußballtraining. „Wir haben ihm damals gesagt: Wenn er die Pampers nicht mehr braucht, dann darf er gehen“, erzählt Vater Ulrich Theobald amüsiert. Sohn Moritz neben ihm grinst dabei, weil er weiß, was in der Anekdote folgt: „Moritz hat dann gesagt, er könnte ja die Pampers zum Training immer ausziehen.“ Der Blondschopf war schon damals ein aufgewecktes Bürschlein. Mit knapp vier Jahren trainierte er bei den Bambini in Konken mit. Konken deshalb, weil Mutter Martina vor vielen Jahren dort in der Damenmannschaft gespielt hat. Wegen ihrer Schnelligkeit als Stürmerin, später wechselte sie ins Tor. Vater Ulrich durchlief die Jugendmannschaften in seinem Heimatort Patersbach. „Ein Dorffußballer halt. Mehr nicht“, sagt er. Sein Sohnemann spottet: „Ein Treter.“

Eigentlich sollte er Radfahrer und nicht Fußballer werden

Woher Moritz also sein Fußballtalent hat, lassen die Eltern offen. Vor allem aber war der Knirps von Anfang an Fußball-verrückt. „Ich wollte immer, dass er Radfahrer wird. So wie ich. Aber er wollte immer nur Fußball“, erläutert der Vater, nur oberflächlich betrübt darüber, dass seine Erziehung in diesem Falle nicht fruchtete. Denn Klein-Moritz stürzte sich zwar mit dem Mountainbike auch schon mal furchtlos den Abhang im Garten hinunter; vor allem aber trat er gegen jeden Ball. „Schon in Kindergartenzeiten ist er extra früh aufgestanden, um vorher in seinem Zimmer noch ein bisschen gegen den Schaumgummiball zu treten, den wir ihm geschenkt hatten.“ In der Grundschule nicht anders: „Er und sein bester Freund haben sich noch vor Schulbeginn zum Kicken getroffen.“ Die Veranlagung blieb nicht lange vereinslos. Moritz ging zu den Bambini des FV Kusel. Schon bald sagte ihm sein Trainer, dass er ihm nichts mehr beibringen könne – er müsse zu einem größeren Verein wechseln. Moritz ging mit gerade einmal neun Jahren zum 1. FC Kaiserslautern, besuchte das Heinrich-Heine-Sportgymnasium. Er durchlief alle Altersklassen, war stets Leistungsträger und blieb auch im Verband nicht unentdeckt. Von Beginn an gehörte er zur Südwestauswahl seines Jahrgangs, spielte auch dort oft herausragend. Beim Länderpokal vor wenigen Wochen, als der SWFV überraschend Zweiter aller Regionalverbände wurde (Moritz: „Und das war sogar noch unglücklich.“), überzeugte er so sehr, dass er mit einer Einladung zur Jugendnationalmannschaft rechnen darf. Das sei ihm so angekündigt worden, erzählt er.

Auch Bayern München zeigte Interesse an Moritz

Zurück zum Wechsel zum Erstliganachwuchs, der ihn auch zu Bayern München hätte führen können. „Schalke wollte immer, dass wir den Vertrag schnell unterschreiben. Hinterher haben wir verstanden, warum. Denn kurz darauf haben die Bayern angerufen und gefragt, ob Moritz vielleicht zu ihnen kommen will“, schildert die Mutter das aufregende Frühjahr. „Und als wir ihnen sagten, dass Moritz bereits bei Schalke unterschrieben hat, haben sie gefragt, ob sie sich nächstes Jahr wieder melden dürfen – ein Jahr vor Ablauf des Zwei-Jahres-Vertrags mit Schalke.“ Bayern werde seine Entwicklung weiter beobachten. Inzwischen war Familie Theobald „auf Schalke“, hat sich das Nachwuchszentrum angeschaut, in dem Moritz ab Anfang August leben, die Schule besuchen und trainieren wird. „Was uns da besonders gefallen hat: dass es alles kurze Wege sind.“ Moritz wird eine Gesamtschule besuchen, in der die Fußballer nicht als eigene Klasse isoliert werden wie im Heine-Gymnasium, sondern mit normalen Mitschülern gemeinsam pauken. Wohnen wird er im Internat der Knappenschmiede. In dem Haus sind elf Nachwuchsfußballer untergebracht, betreut von einem älteren Ehepaar, das die Profis in spe auch bekocht. Sowohl Schule wie auch Trainingsgelände sind nur wenige Meter entfernt. „Das war für uns das Entscheidende, damit Moritz auch mal wieder ein wenig Zeit hat.“ Denn in den vergangenen Jahren blieb dafür wenig. Schule in Kaiserslautern, viermal pro Woche abends Training – oft pendelte er viermal am Tag zwischen Schellweiler und Kaiserslautern. „Wir haben unser ganzes Leben nach seinem Fußball ausgerichtet“, erzählen die Eltern. Sie arbeitet als Krankenschwester in Kaiserslautern, er – Doktor der Ingenieurwissenschaften – lehrt an der Meisterschule. Beide betonen, sie seien dem FCK sehr dankbar für das, was ihr Sohn dort hat fußballerisch lernen dürfen. „Ohne den FCK wäre er nicht so weit.“ Doch es klingt auch deutliche Kritik durch. Man habe sich nicht wirklich gekümmert, auch das Training sei limitiert gewesen. Um seine Beidfüßigkeit zu schulen, fuhr Moritz am Wochenende zum Training ins Saarland.

Der FCK gehe sorglos mit seinen Talenten um

Was alle drei aber am meisten unangenehm berührt hat: die Sorglosigkeit, mit der der FCK mit Talenten umgeht. Im Dezember habe man avisiert, dass Moritz einen Vertrag für die nächste Jugendklasse erhalten soll. Doch dann habe über Monate Funkstille geherrscht. Und dann kam Schalke... Ein gutes halbes Dutzend Talente aus den Altersklassen U 14 bis U 19 verließ in diesem Sommer den FCK, erzählt Moritz. In Schalke sieht die Familie Theobald diese Perspektive sehr wohl. Nicht nur, weil dort spätere Weltmeister wie Manuel Neuer, Mesut Özil und Draxler den Grundstein für ihre Weltkarrieren gelegt haben. Sondern auch, „weil sich dort gleich jede Menge Leute um uns gekümmert haben“. Profi-Kapitän und Nationalspieler Benedikt Höwedes steht zudem bei derselben Vermarktungsagentur unter Vertrag, die sich inzwischen – ohne Vertrag und ohne Kosten – um Moritz kümmert. Er ist einer von zwei Talenten bundesweit, die von Jung van Matt beraten werden. Die Agentur vertritt auch Leute wie Rennfahrer Nico Hülkenberg. Einer von zwei Ansprechpartnern für Moritz: Ex-Nationalspieler Arne Friedrich.

Perspektive bei Schalke 04

Die unentgeltlichen Hilfen, hinter denen natürlich der Gedanke steht, später einmal mit einem Profi Geld zu verdienen, nimmt Familie Theobald gerne in Anspruch. „Das ist ja für uns eine ganz andere Welt“, erzählt Ulrich Theobald. Der Vertrag beispielsweise, den die Familie unterschrieben hat, umfasst immerhin neun Seiten. „Das haben wir dann erst einmal prüfen lassen.“ Und auf Anraten der Agentur mit einigen Zusatzklauseln versehen lassen. So steht beispielsweise drinnen, dass den Eltern zweimal pro Monat die Fahrt nach Schalke bezahlt wird. Oder dass Moritz wöchentlich, wenn er spiel-, trainings- und schulfrei hat, nach Schellweiler fahren darf – auf Kosten des Vereins. Allerdings dürfe man nicht glauben, dass nun das Geld in Hülle und Fülle nach Schellweiler fließt. Moritz bekommt einen monatlichen Betrag, von dem er das Internat bezahlt. Danach bleibt ein kleines Taschengeld. Am 5. August ist Trainingsauftakt auf Schalke; mit Leistungsdiagnostik und Laktatmessungen. Martina Luxenburger-Theobald: „Sowas haben wir beim FCK nie erlebt.“ Einen Tag später ist eine Art Sichtungsturnier mit Mainz 05 und Darmstadt 98. Und am 9. August geht es zu einem internationalen Turnier nach Südkorea. Moritz hat sich eigens einen Reisepass zugelegt. Zunächst soll der wendige Stürmer, der lieber auf der offensiven, zentralen Mittelfeldposition spielt, wo seine Spielübersicht, seine Schnelligkeit und seine Tempodribblings besser zur Geltung kommen, in der B2 in der Westfalenliga antreten. „Der jüngere Jahrgang einer Altersklasse spielt bei Schalke immer in der zweiten Mannschaft, damit sich das Team für das folgende Jahr in der U17-Bundesliga einspielen kann“, erklärt Moritz. Dort wartet dann unter anderem der Erzrivale Borussia Dortmund.

Moritz sympathisiert auch mit dem BVB

Das ist auch der einzige Punkt, der bei Moritz ein etwas flaues Gefühl bereitet. Denn er sympathisiert mit dem BVB. Am Tag, als der Knappen-Nachwuchs-Chef nach Schellweiler kam, „haben wir schnell das Bett abgezogen und statt Dortmund-Bettwäsche welche von Manchester United draufgemacht“, erzählt die Mutter lachend. In seinem Inneren, so gibt Moritz verschmitzt zu, werde er wohl immer so ein ganz klein wenig Dortmunder bleiben. Mal sehen, ob das nach zwei Jahren auf Schalke auch noch so klingt.

„Auf Schalke“ hat Moritz Theobald auch das Stadion besichtigt. Der Spielertunnel ist einem Bergwerksschacht nachempfunden.
»Auf Schalke« hat Moritz Theobald auch das Stadion besichtigt. Der Spielertunnel ist einem Bergwerksschacht nachempfunden.
Eines seiner ersten Turniere im Alter von vier Jahren.
Eines seiner ersten Turniere im Alter von vier Jahren.
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