Kreis Kusel „Es darf nie wieder passieren“

Im Meisenheimer Haus der Begegnung referierte Kutlu Yurtseven zunächst über den rechtsextremistischen Terror in Deutschland, bev
Im Meisenheimer Haus der Begegnung referierte Kutlu Yurtseven zunächst über den rechtsextremistischen Terror in Deutschland, bevor er den musikalischen Teil mit Liedern seiner Band »Microphone Mafia« einleitete.

Kutlu Yurtseven von der „Microphone Mafia“ war am Mittwoch im Haus der Begegnung in Meisenheim zu Gast. Auch wenn Stargast Esther Bejarano nicht kommen konnte, sorgte Yurtseven für einen unterhaltsamen Abend, dessen ernster Hintergrund, der rechtsextreme Terror, jedoch nie vernachlässigt wurde.

Mit ihren 92 Jahren kann Esther Bejarano auf sehr bewegte Lebensabschnitte zurückblicken. Als Mitglied eines Mädchenorchesters im Konzentrationslager von Auschwitz spielte sie Akkordeon, ohne dieses Instrument zuvor erlernt zu haben. Seit 2008 gibt sie mit der „Microphone Mafia“ viele Konzerte und klärt über die Verbrechen der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg auf. Der Kontakt zwischen der Band und Esther Bejarano kam bei einem Treffen in jenem Jahr in Hamburg zustande. Damals planten sie, sechs Lieder zu veröffentlichen. Mittlerweile haben sie zwei Alben aufgenommen und allein in den letzten drei Jahren über 250 Konzerte gegeben. In Meisenheim konnte sie wegen einer Fußverletzung zwar nicht dabei sein, doch Yurtseven transportierte ihre Botschaft für die Nachfolgegenerationen: „Es darf nie wieder passieren!“ Yurtseven übernahm dann auch Esther Bejaranos Part, die aus ihren Büchern lesen und dazu Partisanenlieder und Lieder von Brecht singen wollte. Den musikalischen Teil gestaltete er mit Songs der „Microphone Mafia“. Zunächst referierte er gut eine Stunde über rechtsextremistisch motivierte Verbrechen, die sich in Deutschland seit der Wiedervereinigung zugetragen haben. So beschrieb er, dass es in Folge der Brandanschläge von Rostock-Lichtenhagen zu einer Täter-Opfer-Umkehrung kam. Als Reaktion auf die Anschläge wurde laut Yurtseven das Asylrecht abgeschafft, was für ihn einem Triumph der Täter gleichkam. Er führte weiter aus, dass es ohne diese Täter-Opfer-Umkehrungen wohl nicht zwingend zur Bildung des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) gekommen wäre. Dieser beging in der Folge eine Anschlagsserie, von der Yurtseven als Anwohner der Kölner Keupstraße im Jahr 2004 selbst betroffen war. Er begann Auszüge aus dem Buch „Die haben gedacht, wir waren das“ vorzulesen. In diesem von 40 Autoren verfassten Werk über rechtsextremen Terror und Rassismus schreibt er von Ermittlungspannen und Verschleierungen, die in Verbindung mit den NSU-Verbrechen passiert sein sollen. So erläuterte er beispielsweise, dass Überwachungsbänder, die die Täter von der Kolbstraße zeigen, verschwunden seien. Hingegen zähle eine Musikkassette zu den Beweisstücken, die fehlgeschlagene Kontaktaufnahmen mehrerer angeblich mit dem Jenseits in Kontakt stehenden Personen dokumentiert. Es stelle sich die Frage, ob einige ermittelnde Behörden wirklich an der Aufklärung oder eher an der Verschleierung der NSU-Verbrechen interessiert gewesen seien. Yurtseven glaubt, dass es durchaus Ermittlungspannen gab, doch er ist ebenso der Meinung, dass versucht wurde, die Ermittlungen zu behindern, um den rechtsextremen Hintergrund zu verschleiern. Seiner Meinung nach hat rechtsextremes Gedankengut in unserer „Gesellschaft der Vielen“ keine Chance, wir müssen nur lernen sie wertzuschätzen. Er weist darauf hin, dass man nicht aufhören dürfe, sich an die Verbrechen zu erinnern. Mit den Worten „Nichts zu wissen, ist nicht schlimm, nichts zu lernen schon“ beendete Kutlu Yurtseven seinen Vortrag. Im zweiten Teil des Abends rappte er einige Songs, die die „Microphone Mafia“ teils mit Esther Bejarano aufgenommen hatte. Neben Problemen und Rassismus waren auch Frieden und Heimat Themen der Lieder. Verse wie „Ich will den Weltfrieden“ oder „Heimat ist ein Gefühl und kein Land“ spiegeln den Tenor des vorangegangenen Vortrags wieder. Bezeichnenderweise sind die Lieder der „Microphone Mafia“ in verschiedenen Sprachen verfasst. Emotional wurde er, als er das Lied „Denkmal“ rappte. Dieses ist der ersten Generation der Gastarbeiter in Deutschland gewidmet, die in der Fremde als Ausländer und, aufgrund ihres langen Aufenthalts in Deutschland, in der ursprünglichen Heimat als die Deutschen abgestempelt wurden. Mit dem Lied „Abschied“ beendete Yurtseven den Abend unter lautem Applaus. Die „Microphone Mafia“ soll im Jahr 2018 wieder nach Meisenheim kommen. „Dann“, wie Yurtseven sagte, „hoffentlich mit Esther Bejarano.“

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