Frankenthal Was man halt Sommer nennt

Begnadeter Entertainer: Karl Frierson machte den Regen mit seiner Band Soulprint vergessen.
Begnadeter Entertainer: Karl Frierson machte den Regen mit seiner Band Soulprint vergessen.

„When the Sun Comes Out“ von Barbra Streisand hatte die Bigband Track 4 im Programm beim Eröffnungskonzert der Frankenthaler Kulturtage am Samstag in der Erkenbertruine. Doch das sollte ein frommer Wunsch bleiben. Immer wieder öffnete der Himmel seine Schleusen, auch beim Hauptact des Abends: dem US-amerikanischen Sänger Karl Frierson mit seiner Band Soulprint.

Da die Wetterprognose schon seit Tagen keinen lauschigen Sommerabend in Aussicht gestellt hatte, war der Zuschauerandrang sehr überschaubar. Nur rund 120 Karten waren abgesetzt worden im Vorverkauf und an der Abendkasse, und einige der Inhaber scheinen gar das wohlig-warme Sofa daheim vorgezogen zu haben. Dabei bekommt man Musiker von diesem Kaliber in Frankenthal nur selten zu Gehör. „Das wird für uns eine teure Zeche heute Abend“, sagte denn auch Christian Schatka, der Vorsitzende der IG Jazz Frankenthal, die sich mit der Veranstaltung finanziell weit aus dem Fenster gelehnt hat. Er trug’s mit Humor: „Was man halt Sommer nennt.“ Mit Gratis-Regencapes und Schirmen ausgestattet, ließen sich die weniger zimperlichen unter den Kartenkäufern die Laune nicht verderben und tanzten zwischen den Stuhlreihen. Die meisten hatten allem Anschein nach gewusst, auf was sie sich freuten. Karl Friersons Soulprint trat zwar nur in einer kleinen Besetzung an: mit Werner Acker an der Gitarre, dem in der Schweiz lebenden Amerikaner Marc Ray Oxendine am Bass, Matthias Bublath am Keyboard und dem Österreicher Martin Hämerle am Schlagzeug. Doch das Trio zauberte auch ohne Bläser, Streicher und Backgroundsängerinnen einen satten Soul, der erfreulich erdiger war als die stylisch durchproduzierten Studioversionen, die auf Friersons erster Solo-CD zu hören sind: etwa von dem getragenen „Only You“, das sich zwei Wochen lang in die britischen Soulcharts hielt, und dem groovigen „Ten Minutes“. Sein neues Album „Cooking up Soul“ hatte Frierson noch nicht dabei – nur drei Kostproben: das bluesige „Long Way“ als Premiere in Frankenthal, wie Frierson betonte, der poppige Tanztitel „Dance the Night Away“, der schon als Auskopplung veröffentlicht ist, sowie „Faces“ mit einer unbekümmerten Gute-Laune-Melodie, die an die Kinowerbung „Like Ice in the Sunshine“ erinnert. Doch was Frierson wirklich drauf hat als Sänger – vom tiefen Grummeln bis zum Falsett –, das offenbarte er mehr beim Covern von Soul-Klassikern im nostalgischen Motown-Sound wie „Sexual Healing“ von seinem erklärten Vorbild Marvin Gaye oder „Lean on Me“ von Bill Withers. Man könnte fast meinen, dass diese ihm mehr am Herzen liegen als die eigenen, eher glatten Nummern. Selbst Pop-Titel anderer Musiker sang Frierson mit mehr Hingabe: „I Can’t Go for That“ etwa von dem amerikanischen Duo Hall and Oates oder „Express Yourself“ von Madonna. Bei solchen Ausflügen zeigten sich auch seine besonderen Live-Qualitäten als Entertainer: als er plötzlich anfing zu jodeln oder Geschichten erzählte, wie er als Universal-Musiker Al Jarreau bei einem Konzert in Mannheim in der Garderobe treffen durfte. Dann imitierte er den Star, wie dieser das ganze Gespräch nervös scattete und ihm ansonsten kaum ein normaler Satz zu entlocken war. Als Hommage an sein großes Vorbild ließ Frierson Al Jarreaus Version von „Take Five“ folgen mit nicht minder munterem Scat-Gesang und sogar ein paar wunderbar schrägen Improvisationen zum Schluss. Ein andermal verblüffte Frierson sein Frankenthaler Publikum mit einer komplett in schwindelerregenden Falsett-Höhen gesungenen Interpretation des Prince-Hits „Kiss“, die zuweilen ein wenig an Mickey Mouse erinnerte und ihn zu einer kleinen erzählerischen Exkursion über seine Leistenbruch-Operation animierte: Da fabulierte er darüber, wie die ihn zu dem hohen Gesang befähigt haben könnte. Befähigt hat ihn diese OP jedenfalls dazu, dieses Gastspiel in Frankenthal zu geben, denn der Chirurg Marc Pointner, der mit ihm früher als Bassist Musik gemacht habe und der heute ein Mitglied der IG Jazz ist, hatte ihn damals unter dem Messer. Zwei Stunden ging das so, und Frierson hätte wohl gerne noch weitergemacht: trotz „Sperrstunde“. Vor ihm stand ein anderes Eigengewächs der IG Jazz auf der Bühne: die Bigband Track 4. Beeindruckend ist, was Schatka hier in nur einem Jahr auf die Beine gestellt hat. Zwar hörte man in der Bläser-Section noch die eine oder andere Schwierigkeit heraus, Spannung zu halten. Doch die Einsätze kamen knackig und punktgenau. Und die Rhythmusgruppe um den Mannheimer Schlagzeuger Johannes Hamm, der neu dazugestoßen ist, agierte druckvoll und spritzig bei Latin, Funk und Swing. Am Bass war Marco Johannes zu hören, am Keyboard Daniel Stein und an der Gitarre Gereon Hoffmann, der auch einige sehr prägnante Soli zu bieten hatte – etwa bei „Hot it Up“ oder mit verzerrtem Klang bei „Funky M“. Auch Carlo Wagner am Altsaxofon und selbst die erkältete Sängerin Gabriele Kipper überzeugten bei ihren Einsätzen als Frontleute im Rampenlicht. Obwohl die Bigband schon sehr üppig mit Bläsern ausgestattet ist – sechs Saxofonisten, vier Posaunisten und zwei Trompeter drängten sich auf der kleinen Bühne und sorgten für einen satten Klang –, sucht Schatka noch Blechbläser, die bei Track 4 einsteigen möchten, wie er sagte.

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