Frankenthal Nahbar und entspannt

„Wir können auch nicht singen“, verkündet Peter Brugger in dem Song „1. Wahl“ – und tut’s trotzdem.
»Wir können auch nicht singen«, verkündet Peter Brugger in dem Song »1. Wahl« – und tut’s trotzdem.

„New York, Rio, Rosenheim“ – und nun Worms: Zum ersten Mal machten die Sportfreunde Stiller am Freitagabend in der Nibelungenstadt Station. Beim Festival Jazz and Joy spielten die bayerischen Indie-Rocker das Sonderkonzert auf dem Marktplatz vor dem Rathaus und sorgten mit Hits aus 21 Jahren Bandgeschichte und ihrer sympathischen Art für einen launigen Abend.

„Habt viel Spaß mit Liedern gespielt von uns für Euch“, sagte Peter Brugger zu Beginn des Auftritts. Wobei der Sänger gleich bekannte, dass die Band noch nie auf einem Jazzfestival gespielt habe. Schlagzeuger Florian Weber versprach denn auch artig, ein Jazzstück oder zumindest eine ordentliche Portion Swing abzuliefern. Allerdings erst zu vorgerückter Stunde und nach einigen Bieren. Los ging’s mit Material aus dem aktuellen Album, mit dem sich die Sportis 2016 nach dreijähriger Pause zurückgemeldet hatten. In der Folge wechselten die Münchner neue Songs wie „Sturm und Stille“, „Lumpi“ oder „Zwischen den Tönen“ mit altbewährten Hits. „Ein Kompliment“, „7 Tage, 7 Nächte“, „Wunderbaren Jahren“ und „Das Geschenk“ fehlten genauso wenig wie „Ich, Roque“ oder „Alles Roger“. Den Münchnern wird ja häufig vorgeworfen, nur über ein Thema singen zu können: Fußball. Als wollten sie das Gegenteil beweisen, verzichteten sie in Worms auf ihre Hymne „’54, ’74, ’90, 2006“, die bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland im Fernsehen und im Radio rauf und runter gespielt wurde. Drummer Weber machte auf der riesigen Bühne von hinten gewohnt viel Druck, Gitarrist Brugger und Bassist Rüdiger Linhof sorgten für ein schnörkelloses und geradliniges Rockfundament. Kreativ oder experimentell ist das alles nicht, aber es funktioniert seit dem Debütalbum „So wie einst Real Madrid“ von 2000 und begeistert das Publikum noch heute. Immerhin waren in Worms, wie der erstaunte Brugger auf Nachfrage erfuhr, viele zum ersten Mal auf einem Sportfreunde-Stiller-Konzert. Eines zeigte sich natürlich auch diesmal: Gute Sänger sind die drei nicht. Aber das haben sie auch nie behauptet. Eigenen Unzulänglichkeiten begegnen sie mit Selbstironie wie im Song „1. Wahl“. Darin heißt es: „Wir waren nie bei einem Casting – uns hat niemals wer gefragt – wir können auch nicht singen – haben wir auch nie gesagt.“ Oder wie Florian Weber nach dem Titel, der begeistert mitgesungen wurde, bekannte: „Wir suchen die Töne wie Kinder die Ostereier.“ Dafür haben die Sportfreunde Stiller einige schöne Zeilen geschrieben. In „Siehst Du das genauso?“ fordert Frontmann Brugger die Zuhörer dazu auf, einfach mal wieder öfter in den Himmel zu schauen und etwas gelassener zu sein. „Ging es nach mir, sollten wir viel mehr aufeinander schauen – ein einziger freundlicher Blick macht manchmal wieder alles gut, ein guter Freund neuen Mut.“ Die Sportis preisen die Freude an den kleinen Dingen, und das macht sie so nahbar und sympathisch. Von Politik oder Gesellschaftskritik lassen sie lieber die Finger. Stellungnahmen dazu gibt es bei ihnen im Gegensatz zu vielen Kollegen nicht, und das ist durchaus wohltuend. Die Münchner spielen einfach ihre Musik runter und machen zwischendurch lieber Quatsch auf der Bühne. Da wurde Brugger zum – sehr passablen – Schlagzeuger, während Weber singend und rappend seine tänzerischen Qualitäten unter Beweis stellte. Die nette Art übertrug sich aufs – vom Alter sehr gemischte – Publikum. Nach einer halben Stunde schwangen alle die Arme. Es waren sehr entspannte Eindreiviertelstunden mit den Sportis an einem schönen Freitagabend. Ein schöner Wochenausklang und Beginn für das Wormser Festival. Auch wenn der ganz große Besucherandrang auf der Bühne vor dem Wormser Rathaus ausgeblieben ist. Allein das versprochene Jazzstück blieb die Band trotz einiger gewollt schräger Töne auf Keyboard und Trommeln schuldig. Vielleicht beim nächsten Mal. Zum Abschluss gab’s mit „Fast wie von selbst“ den ersten großen Hit der Gruppe, dann verbeugten sich die Sportis, bedankten sich ein letztes Mal und winkten ihren Fans, von denen es sich einige auf Dächern der umliegenden Häuser bequem gemacht hatten.

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