Landau Ins kalte Wasser geworfen

Seit mittlerweile zehn Monaten sind die Landauer Fee Traut und Lukas Neidlein als Freiwillige in Ruanda. RHEINPFALZ-Mitarbeiter Nils Salecker traf sie in der Hauptstadt Kigali und sprach mit ihnen über grobe Missverständnisse bei ihrer Arbeit als Assistenzlehrer, das Leben auf dem Dorf und Ausflüge hinaus aus dem Alltagstrott.

Das Gespräch ist im „Bourbon“, einem Café der gehobeneren Klasse über den Dächern Kigalis. Aus der „Komfortzone Deutschland“ abzutauchen, war einer der Gründe für Fee, sich für ein Jahr in Ruanda zu entscheiden. „Jetzt weiß ich Deutschland mehr zu schätzen“, sagt die 19-Jährige. Im „Bourbon“, wo der Kaffee doppelt so viel kostet wie in anderen Restaurants der Stadt, tauchen sie und ihr Begleiter Lukas kurzzeitig wieder auf — ein Moment des Ausgleichs zu ihrem Projektalltag. Dieser spielt sich zwar nur eineinhalb Autostunden entfernt, in Ruhango, einer von Landwirtschaft geprägten Kleinstadt südwestlich Kigalis, ab. Doch schon wenige Kilometer hinter der Metropole empfing sie im Juli eine für die beiden bis dato komplett konträre Welt. Damals waren sie die Strecke das erste Mal gefahren, mit einem sehr mulmigen Gefühl. „Die Ankunft war das Allerschlimmste“, blickt Lukas zurück, „je weiter draußen wir waren, desto dunkler wurde es. Das war irgendwie dschungelmäßig.“ Doch die schlimmsten Befürchtungen vergingen schnell. „Es ist in jeglicher Hinsicht so sicher hier“, ist Fee positiv überrascht. Ihre Vorsichtsmaßnahmen, wie das Geld im Brustbeutel aufzubewahren, bauten sie schnell ab und damit auch ihre Hemmungen, sich auf die neue Kultur einzulassen. Das mussten die beiden allerdings schneller, als ihnen lieb war. Denn eigentlich als Lehrassistenten am Collège Bethel, einer auf Computertechnik spezialisierten Schule, angetreten, konnten beide das „Assistent“ vorerst getrost streichen. „Wir hatten von Beginn an zu viel Eigenständigkeit und mussten nach dem ersten Morgenappell direkt zwei Tage alleine unterrichten“, erläutert Fee. Um die Gastfreundschaft nicht aufs Spiel zu setzen, ließen sie sich zunächst darauf ein. „Es war sehr schwer, zu den Schülern durchzudringen“, erzählt die 19-Jährige. Die Misere erreichte ihren Höhepunkt im Herbst. Die selbst erst frisch gebackenen Abiturienten sollten eigenständig die Examensnoten ihrer Schüler erstellen. „An dem Punkt wollten wir uns der Verantwortung entziehen“, sagte Lukas: „Wir wollten nicht über den Abschluss und die Zukunft der Schüler entscheiden.“ So kommunizierten sie das auch der Schulleitung. „Sie sahen uns quasi als Arbeitgeber“, bringt der 20-Jährige das Missverständnis auf den Punkt: „Wir mussten klar machen, dass wir für sie arbeiten.“ Die seither veränderte Lage vor Ort verbesserte ihre Laune dann zusehends: Seit Februar stehen beide nur noch Lehrern zur Seite, die sie sich selbst aussuchen durften. „Am Anfang hat sich niemand getraut, den Finger zu heben. Mittlerweile führen wir Debatten“, freut sich Lukas, der eine elementaren Erkenntnis erlangt hat: „Die Frage war nicht, was nehme ich mit. Sondern, was kann ich geben.“ Er sei eines Besseren belehrt worden. „Es geht alleine um den Austausch.“ Außerhalb des Unterrichts gibt es für die beiden Freiwilligen allerdings kaum Kontakte in Ruhango. Denn wirkliche Freunde haben sie dort keine. „Die Schule will das nicht“, erklärt Lukas, „außerdem gibt es dort keine Anknüpfungspunkte.“ Vor allem die Sprachbarriere stehe dem im Weg. „Die Leute können kein Französisch und kaum Englisch.“ Von der Landessprache Kinyarwanda beherrschen sie und Lukas nur „Brocken“, schildert Fee. „Wenn wir da etwas länger sind, denken wir: Wir müssen nach Kigali“, offenbart Lukas. „Ich brauche Party und will meine Freunde treffen“, suchte vor allem er bei Reisen nach Uganda, Burundi, auf die Touristen-Insel Sanisbar, zu den berühmten Berggorillas im Virunga-Nationalpark — oder eben in den zahlreichen Komfortzonen der Hauptstadt Abwechslung: Dort lief der augenfällige Blondschopf schon als Model auf einer Modenschau und wird demnächst im Musikvideo der über die Landesgrenzen hinaus bekannten Sängerin Teta Diana zu sehen sein. „Ich habe hier schon ein bisschen Fame bekommen“, sagt Lukas mit einem Augenzwinkern.

x