Frankenthal Blitzeis bei minus 196 Grad

91-91025143.jpg

Mehr Geschmack, weniger Kalorien: Eis am Stiel von der Frankenthaler Veru GmbH soll sich von anderen Produkten deutlich abheben. Entscheidend dafür ist ein neues Herstellungsverfahren. Zur schnellen Kühlung wird flüssiger Stickstoff eingesetzt. Nun hat die Firma sich beim Wirtschaftsforum vorgestellt.

„Bei Eis am Stiel hat sich in Deutschland seit Jahrzehnten wenig bewegt“, sagt Christian Broser, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Veru GmbH. Langnese, das zum Unilever-Konzern gehört, und Schoeller beherrschten den Markt. Nur mit wirklich neuen Rezepten könne man den Wettbewerb gegen solche Konkurrenten aufnehmen. Und die habe man bei Veru in mehrjähriger Entwicklungsarbeit gefunden, sagt der 35-jährige Wirtschaftsingenieur. Schon optisch hebt sich Veru-Eis, das seit dem Frühsommer auf dem Markt ist, vom bisher Bekanntem ab: Gewürfelt und kantig sitzt es auf dem Stiel; „mehr Sauerstoff“ soll so beim Genuss in den Mund strömen und den Geschmack verstärken. „Wir verwenden echte Früchte und keine Aromen“, sagt Broser zur Rezeptur. „Und wir brauchen auch keine Stabilisatoren; bei anderen Herstellern finden Sie dagegen jede Menge E-Stoffe auf der Verpackung angegeben.“ Möglich werde das durch den besonderen Herstellungsprozess: Flüssiger Stickstoff, minus 196 Grad kalt, wird zum Herunterkühlen der frisch zubereiteten Speiseeismasse verwendet, die überwiegend aus Joghurt besteht. „Stand der Technik bisher war, dass man bis minus 40 Grad runtergeht“, erläutert Broser. Mit dem neu entwickelten Stickstoff-Verfahren laufe der Kühlprozess deutlich schneller. Ein Vorteil: Auch der kritische Temperaturbereich zwischen minus 2 und minus 12 Grad werde wesentlich zügiger durchquert, in dem entstehen kann, was Eishersteller unbedingt vermeiden wollen: sperrige Eiskristalle, die sich später unangenehm bemerkbar machen würden. Um das zu verhindern, werde bei industriell hergestelltem Speiseeis sehr viel Luft zugemischt, sagt Broser. Und Veru-Eis wirke eben deutlich kompakter, „weil wir’s nicht um den Faktor drei aufblasen“. Dass das neu entwickelte Eis durch diesen Prozess besonders kalorienarm hergestellt werden könne, sei „ein schöner Nebeneffekt“. Auf 66 bis 105 Kilokalorien beziffert der Hersteller den „Brennwert“ der 44-Gramm-Portion, die es bis jetzt in fünf Geschmacksrichtungen gibt. Weitere sollen dazukommen. Zu Hause gelagert werden könne das Eis konventionell im Tiefkühlfach. 80 Prozent der Käufer sind Frauen, schätzt Broser. Die Marketingkampagne für Veru – der Name ist vom lateinischen Begriff für „Wahrheit“ abgeleitet – setzt stark auch auf den Begriff der Nachhaltigkeit: Mit Ressourcen werde sparsamer umgegangen als bei herkömmlicher Herstellung, selbst Stiel und Verpackung seien neuartig – hergestellt aus weitgehend kompostierbarem Material. Ein Partner bei Letzterem sei die BASF, „die 2015 auf uns aufmerksam geworden ist“, berichtet Broser. Bei der Grundlagenforschung für Fragen der Nahrungsmittel-Wissenschaft gebe es eine Zusammenarbeit mit der Universität Berlin. Vom Bundeswirtschaftsministerium habe man eine Auszeichnung als besonders „innovatives Mittelstandsprojekt“ bekommen. Christian Broser, der Motor des neuen Unternehmens, kommt aus einer Familie, in der Entwickeln und Tüfteln dazu gehören. Sein Vater Johann Broser (61) sei beim Industriegas-Hersteller Messer Griesheim verantwortlich für den Vertrieb von tiefgekühlten Gasen gewesen und habe sich dann selbstständig gemacht. In Frankenthal bauten Vater und Sohn die Broser GmbH auf, ein mittelständisches Unternehmen, das in ganz Deutschland flüssigen Stickstoff und damit verbundene Dienstleistungen anbietet. „Kaltdehnen“ etwa ist ein Verfahren, mit dem große Bauteile „geschrumpft“ und dann passgenau zusammengefügt werden können. „Rohrfrosten“ ist eine Technologie, die technische Arbeiten an großen Rohrleitungen vereinfachen kann. Industrie und Gesundheitsbranche seien die bedeutendsten Kundengruppen, sagt Broser. „Vor etwa vier Jahren hat dann auch die Gastronomie angefangen, bei uns anzurufen.“ Auch dort würden unter dem Schlagwort „Molekularküche“ besondere Vorteile der Tieftemperatur-Technik genutzt. Dass es mittlerweile eine Zusammenarbeit mit Sterne-Köchen wie Tommy Moebius („Die Ente“, Ketsch) gebe, vermerkt Broser stolz. Über solche Kontakte sei die Idee entstanden, selbst auf das Feld der Speiseeisproduktion zu gehen. Hergestellt werde das in Frankenthal entwickelte Eis in einem Mannheimer Betrieb; dafür habe man Technik und Know-how geliefert. Die Broser GmbH wachse seit neun Jahren stetig, sagt deren jüngerer Mitgesellschafter. Jedes Jahr kämen „ein bis zwei neue Mitarbeiter“ hinzu. Zurzeit verfüge das Frankenthaler Unternehmen – einschließlich Niederlassung in Berlin – über einen Stamm von zwölf Beschäftigten. Für das Projekt Veru arbeiteten zwei bis drei Stammkräfte und etliche freie Mitarbeiter. Vermarktet werde das Eis bisher über den „hochwertigen Einzelhandel“ – darunter in Frankenthal den Edeka-Markt Stiegler im Foltzring –, über Feinkosthändler und die gehobene Gastronomie. Das Berliner Hotel Kempinski nennt Broser als Referenz für diese Branche. Das Marketing laufe vor allem über die sozialen Netzwerke im Internet. „Das ist ein Aufwand, den wir noch stemmen können.“ Die bisherigen Rückmeldungen seien ermutigend: „Die Zeichen stehen gut, dass wir auf ordentliche Stückzahlen kommen“, sagt Broser. Für den Vertrieb in die Schweiz sei bereits ein „Exklusivpartner“ gefunden. Nach derzeitigem Stand könne man schon 2017 mit schwarzen Zahlen rechnen.

x