Bad Dürkheim Zuckerwatte und Zwietracht

In den Lettern der Liebe, aber nicht auf festem Boden: Das Bühnenbild in „Kasimir und Karoline“ führt Wandel statt Dauer vor Aug
In den Lettern der Liebe, aber nicht auf festem Boden: Das Bühnenbild in »Kasimir und Karoline« führt Wandel statt Dauer vor Augen.

„Und die Liebe höret nimmer auf“, zitiert Ödön von Horváth als Motto seines Stücks einen Bibelsatz. Doch in „Kasimir und Karoline“, vom Theater an der Weinstraße (TadW) in der neuen Freilichtsaison inszeniert, scheitert dieses Wunschbild. Statt dessen endet die Liebe in Zwist und Trennung. Die Proben laufen auf Hochtouren, am 10. Juni wird in der Klosterruine Limburg Premiere gefeiert.

In großen Lettern erblickt man über der Bühne schwebend das Wort „LOVE“. Fast erinnern die Buchstaben im beweglichen Hin und Her an die Gondeln einer Schiffsschaukel. Ein gelungenes Bild dafür, dass die Akteure festen Boden unter den Füßen verlieren. Das widersprüchliche Gefühl (oder Geschäft?) der Liebe erlebt der Zuschauer im krassen Gegensatz zum eingangs formulierten Ideal aus dem Paulusbrief. Von Dauer oder Duldsamkeit in der Liebe ist hier nichts zu spüren. Die Geschichte von Kasimir und Karoline spielt in der Zeit nach der schweren Wirtschaftskrise von 1929. Arbeitslosigkeit und Existenzangst prägen das Handeln und Empfinden der Menschen. Doch die Inszenierung bleibt weder zeitlich noch räumlich fest gebunden. Als Ort des Geschehens wählte der österreichisch-ungarische Autor für sein 1932 uraufgeführtes Stück das Münchener Oktoberfest. TadW-Regisseurin Susanne Schmelcher versetzt die Handlung passend auf den Dürkheimer Wurstmarkt. Die freiberufliche Regisseurin arbeitete nach ihrem Studium der Theaterwissenschaft am Pfalztheater Kaiserslautern, am Stadttheater Heidelberg und an der Landesbühne Tirol in Innsbruck. Am TadW wirkte sie schon mehrfach als Schauspielerin und in der Regiearbeit mit. Bei den Proben setzt die professionelle Theaterfrau auf enge, intensive Zusammenarbeit mit den Darstellern. Sie sollen sich mit eigener Persönlichkeit in ihre Rollen einfühlen. Eine besondere Herausforderung für die Darsteller des Bühnenpaars, dessen Emotionen kaum unterschiedlicher sein könnten. In Feierlaune ist nur Karoline, nicht aber ihr Freund, der gerade seine Arbeitsstelle verloren hat. Zwischen Zuckerwatte und Festmusik scheinen Zank und Zerwürfnis unausweichlich. In den Rollen von Kasimir und Karoline wird man Levin Steinbach und Naomi Hutomo sehen; beide stehen beim TadW zum ersten Mal auf der Bühne. Während Steinbach vom Heidelberger Theater kommt, fand Naomi Hutomo über ein Casting im vergangenen Dezember zum TadW. Auch weitere zentrale Rollen werden mit jungen Darstellern besetzt, so spielen Jakob Dreyer den „Merkel Franz“ und Marisa Völker „dem Merkel Franz seine Erna“. Die Proben zeigen einen sprunghaften Handlungsverlauf mit vielen, kurzen Szenen. Das passt zur Stimmung des Volksfestes, wo optische und akustische Eindrücke schlagartig wechseln. Während sich das Karussell der Liebe bis zum Schwindeln dreht, treiben und schlingern die Mitfahrenden mit, hoffend und traurig, verzweifelt und rücksichtslos. Mal sucht Kasimir die Nähe von Karoline wieder zu gewinnen, mal wirbt sie erneut um ihn – das sind Szenen, in denen Susanne Schmelcher die ganze emotionale Energie ihrer Darsteller einfordert. Es geht um viel Enttäuschung in dieser Geschichte und darum, ob und wie Menschen damit fertig werden. Horváth nannte sein Werk ein Volksstück – eine Gattung, deren Charakter er grundlegend umgestaltet. Seine Figuren sind geprägt von gesellschaftlichen Entwicklungen, von Vereinzelung und Beziehungslosigkeit. Das Publikum erlebt wechselnde Extreme von lauten und leisen Szenen. Mal geht es zart zu, mal drastisch bis zur Massenschlägerei. Auch was klischeehaftes Verhalten angeht, nimmt die Regie den Autor beim Wort. Die Menschen taumeln zwischen Leichtigkeit und Schwerem, wirken tragisch oder zum Lachen komisch. Auf dem stimmungsvoll beleuchteten Jahrmarkt, der vor der Limburgkulisse in die Nacht taucht, suchen sie fieberhaft das Glück. Sie wechseln Beziehungen und tauschen Partner. Aber bedeutet das ein Happy End? Info Premiere auf der Limburg am Samstag, 10. Juni, um 20.30 Uhr. Weitere Vorstellungen am 15. ,16., 17., 23., 24. und 30. Juni sowie am 1. Juli, jeweils um 20.30 Uhr. An diesen Abenden ist die Durchfahrt zur Limburg nicht möglich, ab 18.45 Uhr gibt es einen kostenlosen Buspendelverkehr ab Wurstmarktplatz und Busbahnhof.

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