Neustadt Bei Wind und Wetter

Fast 3200 Arbeitsstunden haben die Freunde der Kaiserslauterer Gartenschau bisher in die Weidenkirche gesteckt. Seit dem Aufbau im Jahr 2004 ist immer etwas zu tun: Die Weiden müssen gestutzt und neu gebunden, das Totholz entfernt und neue Setzlinge gepflegt werden. Am Samstag steht ein Jubiläum an: Die Gartenschaufreunde feiern ihren 100. Arbeitseinsatz.

Dienstagmorgen, 9 Uhr, auf dem Kaiserberg in Kaiserslautern. Der Wind weht eisig, die grauen Wolken am Himmel sehen nicht gerade einladend aus. An der Weidenkirche wird fleißig gearbeitet. Im Moment ist das lebende Gotteshaus noch ziemlich strubbelig. Weidenzweige stehen nach allen Richtungen ab, tote Stämme hängen lose in den alten Bindungen. Bis zum ersten Gottesdienst am Ostersonntag muss das anders werden. In dicken Jacken, festen Schuhen und mit warmen Fleecebändern für die Ohren legen die Freiwilligen los. „Wir haben hier schon bei jedem Wetter gearbeitet“, sagt Edeltraud Schläfer. In ihrer pinkfarbenen Jacke ist sie gut gerüstet, nur die warmen Schuhe hat sie daheim vergessen. Daheim, das ist Schönborn im Donnersbergkreis. Denn die Weidenkirche ist nicht nur für die Kaiserslauterer etwas Besonderes. Angefangen hat alles mit einem Aufruf in der RHEINPFALZ, in der Freiwillige für den Aufbau der Weidenkirche gesucht wurden, erinnert sich Schläfer. Sie habe sofort angerufen, um sich zu melden, voller Sorge, dass es vielleicht keinen Platz mehr gebe – stattdessen war sie die Erste, die sich gemeldet hatte, erzählt sie und schneidet einen dicken Weidenzweig ab. Zusammen mit ihrem Mann, Hans Schläfer, kommt sie regelmäßig, um die Kirche zu pflegen. Als Nächstes will sie in ihrem Garten ein Weidenhäuschen für ihren Enkelsohn anpflanzen – mit seinem halben Jahr hat auch er schon Erfahrungen mit der Weidenkirche gesammelt; er war vergangenes Jahr das Jesuskind beim Weihnachtsgottesdienst. „Wir haben hier eine tolle Gemeinschaft“, schildert Ralf Henze, der die Pflege der Weidenkirche organisiert. Etliche, die damals beim Aufbau der Weidenkirche, die 2004 eingeweiht wurde, beteiligt waren, haben sich 2007 im Verein Freunde der Gartenschau zusammengeschlossen, wie der Vorsitzende Dietmar Theiss erzählt. Seither haben die Vereinsmitglieder die Pflege der Weidenkirche übernommen. Über jeden Einsatz wird genau Buch geführt: wie viele Helfer da sind, wie lange sie gearbeitet haben, was sie gemacht haben. Knapp 3200 Arbeitsstunden habe der Verein mittlerweile in die Pflege der Weidenkirche gesteckt und der Gartenschau damit einiges an Ausgaben gespart, ist Henze überzeugt. Hätte die Arbeit bezahlt werden müssen, wären das rund 80.000 Euro gewesen, hat er überschlagen. Für Henze ist die Weidenkirche mittlerweile zur Familienangelegenheit geworden. Seine Frau Claudia sorgt regelmäßig für das Frühstück, das nach einem Arbeitseinsatz in der Kälte heiß erwartet wird. Auch die drei Söhne der Familie packen mit an – so oft es der Beruf erlaubt. „Es wäre schön, wenn sich mehr junge Menschen engagieren würden“, wünscht sich Henze. Gerade wenn es in die Höhe geht – Arbeiten am Gipfel der Kirche in 15 Metern Höhe seien etwas für Schwindelfreie. Und woher wissen die Helfer so genau, wie sich eine Weidenkirche pflegen lässt? „Das haben wir uns in der Praxis beigebracht“, sagt Johannes Nonnengart und steigt auf die Leiter. „Ein bisschen Höhe braucht man schon zum Arbeiten“, erklärt der 81-Jährige. Mit beherzten Schnitten kürzt er die Weidenzweige und biegt, putzt und werkelt an den verschiedenen Säulen. „Weiden sind sehr pflegeleicht und wachsen sehr schnell“, stimmt Dietmar Theiss zu. Denn am Anfang habe keiner besonders viel über Weiden gewusst, erinnert sich der Vorsitzende der Gartenschaufreunde. Thomas Zinßmeister, der ehemalige Geschäftsführer der Gartenschau, habe die Idee zur Kirche damals aus Rostock mitgebracht. Im Moment ist die Weidenkirche noch grau und braun, aufs erste Grün freuen sich alle. So wie Margot van der Auwera. Sie kommt aus Winnweiler und hat ebenfalls vor Jahren aus der RHEINPFALZ von der Weidenkirche erfahren. Damals war sie noch Lehrerin an einer Grundschule, an der zu der Zeit selbst Weidenhäuschen auf dem Gelände angelegt werden sollten. Also machte sich van der Auwera auf und schaute sich in Kaiserslautern an, wie das mit der Weidenpflege so funktioniert. Aus dem Projekt an der Schule ist nichts geworden, aber in Kaiserslautern ist sie hängengeblieben, erzählt sie, wie sie zur Pflege der Weidenkirche kam. Religiöse Motive stehen bei den Gartenfreunden nicht unbedingt im Vordergrund, erläutert Theiss, aber das Gemeinschaftsgefühl und die Freundschaften, die mittlerweile entstanden sind, will keiner mehr missen. Auch Gerhard Braun nicht. „Ich bin Rentner, das hier ist einer von meinen Nebenjobs“, sagt er lachend. Nach einer Stunde Arbeit pfeift der Wind immer noch scharf durch die gotischen Bögen und Säulen der Kirche. Zeit für Claudia Henze, Kaffee aufzusetzen. Noch ein paar Äste schneiden, und dann geht’s zum Aufwärmen ins Waldhaus. Ein gemütliches Kaminfeuer brennt schon.

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