Bad Dürkheim 1200 feuerrote Löschkübel

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Momentaufnahme: Das „Timing“ war blanker Zufall, hat aber genau gepasst. Da bereitet die Feuerwehr in Weisenheim/Bobenheim am Berg über Wochen eine Werbeaktion für neue Aktive vor – und zwei Nächte vorher macht eine Brandstiftung klar, wie wichtig eine funktionierende Löschtruppe tatsächlich ist.

Wenn es brennt, kommt die Feuerwehr. Darauf verlässt sich nicht nur in den Berggemeinden ein jeder. Zum freiwilligen Dienst in der Truppe sind jedoch immer weniger Menschen bereit – und so herrscht im Weisenheimer Gerätehaus Nachwuchsmangel. Um neue Mitstreiter zu werben, haben die Wehrleute jetzt zu einer ungewöhnlichen Methode gegriffen: Am Montagabend verteilten sie sage und schreibe 1200 Wassereimer an sämtliche Haushalte – zum Selberlöschen, falls eines Tages „die Hütte brennt“ und keine Freiwillige Feuerwehr mehr existiert. Wer kommt denn eigentlich, wenn man die 112 wählt? Eine der Frage auf dem Zettel, den alle Bürger beider Orte am Dienstagmorgen in den knallroten Löschkübeln vor ihrer Haustür fanden. Die Antwort gab’s gleich dazu: Es ist der Nachbar, der Freund, der Handwerker oder der Winzer aus dem Ort. So einer wie Sascha Krämer beispielsweise, 41 Jahre alt und schon ein Vierteljahrhundert in der Löschtruppe aktiv, seit vier Jahren Wehrführer. Seit 1994 trainieren die beiden Ortswehren gemeinsam, ein Jahr später bezogen sie ein neues Gerätehaus am nördlichen Ortsrand von Weisenheim. 28 Männer und zwei Frauen zählt die Mannschaft aktuell, darüber hinaus sind neun kleine Feuerwehrleute in der Bambini-Gruppe „aktiv“. Seit vier Jahren wird es Kindern schon im Grundschulalter ermöglicht, sich aufs Brandbekämpfen vorzubereiten. Eine Jugendfeuerwehr gibt es nämlich schon seit acht Jahren nicht mehr – eigentlich die klassische Quelle für junge Löschkräfte. Das Durchschnittsalter der Aktiven ist folglich mit 43 recht hoch, nur drei sind jünger als 30, immerhin ein Drittel dagegen über 50 Jahre alt, zählt Krämer auf. Es fehle an Nachwuchs, betont er im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Noch sei man zwar nicht am unteren Limit, und ab und an könnten auch neue Mitglieder hinzugewonnen werden. Die jedoch – der Wehrführer sieht es realistisch – seien meist über 30 und damit aus Feuerwehrsicht schon im „mittelalten“ Bereich. Und weil für Wehrleute in Rheinland-Pfalz mit dem 64. Geburtstag unweigerlich Schluss ist, kann Krämer sich ausrechnen, dass seine Truppe ohne Nachschub in den nächsten zehn Jahren deutlich schrumpfen wird. Darauf wollte die Feuerwehr jetzt mit den roten Kübeln aufmerksam machen. Nebst Anleitung: Wenn niemand mehr zum Löschen anrückt, wird es irgendwann ein jeder selbst tun müssen. „Wenn Feuer zu groß, mit den Nachbarn Kübelkette bilden“ – wird auf dem Beizettel lakonisch empfohlen. Was meinen denn die Bürger dazu? „Daumen hoch“ für die Aktion gibt es auf Nachfrage der RHEINPFALZ von Sabine Karr, obwohl ihr abseits gelegener Hof eimerlos blieb. Auf die sanfte Tour um Mitglieder geworben habe die Wehr ja oft genug mit mäßigem Erfolg, sagt sie. Sie glaubt nicht, dass es Jugendlichen an Engagement fehlt, eher nicht zuletzt wegen der Ganztagsschule an Zeit. Ein 69-jähriger Bobenheimer, selbst lange Jahre Feuerwehrmann, mag an den Erfolg der Eimeraktion nicht so recht glauben. Deren Eindruck auf Jugendliche hält er für genauso begrenzt wie den Nutzen des Eimers beim Feuerlöschen. Nun ist der im Notfall allein auf sich gestellte und beherzt zum Wassereimer greifende Bürger nicht wirklich das Ziel der Wehrleute, die nahezu geschlossen den Montagabend mit Bekleben und Austeilen der Eimer verbracht haben. Es sollen gezielt neue Mitstreiter gewonnen werden. Mit einem „Ansturm“ rechnet Krämer zwar nicht, aber wenn am Ende drei oder vier Leute dazukämen, sei schon viel gewonnen. Am liebsten wären ihm ein paar Kandidaten, die sich später auch dahin trauen, wo es besonders heiß ist – und sich für Einsätze mit Atemschutzgerät ausbilden lassen. Aktuell sind das sieben seiner Leute. Das sei nicht viel, gibt Krämer zu bedenken, zumal einige auswärts arbeiteten und nicht jeden Einsatz bestreiten könnten. Zudem braucht es vier Atemschutzträger: Zwei, die ein brennendes Objekt betreten, und zwei andere, die draußen zu deren eventueller Bergung bereitstünden. Auf Neulinge wartet zunächst aber eine Grundausbildung (siehe Zur Sache). An deren Ende werden sie mit einem Piepser ausgerüstet. Der gibt nicht nur Laut, sondern informiert auch über die Art des Einsatzes. Jeder entscheidet dann selbst, ob er teilnimmt, betont Krämer das Freiwillige an der Feuerwehr. Für eine brennende Mülltonne müsse man nicht mit Warnblinker von Ludwigshafen nach Hause flitzen. Dass gar kein Aktiver kommt, ist aber noch nie vorgekommen, sagt der Wehrführer. Damit das so bleibt, sind 1100 Euro aus der Mannschaftskasse investiert worden. Für den Druck der Aufkleber und Flugblätter sowie 600 Eimer. Die andere Hälfte hat eine Schweriner Firma gesponsert, deren Betriebsleiter Carsten Malschowsky aus Weisenheim stammt. Neben neuen Aktiven wünscht sich Krämer zugleich mehr Unterstützer im Förderverein der Feuerwehr. Mit den Geldern, die dort gesammelt werden, kann sich die Truppe leisten, was der Haushalt der VG nicht hergibt: Vom Defibrillator über den Erste-Hilfe-Koffer und Schutzausrüstungen bis hin zum Dummy, an dem Wiederbelebung geprobt werden kann. Sollten der Wink mit dem Eimer bei den Bürgern nicht fruchten und der aktive Löschtrupp immer weiter schrumpfen, so erklärt Krämer, haben die Ortsbürgermeister das Recht, Einwohner zwangsweise zum Dienst zu rekrutieren. Soweit wird es kaum kommen, wenn sich der eine oder andere vorstellen kann, was Sascha Krämer als das Schönste an seinem Ehrenamt beschreibt: Die Heimfahrten nach den Einsätzen. In der Gewissheit, Mitmenschen geholfen zu haben. Und darauf ein bisschen stolz sein zu können. Infoabend Dienstag, 2. Mai, 18 Uhr, Feuergerätehaus Weisenheim am Berg

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