Speyer Opposition ist Mist

Kurz vor den Toren zur Macht schlottern selbst den wackeren Genossen die Knie und die Stimme bricht ihnen weg. So viel Emotion und Geschlossenheit wie am Montagabend bei der Kür der Kandidatin für das Amt der hauptamtlichen Beigeordneten, Steffi Seiler, war schon lange nicht mehr unter den traditionell eher zerstrittenen Speyerer Vertretern der großen und stolzen demokratischen Arbeiterpartei. „Ich sehe zahlreiche langjährige Mitglieder vor mir und ich schaue in tief bewegte Gesichter. Und mir geht es genauso“, beschrieb Fraktionsvorsitzender Walter Feiniler die Situation am Ende der Sitzung. Die Rührung war dem Bald-Landtagsabgeordneten und Freiräumer des Weges zurück in den Stadtvorstand anzuhören. Er habe immer gesagt, die SPD müsse wieder da rein – das sei gut für Stadt und Partei. Nun: Dieses Ziel steht nicht nur im Koalitionsvertrag mit der CDU. Dessen sozialdemokratische Inhalte hatte Feiniler in seiner Präsentation der Kandidatin zunächst herausgestrichen und großen Applaus dafür geerntet. Nein: Dieses Ziel der SPD ist mit der Kür der Kandidatin – mit 64 Stimmen von 64 Stimmberechtigten – glasklar erreicht. Die Wahl im Februar dürfte Formsache sein. Nach 20 Jahren Abstinenz ist das Balsam auf die wunden Seelen der Genossen, die es sich „aber auch selbst schwer gemacht haben“, wie Feiniler ebenso selbstkritisch wie unwidersprochen einräumte. Gustav Pade vom Ortsverein Mitte erinnerte an die Leidenszeit: „20 Jahre Opposition im Stadtrat sind genug“, formulierte er. Franz Müntefering hatte es im Bundestag einst deutlicher gesagt: „Opposition ist Mist“. Die Gegner der SPD im Rat sind am Montag auch definiert worden: Mit den Grünen, „die gerne gewollt hätten“, habe es in der Sondierung zur „Plauderei“ gereicht, mit der Wählergruppe habe er nur in Teilen und dann „eigenartige“ Gespräche gegeben. „Die wollten gar nicht“, watschte der Fraktionschef beide Gruppen ab. Winfried Müller (OV Nord) begrüßte launig im AV03-Heim, der „Außenstelle des Ortsvereins Nord“ und ritt dann unter großem Beifall eine bissige Attacke gegen SWG-Mann Frank Scheid, den Seiler ablösen soll. „Er ist nicht nur vom Rädel, er ist auch in Ungnade gefallen“, spielte er auf dessen Unfall auf der Straße und dessen vorübergehende Kompetenzbeschneidung im Dezernat durch den OB an. Diese Frage blieb jedoch am Montag offen. Was springt raus bei der Neuverteilung der Bereiche? Genau darauf aber kommt es an. Denn nur wenn das in ihrem Sinne komme, könnte Steffi Seiler ihren vielen Ankündigungen eventuell sogar Taten folgen lassen, wenn sie es klug anstellt. Aber die Genossen 2.0 fühlen sich gerüstet. „Wer überzeugt von sich ist, kann sich auch selbst wählen“, kommentierte einer das Wahlergebnis ohne Enthaltung. Wie Kanzler Adenauer. Der wusste auch, dass Opposition Mist ist.

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