Wissen Kleine Beben, große Wirkung

Das chilenische Küstengebirge im Parque Nacional Pan de Azúcar.
Das chilenische Küstengebirge im Parque Nacional Pan de Azúcar.

Erdbeben sind wegen ihrer zerstörerischen Kraft gefürchtet. Dies gilt insbesondere für sogenannte Mega-Beben. Vergleichsweise wenig Beachtung fanden dagegen bisher kleinere Beben. Zu Unrecht meinen Geowissenschaftler. Denn ihr Einfluss auf die Erdoberfläche ist gewaltig.

Erdbeben sind aus menschlicher Perspektive die Naturkatastrophen, die den größten Schaden anrichten. So kosteten in den vergangenen 100 Jahren Erdbeben mehr als 200.000 Menschen das Leben und richteten enorme wirtschaftliche Schäden an.

Als besondere Bedrohung gelten Mega-Erdbeben der Stärke neun oder höher auf der Richter-Skala. Allerdings scheinen die unvorstellbaren Energien, die dabei freigesetzt werden, keinen Einfluss auf die Hebung von Gebirgen zuhaben, wie Geowissenschaftler der Universität Tübingen in einer Studie feststellen.

Wichtiger für die Landschaftsgestaltung ist die Energie kleiner Beben, die stetig im Hintergrund arbeiten. In den Untersuchungsgebieten Chile und Japan fanden die Forscher Parallelen zwischen deren seismischen Aktivitäten und dem Muster und Verlauf von Gebirgshebungen.

Platten sammeln Energie

Erdbeben entstehen in der Regel in den Bereichen der Erde, an denen Kontinentalplatten zusammenstoßen. Entlang der chilenischen Küste zum Beispiel wird die Nazca-Platte dabei unter die Südamerikanische Platte gedrückt, sodass letztere gestaucht wird und dabei über Hunderte von Jahren elastische Energie ansammelt.

„Entlädt sich diese Energie innerhalb einer kurzen Zeitspanne – häufig in weniger als einer Minute – kommt es zu Erdbeben bis hin zu Mega-Beben mit furchteinflößenden Erderschütterungen“, so Todd Ehlers. Dabei rutscht die ozeanische Platte unter die kontinentale.

Außerdem faltet sich am Rand der gestauchten Platte ein Gebirge auf – an der Westküste Perus und Chiles sind es die Anden, deren Berge eine Höhe von mehr als 6900 Metern erreichen. Auf den Inseln Japans, wo mehrere Kontinentalplatten zusammenstoßen, bilden Gebirge einen Großteil der Landmasse.

Energie faltet Küste auf

In der Studie untersuchten die Forscher Aufzeichnungen zu Erdbeben verschiedener Stärken entlang der Plattenränder Chiles und Japans und verglichen sie mit der dortigen Topografie, also Gestaltmuster und Form der jeweiligen Gebirge. „Als wir die Mega-Erdbeben und ihre kleineren Nachbeben aus unseren Berechnungen herausnahmen, stellten wir fest, dass sich Übereinstimmungen zwischen der freiwerdenden Energie aus der langsamen Daueraktivität kleinerer Erdbeben und der Auffaltung der Küste ergaben“, so Andrea Madella.

Solche Erdbeben, die vor allem in Tiefen von 30 bis 60 Kilometer stattfinden, haben eine Stärke von vier bis fünf auf der Richter-Skala. „Ganz offensichtlich sind diese kleineren Erdbeben bisher unterschätzt worden“, sagt Ehlers. „Sie sind dauernd im Hintergrund aktiv ohne besondere räumliche oder zeitliche Spitzenwerte. Es scheint ihre gesammelte mächtige Energie zu sein, die die Berge über Zeiträume von Jahrmillionen wachsen lässt.“

Doch was passiert mit der Energie aus den Mega-Erdbeben? „Sie kann sozusagen die ganze Landschaft zyklisch verbiegen“, erklärt Madella. „Aber das bildet sich wieder zurück, und es kommt oft zu keiner dauerhaften Gebirgshebung.“ Ein, relativ gesehen, kurzfristiger Effekt also.

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