Wissen Frauen und Karriere: Flexibilität wichtig

Ein Ergebnis der Studie: Viele Frauen schweigen über ihr Muttersein, um sich die Chance auf eine Karriere nicht zu vermasseln.
Ein Ergebnis der Studie: Viele Frauen schweigen über ihr Muttersein, um sich die Chance auf eine Karriere nicht zu vermasseln.

Frauen wie Männer nehmen im privaten und beruflichen Umfeld viele verschiedene Rollen ein, das ist bekannt. Wie jedoch die vielfältigen Rollenvorstellungen von Frauen ihre Karriereentscheidungen und den Karriereerfolg beeinflussen, dazu hat nun ein Team der Universität Koblenz-Landau im Auftrag der Bertelsmann Stiftung geforscht.

Ziel der gemeinsamen Studie war es zu verstehen, wie Frauen durch ihre berufliche Karriere navigieren. Nur wenn bekannt ist, nach welchen Kriterien sie entscheiden und auf welche Voraussetzungen sie stoßen, lässt sich eine auf die Interessen und Bedürfnisse von Frauen abgestimmte Karriereförderung ermöglichen, so die Vorstellung der Forscher.

Mutterrolle wird versteckt

In Interviews mit 41 beruflich erfolgreichen Frauen identifizierten die Landauer Sozialwissenschaftler zahlreiche Rollen, mit denen Frauen ihre Karriere voranbringen oder die ihrem Karriereerfolg im Weg stehen können. So hatten viele Studienteilnehmerinnen den Eindruck, ihre Mutterrolle verstecken zu müssen oder in der Rolle einer Expertin nicht wirklich gehört zu werden. Die Landauer Wissenschaftlerinnen Gisela Gerlach und Xenia Görtz kombinierten in ihrer Studie Karriereentscheidungen und Rollenkonzepte, um durch diese Perspektive den Einfluss der eigenen Rollenvorstellungen und der Rollenerwartungen anderer Personen auf die Karriereentscheidungen von Frauen zu untersuchen. Die Frauen bewerteten die eigenen Karriereentscheidungen im Rückblick und identifizierten mit den Forschern neun Rollen, die sie im Nachhinein für ihren Karriereerfolg als förderlich oder als hinderlich empfanden.

Neun Rollen identifiziert

In der Rolle als Teamplayerin und Kümmernde beispielsweise kommen Frauen in ihrer Karriere voran. In diesen Rollen zeigen sie Empathie und sorgen sich um das Wohlergehen ihres sozialen Umfelds, was eine gute Zusammenarbeit und den Teamerfolg fördert. Auch die Rolle der Netzwerkenden fördert den beruflichen Erfolg. Wer sich in dieser Rolle austauscht, kann von Vorbildern lernen und erhält Anregungen durch Kontakte, die Ähnliches erlebt haben.

Loyalität lässt Karriere leiden

Als karrierehinderlich stellte sich unter anderem die Rolle der Loyalen und der Selbstkritischen heraus. Denn in der Rolle der Loyalen fühlen sich Frauen so sehr dem Vorankommen des gesamten Teams oder des Unternehmens verpflichtet, dass sie eigene Interessen vernachlässigen und die eigene Karriere leidet. Die Selbstkritische spielt die eigene Leistung herunter, indem sie Erfolg auf äußere Umstände oder einen glücklichen Zufall zurückführt. Auch eine private Rolle wird von den Studienteilnehmerinnen mit dem eigenen Karriereerfolg in Verbindung gebracht. Sie haben das Gefühl, in ihrem beruflichen Umfeld ihre Mutterrolle und die damit einhergehenden familiären Verpflichtungen verschweigen zu müssen, um ihrer Karriere nicht zu schaden. Anders als Männer das oft tun, setzten die Studienteilnehmerinnen Karriereerfolg nicht zwingend gleich mit hierarchischem Aufstieg oder finanzieller Sicherheit. Wichtig war ihnen auch die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen und den eigenen Gestaltungsraum zu erweitern. In Bezug auf ihre Karriereentwicklung zeigten sich die Interviewteilnehmerinnen sehr flexibel.

Flexibilität hilfreich für Erfolg

Statt klare Karriereziele zu stecken, gingen sie ihre Karriere mit großer Offenheit und Flexibilität an und waren dadurch offen für alternative berufliche Optionen. Diese Offenheit bewerteten die Befragten in der Rückschau als hilfreich für eine erfolgreiche Karriere.

Auch Männer fördern

„Die Studienergebnisse liefern viele Ansatzpunkte, um Frauen zu fördern und ihnen Karrieren zu eröffnen, die sie als wirklich erfolgreich erleben“, unterstreicht Gisela Gerlach, Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Universität in Landau und Leiterin der Studie. So sollten Arbeitgeber Frauen dabei unterstützen, die eigenen und fremden Rollenvorstellungen zu erkennen, um mit Rollenkonflikten besser umgehen, karrierehinderliche Rollen meiden und karriereförderliche Rollen gezielt einnehmen zu können. „Auch sollte der Mut, alternative Karrierewege zu gehen, durch die Entwicklung einer flexiblen Haltung gefördert werden. Denn so eröffnen sich Frauen Karrierewege, die besser ihren eigenen Erwartungen entsprechen“, empfiehlt Sozialwissenschaftlerin Xenia Görtz. Die Studienergebnisse zeigten auch, so Görtz, dass immer noch viel Handlungsbedarf bestehe. Und das nicht nur bezogen auf die Karrierechancen von Frauen, sondern auch auf die einengenden Rollenerwartungen, mit denen Männer konfrontiert würden. Daher sollte sich eine Förderung nicht nur an Frauen richten, sondern zu einem Umdenken in Bezug auf beide Geschlechter führen. „Es ist für Männer und Frauen wichtig, sich auf ihrem Karriereweg immer wieder bewusst zu machen, welche eigenen Rollenvorstellungen sie haben und welche fremden Rollenerwartungen ihnen begegnen oder ihnen in angestrebten Positionen begegnen werden“, so Görtz. Jeder sei selbst in der Pflicht, durch Einwirken auf das berufliche und persönliche Umfeld ein Umdenken in der Gesellschaft voranzutreiben, wie die Interviewteilnehmerinnen betonten.

Augen offen halten

„Damit wir Frauen beruflich erfolgreich und glücklich sind, genügt es nicht, bessere Rahmenbedingungen und mehr Frauenförderung zu fordern“, so Gerlach. „Wir müssen uns den eigenen Ansprüchen und Vorstellungen bewusst werden und durch eine flexible Haltung der eigenen Karriere gegenüber die Augen nach Positionen und beruflichen Rollen offenhalten, die zu uns passen.“ idw

Info

  • Die Studienergebnisse sind in der Publikation „Frauen gehen eigene Wege. Neue Rollen und Karrieren für zukunftsfähige Organisationen“ der Bertelsmann Stiftung nachzulesen. Diese ist frei zugänglich unter www.rollenundkarrieren.de. Weitere Einblicke in die Studienergebnisse gibt es auch auf dem Blog „Creating Corporate Cultures“ der Bertelsmann Stiftung unter https://blog.creating-corporate-cultures.org.
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