Wissen Die Angst vorm Schwarzen Tod

Die Darstellung, aufgenommen im Museum in Volterra, zeigt einen Pestarzt des 17. Jahrhunderts in der typischen Schutzkleidung un
Die Darstellung, aufgenommen im Museum in Volterra, zeigt einen Pestarzt des 17. Jahrhunderts in der typischen Schutzkleidung und den Karren, mit dem die Toten abtransportiert wurden. In manchen Regionen fielen 60 Prozent der Bevölkerung der Pest zum Opfer.

Wenn etwa Historiker, Archäologen und Biologen zusammenarbeiten, lassen sich manche Rätsel der Geschichte lösen. Und sie finden dabei auch Antworten auf aktuelle Fragen.

Die Corona-Pandemie hat das Interesse von Wissenschaft und Öffentlichkeit an früheren Seuchen und Pandemien neu geweckt. Dass die Spanische Grippe, im Schicksalsjahr 1918 ausgebrochen, bis 1920 geschätzte 50 bis 100 Millionen Menschen hinwegraffte und damit die größte Menschheitskatastrophe seit der Pest im 14. Jahrhundert war, war bis vor wenigen Jahren fast völlig aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden.

Auch die Pest ist wieder wissenschaftlicher Untersuchungsgegenstand geworden: Dabei gehen Forscherinnen und Forscher ganz ungewöhnliche Wege. Multidisziplinäre Teams aus Historikern, Archäologen und Genetikern tragen gemeinsam zur Lösung großer Rätsel der Vergangenheit bei.

Pest größte Pandemie der Menschheitsgeschichte

So teilte das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig vor Kurzem mit, dass der Schwarze Tod, die größte Pandemie in der Menschheitsgeschichte, nach neuesten Erkenntnissen im 14. Jahrhundert von Zentralasien ausgegangen sei.

Einem internationalen Forschungsteam sei es mit Hilfe von DNA-Analysen gelungen, den Ursprung der großen Pestepidemie in einem Gebiet nahe des Yssykköl-Sees im heutigen Kirgistan zu verorten. Dort habe es innerhalb einer lokalen Handelsgemeinschaft in den Jahren 1338/39 den vermutlich ersten Pestausbruch gegeben. Bislang wurde der Ausbruch der Pest vielfach in Ostasien verortet, speziell in China.

Die große mittelalterliche Pest wurde durch das Bakterium Yersinia pestis verursacht, das von Tieren auf den Menschen überspringen kann. Sie wütete in Europa zwischen 1346 und 1353 und hatte immense demografische und gesellschaftliche Auswirkungen. 1347 gelangte sie erstmals über Handelsschiffe vom Schwarzen Meer in den Mittelmeerraum. Die Krankheit raffte in einem einzigen großen Ausbruch, der als „Schwarzer Tod“ bekannt wurde, regional bis zu 60 Prozent der Bevölkerung dahin. Diese erste Infektionswelle weitete sich zu einer letztendlich 500 Jahre andauernden, immer wieder aufflackernden Pandemie aus, die bis ins frühe 19. Jahrhundert andauerte.

Grabinschriften deuten auf Epidemie hin

Wissenschaftler aus Leipzig, Tübingen und von der University of Stirling in Großbritannien stützen ihre neue Theorie jetzt auf archäologische Funde aus Zentralasien sowie Analysen alter Yersinia-pestis-Genome. Bei Ausgrabungen nahe des Yssykköl-Sees im heutigen Kirgistan waren bereits vor fast 140 Jahren Grabsteine gefunden worden, deren Inschriften darauf hindeuten, dass diese Menschen einer unbekannten Epidemie zum Opfer gefallen waren. Das internationale Forschungsteam konnte bei Personen, die laut Grabsteininschrift 1338 starben, DNA des Pestbakteriums nachweisen.

Bereits im Februar hatten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena eine Studie veröffentlicht, nach der Pollen-Analysen Hinweise auf die Auswirkungen der Pest und die Todeszahlen in Europa ermöglichten. Sie fanden heraus, dass der „Schwarze Tod“ zwar in bestimmten Regionen Europas besonders verheerend war, in anderen Teilen jedoch sehr viel weniger stark oder auch gar nicht wütete.

Ackerbau kam regional zum Stillstand

Ausgewertet wurden fossile Pollendaten von 261 Untersuchungsorten aus 19 europäischen Ländern. Die Wissenschaftler schlossen daraus, wie sich Landschaft und landwirtschaftliche Aktivität zwischen 1250 und 1450 veränderten. Aus der Analyse von Sporen und Pollenkörnern folgerten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, welche Pflanzen in welchen Mengen angebaut wurden. Daran lässt sich zeigen, in welcher Region der Ackerbau zum Stillstand kam, weiter betrieben wurde oder ob Wildpflanzen auf früheren Feldern nachwuchsen.

Einen besonders starken Rückgang landwirtschaftlicher Aktivität erlebten danach Skandinavien, Frankreich, Südwestdeutschland, Griechenland und Mittelitalien. Das stimmt laut Studie mit den hohen Sterblichkeitsraten überein, die bereits in mittelalterlichen Quellen beschrieben wurden.

Zentral- und Osteuropa sowie Teile Westeuropas, darunter Irland und die Iberische Halbinsel, zeigten hingegen Anzeichen für Kontinuität und ununterbrochenes Wachstum.

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