Wissen Bewerbungsgespräche: Von Angesicht zu Angesicht klappt es besser

Schau mir in die Augen: Beim Videochat gibt es einiges zu beachten.
Schau mir in die Augen: Beim Videochat gibt es einiges zu beachten.

Viele Personaler setzen schon länger bei Auswahlgesprächen auf Videokonferenzen. Durch die Corona-Pandemie hat sich dieser Trend noch verstärkt. Doch die Sache hat einen Haken: In digitalen Auswahlinterviews kommen die Bewerber deutlich schlechter weg als im persönlichen Vorstellungsgespräch.

Warum dies so ist, haben Psychologen der Universität Ulm in einer Studie herausgefunden, für die digitale und analoge Bewerbungsgespräche simuliert wurden.

Bei einem Vorstellungsgespräch um eine begehrte Stelle will sich jeder von seiner besten Seite zeigen. Dies geschieht auch mithilfe bestimmter sozialer Techniken, die das Gegenüber beeindrucken sollen. Dazu gehören kommunikative Taktiken wie das Herausarbeiten von Stärken oder das Herunterspielen von Schwächen, aber auch nonverbale Techniken, die auf einer bestimmten Körperhaltung oder Gestik beruhen.

Digital Interviewte schneiden schlechter ab

„In der Psychologie verwenden wir dafür den englischen Begriff ,Impression Management’“, erklärt Klaus Melchers, Leiter der Abteilung Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Ulm. Und dieses „Impression Management“ findet in Online-Bewerbungsgesprächen weit weniger statt als beim persönlichen Gespräch. Der Effekt: Die digital interviewten Personen werden im Hinblick auf ihre Leistung negativer bewertet als diejenigen, die ein herkömmliches Bewerbergespräch in Präsenz durchlaufen.

Eine weitere Beobachtung aus der Studie: Auch soziale Präsenz und Blickkontakt werden von den Interviewten in den Online-Bewerbungsgesprächen als weniger intensiv wahrgenommen als in den persönlich geführten.

Ohne Blickkontakt fehlt soziale Präsenz

Wie eng alle drei Faktoren zusammenhängen, konnten die Forschenden bei der statistischen Auswertung zeigen. „Auch dieses Ergebnis ist nachvollziehbar, weil der Mensch sein Verhalten immer auch an die Reaktionen seines Gegenübers anpasst. Ohne Blickkontakt gelingt es kaum, eine starke soziale Präsenz zu entwickeln. Und beides ist entscheidend dafür, ein Gespür zu entwickeln, mit welchen Taktiken ich mein Gegenüber am besten für mich einnehmen kann“, sagt Johannes Basch. Der Erstautor der Studie ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in Melchers Abteilung.

Online-Gespräche wirken weniger fair

Für die Studie haben die Forscher 114 simulierte Auswahlinterviews mit Studierenden geführt. Davon wurden 57 als persönliches Gespräch geführt und 57 über eine Videokonferenz. Um die Performanz der Kandidaten später besser auswerten zu können, wurden alle Interviews aufgezeichnet – sowohl die digitalen als auch die analogen.

Zusätzlich mussten die Probanden einen Online-Fragebogen ausfüllen, in dem sie Auskunft geben sollten, wie sie die Interviewsituation wahrgenommen haben. Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung: Identische Bewerberantworten wurden von den Interviewern kritischer bewertet, wenn sie in einer Videokonferenz präsentiert wurden als in einem persönlichen Gespräch.

Neben Beeinträchtigungen der Leistung aufseiten der Interviewten tragen also auch negativere Beurteilungen durch die Interviewer dazu bei, dass Personen per Videokonferenz schlechter abschneiden. Weitere Erkenntnisse aus der Studie betrafen Fairness-Aspekte und Datenschutz-Bedenken. So zeigte sich, dass die Interviewten Online-Vorstellungsgespräche für weniger fair hielten als persönliche Bewerbergespräche.

Die Befragten hatten zudem digitalen Gesprächsformaten gegenüber größere Datenschutzbedenken. Positiv gewürdigt wurde hingegen die größere Flexibilität, die in ihren Augen mit dem Einsatz von Online-Tools wie Videokonferenzlösungen verbunden war.

Ratsam: Einheitliche Interview-Formate

„Unsere Ergebnisse haben natürlich auch eine praktische Relevanz“, betonen die Ulmer Forscher. So sei es für Unternehmen nicht ratsam, in einer Auswahlrunde unterschiedliche Interview-Formate zu verwenden, da dies klar auf eine Benachteiligung der Bewerberinnen und Bewerber hinauslaufe, die über Videokonferenzformate Rede und Antwort stehen müssen.

„Den Bewerberinnen und Bewerbern kann ich nur raten – wenn sie die Wahl haben –, das persönliche Vorstellungsgespräch vorzuziehen. Dabei kommt man in der Regel besser weg“, so Melchers.

Und falls sich die Videokonferenz nicht vermeiden lässt, helfe ein technischer Trick: „Montieren Sie die Kamera so auf dem Bildschirm, dass Sie die Reaktionen Ihres Gesprächspartners gut beobachten und gleichzeitig Augenkontakt über die Kamera herstellen können“, verraten die Forscher.

x